Demokratie“ – Bearbeiten

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=== {{Anker|Begriffsgeschichte}} Ursprung der Demokratie ===
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[[Datei:Pnyx te Athene Athène La Pnyx Athen Die Pnyx (titel op object), RP-F-00-195.jpg|mini|'''Pnyx''' in Athen – Versammlungsplatz der Ekklesia mit Rednertribüne (Foto 1905)]]
[[Datei:Pnyx te Athene Athène La Pnyx Athen Die Pnyx (titel op object), RP-F-00-195.jpg|mini|'''Pnyx''' in Athen – Versammlungsplatz der Ekklesia mit Rednertribüne (Foto 1905)]]

Der Ausdruck ''Demokratie'' ist auf {{grcS|δημοκρατία}} zurückzuführen, ein [[Komposition (Grammatik)|Kompositum]] aus {{lang|grc|δῆμος|[[Demos|dḗmos]]}} ‚[[Volk]]‘ und {{lang|grc|κράτος|[[-kratie|krátos]]}} ‚Kraft; [[Macht]]; [[Herrschaft]]‘.<ref>{{Literatur |Titel=Das Herkunftswörterbuch |Sammelwerk=Duden |Band=7 |Auflage=6. |Verlag=Bibliographisches Institut |Ort=Berlin |Datum=2020 |ISBN=978-3-411-04076-6 |Fundstelle=Eintrag „Demokratie“}}</ref> Die Endung [[Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern#krat|-kratia]] bezeichnet dabei, anders als Wörter mit der Endung [[Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern#archi|-archie]], nicht die Zahl der jeweils Herrschenden, denen ein Amtsmonopol attestiert wird, sondern die Qualität des Regierungsprinzips.<ref>Philipp Dingeldey, [[Dirk Jörke]]: ''Demokratie''. In: [[Brigitta Schmidt-Lauber]], Manuel Liebig (Hrsg.): ''Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar.'' Böhlau, Wien 2022, S. 49–55, hier S. 50.</ref> Die erste Erwähnung der Bezeichnung ''Demokratie'' findet sich bei [[Herodot]] um 430 v. Chr., als die so bezeichnete Herrschaftsform bereits mehrere Jahrzehnte praktiziert worden war.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 13. Der Althistoriker [[Christian Meier]] setzt wie auch andere die Herstellung der attischen Demokratie mit und nach der Entmachtung des [[Areopag]]s im Jahr 461 v. Chr. an.</ref> Zur Demokratie hinleitende Begriffe im Vorfeld waren die mit den [[Kleisthenische Reformen|Kleisthenischen Reformen]] in Verbindung stehenden [[Isonomie]] ({{lang|grc|ἰσονομία|de=Gleichheit vor dem Gesetz}}), [[Attische Demokratie#Die Volksversammlung|Isegorie]] ({{lang|grc|ἰσηγορία|de=gleiches Rederecht}}) und Isokratie ({{lang|grc|ἰσοκρατία|de=gleicher Anspruch auf Herrschaft}}).
Der Ausdruck ''Demokratie'' ist auf {{grcS|δημοκρατία}} zurückzuführen, ein [[Komposition (Grammatik)|Kompositum]] aus {{lang|grc|δῆμος|[[Demos|dḗmos]]}} ‚[[Volk]]‘ und {{lang|grc|κράτος|[[-kratie|krátos]]}} ‚Kraft; [[Macht]]; [[Herrschaft]]‘.<ref>{{Literatur |Titel=Das Herkunftswörterbuch |Sammelwerk=Duden |Band=7 |Auflage=6. |Verlag=Bibliographisches Institut |Ort=Berlin |Datum=2020 |ISBN=978-3-411-04076-6 |Fundstelle=Eintrag „Demokratie“}}</ref> Die Endung [[Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern#krat|-kratia]] bezeichnet dabei, anders als Wörter mit der Endung [[Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern#archi|-archie]], nicht die Zahl der jeweils Herrschenden, denen ein Amtsmonopol attestiert wird, sondern die Qualität des Regierungsprinzips.<ref>Philipp Dingeldey, [[Dirk Jörke]]: ''Demokratie''. In: [[Brigitta Schmidt-Lauber]], Manuel Liebig (Hrsg.): ''Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar.'' Böhlau, Wien 2022, S. 49–55, hier S. 50.</ref> Die erste Erwähnung der Bezeichnung ''Demokratie'' findet sich bei [[Herodot]] um 430 v. Chr., als die so bezeichnete Herrschaftsform bereits mehrere Jahrzehnte praktiziert worden war.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 13. Der Althistoriker [[Christian Meier]] setzt wie auch andere die Herstellung der attischen Demokratie mit und nach der Entmachtung des [[Areopag]]s im Jahr 461 v. Chr. an.</ref> Zur Demokratie hinleitende Begriffe im Vorfeld waren die mit den [[Kleisthenische Reformen|Kleisthenischen Reformen]] in Verbindung stehenden [[Isonomie]] ({{lang|grc|ἰσονομία|de=Gleichheit vor dem Gesetz}}), [[Attische Demokratie#Die Volksversammlung|Isegorie]] ({{lang|grc|ἰσηγορία|de=gleiches Rederecht}}) und Isokratie ({{lang|grc|ἰσοκρατία|de=gleicher Anspruch auf Herrschaft}}).


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=== Moderne Demokratie ===
=== Moderne Demokratie ===
[[Datei:Wooden ballot box - Smithsonian.jpg|mini|Wahlurne – Merkmal der repräsentativen modernen Demokratie (USA 1870)]]
[[Datei:Wooden ballot box - Smithsonian.jpg|mini|Wahlurne – Merkmal der repräsentativen modernen Demokratie (USA 1870)]]

''Demokratie'' ist zum Oberbegriff vieler politischer Systeme geworden, die sich von der klassischen Demokratie der Antike zumeist stark unterscheiden. Als vieldeutig und widerspruchsvoll erscheint bei [[Waldemar Besson]] und [[Gotthard Jasper]], was weltweit als Demokratie und als demokratisch ausgegeben wird. Die Verwirrung beruhe teils darauf, dass Demokratiedefinitionen aus verschiedenen Zeiten und Gesellschaftsordnungen unreflektiert nebeneinander gebraucht würden, ohne zwischen dem „prinzipiellen Kern“ des demokratischen Gedankens und seiner jeweils zeitgebundenen Ausformung zu unterscheiden.<ref>[[Waldemar Besson]], [[Gotthard Jasper]]: '' Das Leitbild der modernen Demokratie: Bausteine einer freiheitlichen Staatsordnung''. Verlag J.H.W. Dietz Nachf. Bonn; von Gotthard Jasper überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe 1991, S. 10.</ref>
''Demokratie'' ist zum Oberbegriff vieler politischer Systeme geworden, die sich von der klassischen Demokratie der Antike zumeist stark unterscheiden. Als vieldeutig und widerspruchsvoll erscheint bei [[Waldemar Besson]] und [[Gotthard Jasper]], was weltweit als Demokratie und als demokratisch ausgegeben wird. Die Verwirrung beruhe teils darauf, dass Demokratiedefinitionen aus verschiedenen Zeiten und Gesellschaftsordnungen unreflektiert nebeneinander gebraucht würden, ohne zwischen dem „prinzipiellen Kern“ des demokratischen Gedankens und seiner jeweils zeitgebundenen Ausformung zu unterscheiden.<ref>[[Waldemar Besson]], [[Gotthard Jasper]]: '' Das Leitbild der modernen Demokratie: Bausteine einer freiheitlichen Staatsordnung''. Verlag J.H.W. Dietz Nachf. Bonn; von Gotthard Jasper überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe 1991, S. 10.</ref>


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==== Grundzüge der Attischen Demokratie ====
==== Grundzüge der Attischen Demokratie ====
{{Hauptartikel|Attische Demokratie}}
{{Hauptartikel|Attische Demokratie}}
[[Datei:BL Papyrus 131-10v Constitution of Athens.jpg|mini|Verfassung von Athen (Papyrus)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Papyrus_131 |titel=Papyrus 131 – Aristotle's Constitution of the Athenians and Other Texts |werk=bl.uk |hrsg=[[British Library]] |format=PNG |sprache=grc |abruf=2022-05-01 |kommentar=Date 78-c 100}}</ref>]]


[[Datei:BL Papyrus 131-10v Constitution of Athens.jpg|mini|Verfassung von Athen (Papyrus)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Papyrus_131 |titel=Papyrus 131 – Aristotle's Constitution of the Athenians and Other Texts |werk=bl.uk |hrsg=[[British Library]] |format=PNG |sprache=grc |abruf=2022-05-01 |kommentar=Date 78-c 100}}</ref>]]
Frühestes Beispiel einer demokratischen Ordnung ist die Attische Demokratie, die sich nach der [[Peisistratiden-Tyrannis in Athen|Peisistratiden-Tyrannis]] und den [[Perserkriege]]n im 5. Jahrhundert v. Chr. entwickelte. Sozio-ökonomische und sicherheitspolitische Erwägungen führten in Athen dazu, dass es zu einer verstärkten Einbindung der bislang unberücksichtigten gesellschaftlichen Schicht der [[Theten]] in die politischen Strukturen kam. Es bildeten sich Rahmenbedingungen heraus, die grundlegende Verfassungsreformen und eine Beteiligung der Vielen an der Herrschaft förderten. Im Rahmen dieser Reformen, so [[Stefan Marschall]], sei die demokratische als eine mögliche Herrschaftsform entdeckt worden.<ref>Marschall 2014, S. 24.</ref>
Frühestes Beispiel einer demokratischen Ordnung ist die Attische Demokratie, die sich nach der [[Peisistratiden-Tyrannis in Athen|Peisistratiden-Tyrannis]] und den [[Perserkriege]]n im 5. Jahrhundert v. Chr. entwickelte. Sozio-ökonomische und sicherheitspolitische Erwägungen führten in Athen dazu, dass es zu einer verstärkten Einbindung der bislang unberücksichtigten gesellschaftlichen Schicht der [[Theten]] in die politischen Strukturen kam. Es bildeten sich Rahmenbedingungen heraus, die grundlegende Verfassungsreformen und eine Beteiligung der Vielen an der Herrschaft förderten. Im Rahmen dieser Reformen, so [[Stefan Marschall]], sei die demokratische als eine mögliche Herrschaftsform entdeckt worden.<ref>Marschall 2014, S. 24.</ref>


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==== {{Anker|Aristoteles’ politisches Denken}} Aristoteles’ zwei Staatsformenlehren ====
==== {{Anker|Aristoteles’ politisches Denken}} Aristoteles’ zwei Staatsformenlehren ====

[[Aristoteles]] ordnete die ''Demokratie'' in seinem [[Staatstheorie|staatstheoretischen]] Werk [[Politik (Aristoteles)|{{lang|grc|Πολιτικά}}]] (‚Politik‘) in eine nach Anzahl der Herrschaftsbeteiligten und Qualität der Herrschaftsausübung differenzierende Ordnung von sechs Verfassungstypen ein:<ref>Aristoteles, ''Politik'' III 7.</ref>
[[Aristoteles]] ordnete die ''Demokratie'' in seinem [[Staatstheorie|staatstheoretischen]] Werk [[Politik (Aristoteles)|{{lang|grc|Πολιτικά}}]] (‚Politik‘) in eine nach Anzahl der Herrschaftsbeteiligten und Qualität der Herrschaftsausübung differenzierende Ordnung von sechs Verfassungstypen ein:<ref>Aristoteles, ''Politik'' III 7.</ref>


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==== Römische Republik ====
==== Römische Republik ====
[[Datei:Spqrstone.jpg|mini|[[S.P.Q.R.]]: ''Senatus Populusque Romanus'' („Der Senat und das römische Volk“), das [[Hoheitszeichen]] der Römischen Republik]]
[[Datei:Spqrstone.jpg|mini|[[S.P.Q.R.]]: ''Senatus Populusque Romanus'' („Der Senat und das römische Volk“), das [[Hoheitszeichen]] der Römischen Republik]]

Auch die Römische Republik verwirklichte bis zur schrittweisen, kontinuierlichen Ablösung durch den [[Prinzipat]] eine [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] mit rudimentären demokratischen Elementen, basierend auf der Idee der Gleichberechtigung der Freien bei der Wahl der republikanischen Magistrate. Doch blieben das oligarchische Prinzip und der Vorrang der [[Nobilität]] durchgängig bestimmend. Bei der Wahl der Konsuln etwa galt, dass aufgrund des Systems der [[Comitia centuriata]] die Stimme eines Reichen mehr zählte als die eines Armen. Durch das [[Klient#Geschichte|Klientelwesen]] waren weite Bevölkerungskreise an ihre jeweiligen [[Patronat (Römer)|Patrone]] gebunden, sodass die in der Staatsspitze agierende Nobilität die politischen Verhältnisse und Entscheidungen weitgehend unter Kontrolle behielt.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 38.</ref>
Auch die Römische Republik verwirklichte bis zur schrittweisen, kontinuierlichen Ablösung durch den [[Prinzipat]] eine [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] mit rudimentären demokratischen Elementen, basierend auf der Idee der Gleichberechtigung der Freien bei der Wahl der republikanischen Magistrate. Doch blieben das oligarchische Prinzip und der Vorrang der [[Nobilität]] durchgängig bestimmend. Bei der Wahl der Konsuln etwa galt, dass aufgrund des Systems der [[Comitia centuriata]] die Stimme eines Reichen mehr zählte als die eines Armen. Durch das [[Klient#Geschichte|Klientelwesen]] waren weite Bevölkerungskreise an ihre jeweiligen [[Patronat (Römer)|Patrone]] gebunden, sodass die in der Staatsspitze agierende Nobilität die politischen Verhältnisse und Entscheidungen weitgehend unter Kontrolle behielt.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 38.</ref>


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==== Englisches Parlament ====
==== Englisches Parlament ====
[[Datei:House of commons.jpg|mini|House of Commons (Karl Anton Hickel, 1793–1794)]]
[[Datei:House of commons.jpg|mini|House of Commons (Karl Anton Hickel, 1793–1794)]]

Das moderne Prinzip der parlamentarischen Repräsentation des Volkes im Sinne demokratischer Mitwirkung kam in England bereits im [[Hochmittelalter]] ansatzweise zur Wirkung. Seit der [[Magna Carta]] im Jahre 1215 bestand im englischen Königreich die Idee, es dürfe keine Steuer ohne vorherige Beratung geben. Daraus entwickelte sich [[De Montfort’s Parliament]]. Dieses sollte ab 1265 mindestens einmal jährlich zusammentreten; es bestand vor allem aus adeligen Großgrundbesitzern.<ref name="Vorländer2020p65">{{Literatur |Autor=Hans Vorländer |Titel=Demokratie – Geschichte, Formen, Theorien |Auflage=4. |Verlag=C.H.&nbsp;Beck |Ort=München |Datum=2020|ISBN=978-3-406-73816-6 |Seiten=65 f.}}</ref> Ab dem 14. Jahrhundert setzte sich – wenn auch noch nicht demokratisch – das Parlament als Vertretung der Gesamtgenossenschaft aller Kreise und Gemeinden durch, zu dem auch die „Gemeinen“ ({{enS|“commons”}}) Zutritt hatten; daraus entstand später das [[House of Commons#Entstehung und Entwicklung bis ins frühe 19. Jahrhundert|House of Commons]] (Unterhaus).<ref name="Vorländer2020p65" /> Mit der Entwicklung der [[Absolute Monarchie#England|absoluten Monarchie]] im 16. Jahrhundert verringerten sich die Einflussmöglichkeiten.
Das moderne Prinzip der parlamentarischen Repräsentation des Volkes im Sinne demokratischer Mitwirkung kam in England bereits im [[Hochmittelalter]] ansatzweise zur Wirkung. Seit der [[Magna Carta]] im Jahre 1215 bestand im englischen Königreich die Idee, es dürfe keine Steuer ohne vorherige Beratung geben. Daraus entwickelte sich [[De Montfort’s Parliament]]. Dieses sollte ab 1265 mindestens einmal jährlich zusammentreten; es bestand vor allem aus adeligen Großgrundbesitzern.<ref name="Vorländer2020p65">{{Literatur |Autor=Hans Vorländer |Titel=Demokratie – Geschichte, Formen, Theorien |Auflage=4. |Verlag=C.H.&nbsp;Beck |Ort=München |Datum=2020|ISBN=978-3-406-73816-6 |Seiten=65 f.}}</ref> Ab dem 14. Jahrhundert setzte sich – wenn auch noch nicht demokratisch – das Parlament als Vertretung der Gesamtgenossenschaft aller Kreise und Gemeinden durch, zu dem auch die „Gemeinen“ ({{enS|“commons”}}) Zutritt hatten; daraus entstand später das [[House of Commons#Entstehung und Entwicklung bis ins frühe 19. Jahrhundert|House of Commons]] (Unterhaus).<ref name="Vorländer2020p65" /> Mit der Entwicklung der [[Absolute Monarchie#England|absoluten Monarchie]] im 16. Jahrhundert verringerten sich die Einflussmöglichkeiten.


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=== Frühe Neuzeit ===
=== Frühe Neuzeit ===
[[Datei:Social contract rousseau page.jpg|mini|hochkant|Titelblatt der Erstausgabe von Rousseaus ''Gesellschaftsvertrag'']]
[[Datei:Social contract rousseau page.jpg|mini|hochkant|Titelblatt der Erstausgabe von Rousseaus ''Gesellschaftsvertrag'']]

Hatte Machiavelli die Politik von der Moral losgelöst und die Orientierung an Interessen und Machtkonflikten ins Blickfeld gerückt, so kam es im Zeitalter der [[Aufklärung#Staatstheorie und politische Praxis|Aufklärung]] zur Kritik an [[Metaphysik]], Religion und [[Aberglaube]] als Rechtfertigungsmitteln der mittelalterlichen Herrschaft. Mit der Verbreitung des [[Buchdruck]]s entstand in der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] ein öffentlicher politischer Raum, der zum Motor für die Etablierung demokratischer Herrschaftsformen in der Moderne wurde.<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 28 f.</ref>
Hatte Machiavelli die Politik von der Moral losgelöst und die Orientierung an Interessen und Machtkonflikten ins Blickfeld gerückt, so kam es im Zeitalter der [[Aufklärung#Staatstheorie und politische Praxis|Aufklärung]] zur Kritik an [[Metaphysik]], Religion und [[Aberglaube]] als Rechtfertigungsmitteln der mittelalterlichen Herrschaft. Mit der Verbreitung des [[Buchdruck]]s entstand in der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] ein öffentlicher politischer Raum, der zum Motor für die Etablierung demokratischer Herrschaftsformen in der Moderne wurde.<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 28 f.</ref>


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==== Lockes liberale Staatstheorie ====
==== Lockes liberale Staatstheorie ====
[[Datei:John Locke.jpg|mini|hochkant|John Locke (1697)]]
[[Datei:John Locke.jpg|mini|hochkant|John Locke (1697)]]

Während Thomas Hobbes im ''[[Leviathan (Thomas Hobbes)|Leviathan]]'' einen Herrschaftsabsolutismus vorsah und sich mit Demokratie ausschließlich ablehnend auseinandersetzte, legte [[John Locke]] (1632–1704) mit ''{{lang|en|Two Treatises of Government}}'' (''[[Zwei Abhandlungen über die Regierung]],'' 1689) das Fundament für eine weltlich legitimierte, antiabsolutistische Staatsverfassung vor. Grundlage dafür ist bei Locke die grundsätzliche Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger in Verbindung mit vielen Grundsätzen des späteren [[Liberalismus]] wie dem Recht des Einzelnen auf Leben, Freiheit und Vermögen. Weitere Merkmale sind religiöse Toleranz, die Herrschaft des Rechts, die Gewaltenteilung zwischen [[Legislative]] und [[Exekutive]] sowie das [[Widerstandsrecht#John Locke († 1704)|Widerstandsrecht]] gegen jede unrechtmäßige Regierung. Die Regierung unterliegt im Rahmen der Zustimmung des Staatsvolkes einem vorgegebenen Staatszweck mit begrenzten Machtmitteln der öffentlichen Gewalt („government by consent“). Die öffentlich bekanntzumachenden Gesetze gelten für Reiche und Arme gleichermaßen. Sie dürfen ausschließlich auf „Frieden, Sicherheit und das öffentliche Wohl des Volkes“ abzielen.<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 57–60.</ref>
Während Thomas Hobbes im ''[[Leviathan (Thomas Hobbes)|Leviathan]]'' einen Herrschaftsabsolutismus vorsah und sich mit Demokratie ausschließlich ablehnend auseinandersetzte, legte [[John Locke]] (1632–1704) mit ''{{lang|en|Two Treatises of Government}}'' (''[[Zwei Abhandlungen über die Regierung]],'' 1689) das Fundament für eine weltlich legitimierte, antiabsolutistische Staatsverfassung vor. Grundlage dafür ist bei Locke die grundsätzliche Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger in Verbindung mit vielen Grundsätzen des späteren [[Liberalismus]] wie dem Recht des Einzelnen auf Leben, Freiheit und Vermögen. Weitere Merkmale sind religiöse Toleranz, die Herrschaft des Rechts, die Gewaltenteilung zwischen [[Legislative]] und [[Exekutive]] sowie das [[Widerstandsrecht#John Locke († 1704)|Widerstandsrecht]] gegen jede unrechtmäßige Regierung. Die Regierung unterliegt im Rahmen der Zustimmung des Staatsvolkes einem vorgegebenen Staatszweck mit begrenzten Machtmitteln der öffentlichen Gewalt („government by consent“). Die öffentlich bekanntzumachenden Gesetze gelten für Reiche und Arme gleichermaßen. Sie dürfen ausschließlich auf „Frieden, Sicherheit und das öffentliche Wohl des Volkes“ abzielen.<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 57–60.</ref>


==== Montesquieus Gewaltenbalance ====
==== Montesquieus Gewaltenbalance ====
[[Datei:Esprit Loix 1749.JPG|mini|hochkant|''De l’Esprit des Loix''<br />‚Vom Geist der Gesetze‘]]
[[Datei:Esprit Loix 1749.JPG|mini|hochkant|''De l’Esprit des Loix''<br />‚Vom Geist der Gesetze‘]]

Ebenfalls nachhaltigen Einfluss auf das moderne Demokratiedenken nahm [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Charles Montesquieu]] (1689–1755) mit dem in seinem Werk ''{{lang|fr|De l’Esprit des Loix}}'' (''[[Vom Geist der Gesetze]],'' 1748) entwickelten System von Machtkontrolle und Gewaltenbalancierung. Montesquieu baute auf aristotelischen Lehren auf; er schätzte die nach seinem Verständnis freiheitliche, zeitgenössische konstitutionelle Monarchie in England und wandte sich gegen den in Frankreich etablierten [[Absolutismus]]. Ihm kam es auf die Einhegung der menschlichen Neigung zum [[Machtmissbrauch]] an. Die Staatsgewalten sollten einander wechselseitig in Schach halten („que le pouvoir arrête le pouvoir“).<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 66 f. und 72.</ref> Laut Manfred G. Schmidt galt es für Montesquieu, vier Komponenten in der Gewaltenbalance zu halten: 1. die Staatsgewalten [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]]; 2. die gesellschaftlichen Kräfte Krone, Adel und Besitzbürgertum; 3. die Staatsorgane (Volkskammer, Adelskammer, das durch Auslosung zusammengesetzte Volksgericht, ein Adelsgericht sowie den Erbmonarchen mit seinem Ministerrat); 4. grundlegende Befugnisse wie die Bestimmung von Repräsentanten und die Vollmacht, Gesetze zu erlassen. Den Machtausgleich zwischen den Gewalten sucht Montesquieu durch ein System ineinandergreifender Vetorechte („droits d’empêcher“) zu gewährleisten.<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 73 f.</ref>
Ebenfalls nachhaltigen Einfluss auf das moderne Demokratiedenken nahm [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Charles Montesquieu]] (1689–1755) mit dem in seinem Werk ''{{lang|fr|De l’Esprit des Loix}}'' (''[[Vom Geist der Gesetze]],'' 1748) entwickelten System von Machtkontrolle und Gewaltenbalancierung. Montesquieu baute auf aristotelischen Lehren auf; er schätzte die nach seinem Verständnis freiheitliche, zeitgenössische konstitutionelle Monarchie in England und wandte sich gegen den in Frankreich etablierten [[Absolutismus]]. Ihm kam es auf die Einhegung der menschlichen Neigung zum [[Machtmissbrauch]] an. Die Staatsgewalten sollten einander wechselseitig in Schach halten („que le pouvoir arrête le pouvoir“).<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 66 f. und 72.</ref> Laut Manfred G. Schmidt galt es für Montesquieu, vier Komponenten in der Gewaltenbalance zu halten: 1. die Staatsgewalten [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]]; 2. die gesellschaftlichen Kräfte Krone, Adel und Besitzbürgertum; 3. die Staatsorgane (Volkskammer, Adelskammer, das durch Auslosung zusammengesetzte Volksgericht, ein Adelsgericht sowie den Erbmonarchen mit seinem Ministerrat); 4. grundlegende Befugnisse wie die Bestimmung von Repräsentanten und die Vollmacht, Gesetze zu erlassen. Den Machtausgleich zwischen den Gewalten sucht Montesquieu durch ein System ineinandergreifender Vetorechte („droits d’empêcher“) zu gewährleisten.<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 73 f.</ref>


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==== Rousseaus Volkssouveränität ====
==== Rousseaus Volkssouveränität ====
[[Datei:Jean-Jacques Rousseau (painted portrait).jpg|mini|hochkant|Jean-Jacques Rousseau (1753)]]
[[Datei:Jean-Jacques Rousseau (painted portrait).jpg|mini|hochkant|Jean-Jacques Rousseau (1753)]]

Ganz anders als für Locke beginnt für [[Jean-Jacques Rousseau]] speziell mit der Festsetzung des Eigentumsrechts die Verfallsgeschichte der Menschheit, weil den als Einzelnen in „ursprünglicher Unschuld“ lebenden Menschen dadurch der ihnen wohltuende Naturzustand abhanden komme. Für den daraus hervorgehenden Zustand der Vergesellschaftung sieht Rousseau gleichfalls einen allgemeinverbindlichen Vertrag vor (''[[Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes]] (Du contrat social ou Principes du droit politique)'') – wiederum mit ganz anderen Akzenten als bei Locke. Indem jeder seine Rechte auf die Gemeinschaft aller überträgt, entsteht eine Republik, die das Gemeinwohl verkörpert und in der der „Allgemeine Wille“ ([[volonté générale]]) die politische Ausrichtung bestimmt. Im Ergebnis herrscht eine unmittelbare plebiszitäre Volkssouveränität, der sich niemand entziehen und verweigern darf. Wer sich der volonté générale nicht unterordnet, kann dazu gezwungen werden, was für Rousseau gleichbedeutend damit ist, dass man „ihn zwingt, frei zu sein“.<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 33 f.</ref> Die Bürger waren gemäß dem Republik-Konzept Rousseaus Mitglieder des Gemeinwesens einerseits als gleichverpflichtete Herrschaftsunterworfene, wie andererseits als gleichberechtigte Herrschaftsteilhaber ([[Identitäre Demokratietheorie]]). Für Manfred G. Schmidt lauert hinter Rousseaus freiheitlichen Verheißungen „erdrückende Herrschaft“ wegen des Zwangs zur Unterwerfung unter den unanfechtbaren Gemeinwillen. Es fehle in seiner Lehre „jeglicher Schutz gegen die potenzielle Despotie der Mehrheit.“<ref>Manfred G. Schmidt ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 88 und 97. Für Peter Rinderle hat Rousseaus Aussage „immer wieder viel Verwirrung gestiftet“, der zufolge man einen Bürger, der sich dem allgemeinen Willen widersetzt, zwingen müsse, „frei zu sein“. (Peter Rinderle: ''Demokratie''. Berlin und Boston 2015, S. 26)</ref>
Ganz anders als für Locke beginnt für [[Jean-Jacques Rousseau]] speziell mit der Festsetzung des Eigentumsrechts die Verfallsgeschichte der Menschheit, weil den als Einzelnen in „ursprünglicher Unschuld“ lebenden Menschen dadurch der ihnen wohltuende Naturzustand abhanden komme. Für den daraus hervorgehenden Zustand der Vergesellschaftung sieht Rousseau gleichfalls einen allgemeinverbindlichen Vertrag vor (''[[Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes]] (Du contrat social ou Principes du droit politique)'') – wiederum mit ganz anderen Akzenten als bei Locke. Indem jeder seine Rechte auf die Gemeinschaft aller überträgt, entsteht eine Republik, die das Gemeinwohl verkörpert und in der der „Allgemeine Wille“ ([[volonté générale]]) die politische Ausrichtung bestimmt. Im Ergebnis herrscht eine unmittelbare plebiszitäre Volkssouveränität, der sich niemand entziehen und verweigern darf. Wer sich der volonté générale nicht unterordnet, kann dazu gezwungen werden, was für Rousseau gleichbedeutend damit ist, dass man „ihn zwingt, frei zu sein“.<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 33 f.</ref> Die Bürger waren gemäß dem Republik-Konzept Rousseaus Mitglieder des Gemeinwesens einerseits als gleichverpflichtete Herrschaftsunterworfene, wie andererseits als gleichberechtigte Herrschaftsteilhaber ([[Identitäre Demokratietheorie]]). Für Manfred G. Schmidt lauert hinter Rousseaus freiheitlichen Verheißungen „erdrückende Herrschaft“ wegen des Zwangs zur Unterwerfung unter den unanfechtbaren Gemeinwillen. Es fehle in seiner Lehre „jeglicher Schutz gegen die potenzielle Despotie der Mehrheit.“<ref>Manfred G. Schmidt ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 88 und 97. Für Peter Rinderle hat Rousseaus Aussage „immer wieder viel Verwirrung gestiftet“, der zufolge man einen Bürger, der sich dem allgemeinen Willen widersetzt, zwingen müsse, „frei zu sein“. (Peter Rinderle: ''Demokratie''. Berlin und Boston 2015, S. 26)</ref>


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[[Datei:République Française - Liberté Égalité Fraternité.jpg|mini|Motto der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit]]
[[Datei:République Française - Liberté Égalité Fraternité.jpg|mini|Motto der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit]]
[[Datei:Robespierre.jpg|mini|hochkant|Anonymes Porträt Robespierres um [[1793]], [[Musée Carnavalet]]]]
[[Datei:Robespierre.jpg|mini|hochkant|Anonymes Porträt Robespierres um [[1793]], [[Musée Carnavalet]]]]

Die in ihrer Entstehung mit dem [[Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|amerikanischen Unabhängigkeitskrieg]] in Zusammenhang stehende [[Französische Revolution#Finanznöte als Dauerproblem|Französische Revolution]] wies in der [[Französische Revolution#Die konstitutionelle Monarchie|konstitutionell-monarchischen Phase]] viele Parallelen mit den Vorstellungen Montesquieus auf. Mit dem Sturz der Monarchie 1792 und der Errichtung der [[Erste Französische Republik|Ersten Französischen Republik]] durch den [[Nationalkonvent]] kam es zu einer begrifflichen Verschmelzung von Demokratie und Republik. Der im [[Erster Koalitionskrieg|Revolutionskrieg]] unter dem Druck der breiten Pariser Volksmassen stehende Konvent wurde von [[Maximilien Robespierre|Robespierre]] auf einige der Lehren Rousseaus eingeschworen. Eine homogene, der Gleichheit verpflichtete Bürgergemeinschaft sollte nun die soziale Grundlage einer großflächigen zentralstaatlichen Demokratie bilden. Ein Katalog demokratischer Tugenden wurde als neue Zivilreligion propagiert, wobei die Revolutionsregierung unter Robespierre zunehmend [[Französische Revolution#Legalisierter Terror und Entchristianisierung|terroristische Mittel]] gegen alle tatsächlichen und vermeintlichen Widersacher einsetzte.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 70 f.</ref>
Die in ihrer Entstehung mit dem [[Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|amerikanischen Unabhängigkeitskrieg]] in Zusammenhang stehende [[Französische Revolution#Finanznöte als Dauerproblem|Französische Revolution]] wies in der [[Französische Revolution#Die konstitutionelle Monarchie|konstitutionell-monarchischen Phase]] viele Parallelen mit den Vorstellungen Montesquieus auf. Mit dem Sturz der Monarchie 1792 und der Errichtung der [[Erste Französische Republik|Ersten Französischen Republik]] durch den [[Nationalkonvent]] kam es zu einer begrifflichen Verschmelzung von Demokratie und Republik. Der im [[Erster Koalitionskrieg|Revolutionskrieg]] unter dem Druck der breiten Pariser Volksmassen stehende Konvent wurde von [[Maximilien Robespierre|Robespierre]] auf einige der Lehren Rousseaus eingeschworen. Eine homogene, der Gleichheit verpflichtete Bürgergemeinschaft sollte nun die soziale Grundlage einer großflächigen zentralstaatlichen Demokratie bilden. Ein Katalog demokratischer Tugenden wurde als neue Zivilreligion propagiert, wobei die Revolutionsregierung unter Robespierre zunehmend [[Französische Revolution#Legalisierter Terror und Entchristianisierung|terroristische Mittel]] gegen alle tatsächlichen und vermeintlichen Widersacher einsetzte.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 70 f.</ref>


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==== {{Anker|Entwicklung der demokratischen Bewegung in Deutschland}} Demokratische Bewegung in Deutschland ====
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{{Hauptartikel|Demokratische Bewegung (Deutschland)}}
{{Hauptartikel|Demokratische Bewegung (Deutschland)}}
[[Datei:Bundesarchiv Bild 147-0978, Reichstag, Plenarsitzungssaal.jpg|mini|Plenarsitzungssaal [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Deutscher Reichstag]], mit allgemeinem und gleichem Männerwahlrecht (1889 in der [[Leipziger Straße (Berlin)|Leipziger Straße]] 4 in [[Berlin]])]]


[[Datei:Bundesarchiv Bild 147-0978, Reichstag, Plenarsitzungssaal.jpg|mini|Plenarsitzungssaal [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Deutscher Reichstag]], mit allgemeinem und gleichem Männerwahlrecht (1889 in der [[Leipziger Straße (Berlin)|Leipziger Straße]] 4 in [[Berlin]])]]
Bereits im [[Vormärz]] und beflügelt vom [[Hambacher Fest]] 1832 waren Forderungen zur Garantie von Bürger- und Freiheitsrechten, nach politischer Teilhabe, Parlamentarisierung und teils nach demokratisch-republikanischen Reformen laut geworden. Allerdings schwächten die unterschiedlichen Zielvorstellungen von liberalen Reformern einerseits und demokratisch-republikanisch orientierten Revolutionären andererseits die Einheit und Stärke der Paulskirchenversammlung. So scheiterte mit der Ablehnung von Kaiserkrone und Reichsverfassung durch den preußischen König [[Friedrich Wilhelm IV. von Preußen|Friedrich Wilhelm IV.]] 1849 auch in Deutschland der Versuch, mit revolutionären Mitteln eine konstitutionelle Monarchie zu schaffen. Zwar wurde 1869 im [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bund]] und 1871 im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt; die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung aber ließen die vor allem in [[Preußen]] weiter herrschenden konservativen Kreise nicht zu.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 74 f.</ref>
Bereits im [[Vormärz]] und beflügelt vom [[Hambacher Fest]] 1832 waren Forderungen zur Garantie von Bürger- und Freiheitsrechten, nach politischer Teilhabe, Parlamentarisierung und teils nach demokratisch-republikanischen Reformen laut geworden. Allerdings schwächten die unterschiedlichen Zielvorstellungen von liberalen Reformern einerseits und demokratisch-republikanisch orientierten Revolutionären andererseits die Einheit und Stärke der Paulskirchenversammlung. So scheiterte mit der Ablehnung von Kaiserkrone und Reichsverfassung durch den preußischen König [[Friedrich Wilhelm IV. von Preußen|Friedrich Wilhelm IV.]] 1849 auch in Deutschland der Versuch, mit revolutionären Mitteln eine konstitutionelle Monarchie zu schaffen. Zwar wurde 1869 im [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bund]] und 1871 im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt; die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung aber ließen die vor allem in [[Preußen]] weiter herrschenden konservativen Kreise nicht zu.<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 74 f.</ref>


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==== Vorreiter in direkter Demokratie: die Schweiz ====
==== Vorreiter in direkter Demokratie: die Schweiz ====
[[Datei:Landsgemeinde Ende 18. Jhr.jpg|mini|Tagung Landsgemeinde Ende 18. Jhd. (Museum Appenzell)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.ai.ch/dl.php/de/0cruu-swl8k1/Absolutismus.pdf |titel=Abschaffung des Geheimen Rates (1716) – Landsgemeinde-Demokratie im Zeitalter des Absolutismus |werk=ai.ch |hrsg=Kantonale Verwaltung Appenzell Innerrhoden |seiten=1 |datum=2009-03-16 |format=PDF; 71&nbsp;kB |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160325070814/http://www.ai.ch/dl.php/de/0cruu-swl8k1/Absolutismus.pdf |archiv-datum=2016-03-25 |abruf=2022-05-08}}</ref>]]
[[Datei:Landsgemeinde Ende 18. Jhr.jpg|mini|Tagung Landsgemeinde Ende 18. Jhd. (Museum Appenzell)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.ai.ch/dl.php/de/0cruu-swl8k1/Absolutismus.pdf |titel=Abschaffung des Geheimen Rates (1716) – Landsgemeinde-Demokratie im Zeitalter des Absolutismus |werk=ai.ch |hrsg=Kantonale Verwaltung Appenzell Innerrhoden |seiten=1 |datum=2009-03-16 |format=PDF; 71&nbsp;kB |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160325070814/http://www.ai.ch/dl.php/de/0cruu-swl8k1/Absolutismus.pdf |archiv-datum=2016-03-25 |abruf=2022-05-08}}</ref>]]

In der Schweiz wurde die demokratische Entwicklung im 19. Jahrhundert von der [[Regeneration (Schweiz)|liberalen Regeneration]] angestoßen, an deren Ende die [[Schweizer Bundesverfassung 1848]] und der Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat stand. Im Jahr 1874 wurde das [[Fakultatives Referendum#Schweiz|fakultative Referendum]] auf Bundesebene eingeführt, mit dem das Volk direkt über Bundesgesetze, teils auch Bundesbeschlüsse und weitreichende völkerrechtliche Verträge abstimmt ({{Art.|141|BV|ch}} [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft|Bundesverfassung]]). 1891 kam die [[Volksinitiative (Schweiz)|Volksinitiative]] hinzu, mit der das Volk Verfassungsänderungen auch gegen den Willen von Parlament und Regierung beschließen kann ({{Art.|139|BV|ch}} Bundesverfassung).<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 342.</ref>
In der Schweiz wurde die demokratische Entwicklung im 19. Jahrhundert von der [[Regeneration (Schweiz)|liberalen Regeneration]] angestoßen, an deren Ende die [[Schweizer Bundesverfassung 1848]] und der Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat stand. Im Jahr 1874 wurde das [[Fakultatives Referendum#Schweiz|fakultative Referendum]] auf Bundesebene eingeführt, mit dem das Volk direkt über Bundesgesetze, teils auch Bundesbeschlüsse und weitreichende völkerrechtliche Verträge abstimmt ({{Art.|141|BV|ch}} [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft|Bundesverfassung]]). 1891 kam die [[Volksinitiative (Schweiz)|Volksinitiative]] hinzu, mit der das Volk Verfassungsänderungen auch gegen den Willen von Parlament und Regierung beschließen kann ({{Art.|139|BV|ch}} Bundesverfassung).<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 342.</ref>


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{{Regierungssysteme der Welt}}
{{Regierungssysteme der Welt}}
{{Hauptartikel|Demokratietheorie}}
{{Hauptartikel|Demokratietheorie}}

[[Empirie|Empirische]] Demokratietheorien beschreiben Entwicklung und Funktionsweise von Demokratien. [[Normativ]]e Demokratietheorien beinhalten eine „Soll“-Vorstellung mit Abgleich zum realen „Ist“. Sowohl in der Demokratietheorie als auch in den geschichtlichen Erscheinungsformen zeigen sich spezielle Ausprägungen von Demokratie, die typologisch unterschieden werden – grundlegend etwa im Hinblick auf direkte und repräsentative Demokratien. Darüber hinaus werden weitere Differenzierungen vorgenommen, etwa in Form parlamentarischer oder präsidialer Akzentuierung. Herrschaftsorganisation korrespondiert zudem mit der Art, wie Konflikte behandelt werden: Geht es vorrangig um Konfliktvermeidung und gegebenenfalls um vorbeugende Konsensstiftung, so werden konsens- und [[Konkordanzdemokratie|konkordanzdemokratische]] Ansätze betont; wird hingegen offene Konfliktaustragung und -entscheidung bevorzugt, kommen mehrheitsbasierte und [[Konkurrenzdemokratie|konkurrenzorientierte]] Regierungsformen zum Zuge. In der Praxis sind zumeist von den [[Idealtypus|Idealtypen]] abweichende Mischformen anzutreffen.<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 87.</ref>
[[Empirie|Empirische]] Demokratietheorien beschreiben Entwicklung und Funktionsweise von Demokratien. [[Normativ]]e Demokratietheorien beinhalten eine „Soll“-Vorstellung mit Abgleich zum realen „Ist“. Sowohl in der Demokratietheorie als auch in den geschichtlichen Erscheinungsformen zeigen sich spezielle Ausprägungen von Demokratie, die typologisch unterschieden werden – grundlegend etwa im Hinblick auf direkte und repräsentative Demokratien. Darüber hinaus werden weitere Differenzierungen vorgenommen, etwa in Form parlamentarischer oder präsidialer Akzentuierung. Herrschaftsorganisation korrespondiert zudem mit der Art, wie Konflikte behandelt werden: Geht es vorrangig um Konfliktvermeidung und gegebenenfalls um vorbeugende Konsensstiftung, so werden konsens- und [[Konkordanzdemokratie|konkordanzdemokratische]] Ansätze betont; wird hingegen offene Konfliktaustragung und -entscheidung bevorzugt, kommen mehrheitsbasierte und [[Konkurrenzdemokratie|konkurrenzorientierte]] Regierungsformen zum Zuge. In der Praxis sind zumeist von den [[Idealtypus|Idealtypen]] abweichende Mischformen anzutreffen.<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 87.</ref>


=== Direkte Demokratie ===
=== Direkte Demokratie ===
{{Hauptartikel|Direkte Demokratie}}
{{Hauptartikel|Direkte Demokratie}}

In der ''unmittelbaren'' bzw. ''direkten Demokratie'' nimmt das Volk unmittelbar und [[Repräsentation (Politik)|unvertretbar]] durch Abstimmungen über Sachfragen am Staatsgeschehen teil. Das ausgeprägteste direktdemokratische System besteht in der [[Direkte Demokratie in der Schweiz|Schweiz]]. Neben dem fakultativen Referendum auf Bundesebene und der Volksinitiative zur Verfassungsänderung gibt es das [[Obligatorisches Referendum|obligatorische Verfassungs- und Staatsvertragsreferendum]], bei dem das Volk immer über vom Parlament beschlossene Änderungen der Bundesverfassung und über den Beitritt zu Organisationen kollektiver Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften abstimmt ({{Art.|140|BV|ch}} Bundesverfassung), und die Volksinitiative zur Totalrevision der Verfassung ({{Art.|138|BV|ch}} Bundesverfassung) – bislang nur 1935 erfolglos angestrengt. Weitere direktdemokratische Beteiligungsformen bieten sich den Schweizer Bürgern in den [[Kanton (Schweiz)|Kantonen]] und Gemeinden. Diese Angebote werden, so [[Manfred G. Schmidt]], angenommen und als unhintergehbare Errungenschaft angesehen, bei einer Abstimmungsbeteiligung, die allerdings unterdessen zwischen lediglich 35 und 45 Prozent pendelt. Schmidt sieht diese weit ausgebauten Partizipationsrechte als verträglich mit politischer Stabilität, sozialer [[Gruppenkohäsion|Kohäsion]] und hoher wirtschaftlicher Leistungskraft.<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 343 f.</ref>
In der ''unmittelbaren'' bzw. ''direkten Demokratie'' nimmt das Volk unmittelbar und [[Repräsentation (Politik)|unvertretbar]] durch Abstimmungen über Sachfragen am Staatsgeschehen teil. Das ausgeprägteste direktdemokratische System besteht in der [[Direkte Demokratie in der Schweiz|Schweiz]]. Neben dem fakultativen Referendum auf Bundesebene und der Volksinitiative zur Verfassungsänderung gibt es das [[Obligatorisches Referendum|obligatorische Verfassungs- und Staatsvertragsreferendum]], bei dem das Volk immer über vom Parlament beschlossene Änderungen der Bundesverfassung und über den Beitritt zu Organisationen kollektiver Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften abstimmt ({{Art.|140|BV|ch}} Bundesverfassung), und die Volksinitiative zur Totalrevision der Verfassung ({{Art.|138|BV|ch}} Bundesverfassung) – bislang nur 1935 erfolglos angestrengt. Weitere direktdemokratische Beteiligungsformen bieten sich den Schweizer Bürgern in den [[Kanton (Schweiz)|Kantonen]] und Gemeinden. Diese Angebote werden, so [[Manfred G. Schmidt]], angenommen und als unhintergehbare Errungenschaft angesehen, bei einer Abstimmungsbeteiligung, die allerdings unterdessen zwischen lediglich 35 und 45 Prozent pendelt. Schmidt sieht diese weit ausgebauten Partizipationsrechte als verträglich mit politischer Stabilität, sozialer [[Gruppenkohäsion|Kohäsion]] und hoher wirtschaftlicher Leistungskraft.<ref>Manfred G. Schmidt: ''Demokratietheorien. Eine Einführung''. 6. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 343 f.</ref>


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{{Hauptartikel|Repräsentative Demokratie}}
{{Hauptartikel|Repräsentative Demokratie}}
[[Datei:2020-02-13 Deutscher Bundestag IMG 3438 by Stepro.jpg|mini|[[Parlament]] als typisches Organ einer repräsentativen Demokratie (hier: [[Plenarsaal]] des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]])]]
[[Datei:2020-02-13 Deutscher Bundestag IMG 3438 by Stepro.jpg|mini|[[Parlament]] als typisches Organ einer repräsentativen Demokratie (hier: [[Plenarsaal]] des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]])]]

Für die ''Repräsentative Demokratie'' charakteristisch ist die [[Wahl]] der Repräsentanten des Wahlvolkes in regelmäßigen Abständen. Das [[Mandat (Politik)|Mandat]] der Volksvertreterinnen und -vertreter endet also mit dem Auslaufen des auch als [[Legislaturperiode]] bezeichneten Zeitraums ihrer Beauftragung. In der Ausübung ihres Mandats sind die Gewählten je nach politischem System in unterschiedlicher Weise [[Mandat (Politik)#Freies und imperatives Mandat|frei oder an den Wählerwillen rückgebunden]]. In der modernen [[Parteiendemokratie]] erhalten die Gewählten ihr Mandat sowohl aus persönlichen als auch parteilichen Gründen, wobei die jeweilige [[Parteiprogramm]]atik sowohl die Wahlentscheidung als folglich auch das Abgeordnetenverhalten oft in hohem Maße bestimmt ([[Fraktionsdisziplin]]).<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 90 f.</ref>
Für die ''Repräsentative Demokratie'' charakteristisch ist die [[Wahl]] der Repräsentanten des Wahlvolkes in regelmäßigen Abständen. Das [[Mandat (Politik)|Mandat]] der Volksvertreterinnen und -vertreter endet also mit dem Auslaufen des auch als [[Legislaturperiode]] bezeichneten Zeitraums ihrer Beauftragung. In der Ausübung ihres Mandats sind die Gewählten je nach politischem System in unterschiedlicher Weise [[Mandat (Politik)#Freies und imperatives Mandat|frei oder an den Wählerwillen rückgebunden]]. In der modernen [[Parteiendemokratie]] erhalten die Gewählten ihr Mandat sowohl aus persönlichen als auch parteilichen Gründen, wobei die jeweilige [[Parteiprogramm]]atik sowohl die Wahlentscheidung als folglich auch das Abgeordnetenverhalten oft in hohem Maße bestimmt ([[Fraktionsdisziplin]]).<ref>Samuel Salzborn: ''Demokratie. Theorien – Formen – Entwicklungen.'' 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021, S. 90 f.</ref>


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=== Defekte Demokratie ===
=== Defekte Demokratie ===
{{Hauptartikel|Defekte Demokratie}}
{{Hauptartikel|Defekte Demokratie}}

Als defekte Demokratie werden in der vergleichenden Politikwissenschaft politische Systeme bezeichnet, in denen zwar demokratische Wahlen stattfinden, die jedoch gemessen an den normativen Grundlagen [[Liberale Demokratie|liberaler Demokratien]] (Teilhaberechte, Freiheitsrechte, Gewaltenkontrolle etc.) verschiedene Defekte aufweisen. Man unterscheidet innerhalb der Defekten Demokratien: Exklusive Demokratie, [[Illiberale Demokratie]], Delegative Demokratie und Enklavendemokratie. Das Konzept der defekten Demokratie ist in der Politikwissenschaft umstritten.
Als defekte Demokratie werden in der vergleichenden Politikwissenschaft politische Systeme bezeichnet, in denen zwar demokratische Wahlen stattfinden, die jedoch gemessen an den normativen Grundlagen [[Liberale Demokratie|liberaler Demokratien]] (Teilhaberechte, Freiheitsrechte, Gewaltenkontrolle etc.) verschiedene Defekte aufweisen. Man unterscheidet innerhalb der Defekten Demokratien: Exklusive Demokratie, [[Illiberale Demokratie]], Delegative Demokratie und Enklavendemokratie. Das Konzept der defekten Demokratie ist in der Politikwissenschaft umstritten.


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=== Alte und neue Medien ===
=== Alte und neue Medien ===
{{Hauptartikel|Vierte Gewalt|Mediendemokratie|Soziale Medien}}
{{Hauptartikel|Vierte Gewalt|Mediendemokratie|Soziale Medien}}

Das [[Massenmedien|Mediensystem]] gilt als wichtiger Faktor für die Funktionsfähigkeit der Demokratie. Die massenmediale Informationsvermittlung ist für die [[Meinungsbildung]] grundlegend geworden. Medien begleiten die politischen Abläufe und kontrollieren das Regierungshandeln. In der Mediendemokratie bestimmen sie die öffentliche Agenda, so Vorländer, während sich andererseits das politische Personal der Medien bedient, um Einfluss auf das Publikum zu nehmen. „Der Wettstreit der Argumente, Positionen und Personen, im Medium der [[Talkshow]]s […] führt, wenngleich mediatisiert, zurück zum Archetyp der agonalen Politik der Athener Polisdemokratie.“<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 114.</ref>
Das [[Massenmedien|Mediensystem]] gilt als wichtiger Faktor für die Funktionsfähigkeit der Demokratie. Die massenmediale Informationsvermittlung ist für die [[Meinungsbildung]] grundlegend geworden. Medien begleiten die politischen Abläufe und kontrollieren das Regierungshandeln. In der Mediendemokratie bestimmen sie die öffentliche Agenda, so Vorländer, während sich andererseits das politische Personal der Medien bedient, um Einfluss auf das Publikum zu nehmen. „Der Wettstreit der Argumente, Positionen und Personen, im Medium der [[Talkshow]]s […] führt, wenngleich mediatisiert, zurück zum Archetyp der agonalen Politik der Athener Polisdemokratie.“<ref>Hans Vorländer: ''Demokratie. Geschichte, Form, Theorien''. 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020, S. 114.</ref>


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=== Demokratie und Frieden ===
=== Demokratie und Frieden ===
{{Hauptartikel|Demokratischer Frieden}}
{{Hauptartikel|Demokratischer Frieden}}

Demokratien sind weniger [[gewalt]]tätig als Nichtdemokratien. Das gilt für das Maß an innergesellschaftlicher Gewaltanwendung, vor allem aber führen Demokratien keine [[Krieg]]e gegeneinander.<ref>[[Gert Krell]], [[Peter Schlotter]]: [https://www.bpb.de/apuz/212827/weltbilder-und-weltordnung-in-den-internationalen-beziehungen?p=all ''Weltbilder und Weltordnung in den Internationalen Beziehungen'']. In: ''[[Aus Politik und Zeitgeschichte]]'' 41–42 (2015).</ref> Als Ausnahmen von diesem empirisch belegten Zusammenhang gelten die [[Faschoda-Krise]] zwischen dem [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Dritte Französische Republik|Frankreich]] 1898 und die [[Kabeljaukriege]] zwischen [[Island]] und Großbritannien in den Jahren 1958 bis 1976. In beiden Konflikten kam es jedoch nicht zum Ausbruch eines regulären Krieges. Ob die [[Korrelation]] zwischen Demokratie und Frieden auf einen [[Kausalzusammenhang]] zurückzuführen ist und falls ja, in welcher Richtung dieser wirkt, ist in den [[Internationale Beziehungen|Internationalen Beziehungen]] umstritten. So argumentierte etwa der Friedensforscher [[Ernst-Otto Czempiel]], dass Kriege nicht im Interesse der Bürger seien. Wenn diese die Politik bestimmten, bleibe es friedlich.<ref>Referiert nach Gert Krell, Peter Schlotter: ''Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der Internationalen Beziehungen.'' 5., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-4183-0, S. 179 ff.</ref> Dem wird entgegengehalten, dass nicht die Demokratie zu Frieden führe, sondern umgekehrt, dass eine friedliche Umgebung demokratische Prozesse fördere. Andere Kritiker argumentieren, dass das Fehlen von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Demokratien andere Ursachen habe, als dass sie Demokratien sind. Insofern handele es sich um eine [[Scheinkorrelation]]. Der amerikanische Politikwissenschaftler Dan Reiter sieht gleichwohl starke Indizien dafür, dass Frieden und Demokratie sich gegenseitig begünstigen, räumt aber ein, dass eine solche wechselseitige Begünstigung ebenfalls für Demokratie und Wirtschaftsentwicklung sowie für Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter besteht.<ref>Dan Reiter: ''Is Democracy a Cause of Peace?''. In: ''Oxford Research Encyclopedia of Politics'', 25. Januar 2017, {{DOI|10.1093/acrefore/9780190228637.013.287}}.</ref>
Demokratien sind weniger [[gewalt]]tätig als Nichtdemokratien. Das gilt für das Maß an innergesellschaftlicher Gewaltanwendung, vor allem aber führen Demokratien keine [[Krieg]]e gegeneinander.<ref>[[Gert Krell]], [[Peter Schlotter]]: [https://www.bpb.de/apuz/212827/weltbilder-und-weltordnung-in-den-internationalen-beziehungen?p=all ''Weltbilder und Weltordnung in den Internationalen Beziehungen'']. In: ''[[Aus Politik und Zeitgeschichte]]'' 41–42 (2015).</ref> Als Ausnahmen von diesem empirisch belegten Zusammenhang gelten die [[Faschoda-Krise]] zwischen dem [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Dritte Französische Republik|Frankreich]] 1898 und die [[Kabeljaukriege]] zwischen [[Island]] und Großbritannien in den Jahren 1958 bis 1976. In beiden Konflikten kam es jedoch nicht zum Ausbruch eines regulären Krieges. Ob die [[Korrelation]] zwischen Demokratie und Frieden auf einen [[Kausalzusammenhang]] zurückzuführen ist und falls ja, in welcher Richtung dieser wirkt, ist in den [[Internationale Beziehungen|Internationalen Beziehungen]] umstritten. So argumentierte etwa der Friedensforscher [[Ernst-Otto Czempiel]], dass Kriege nicht im Interesse der Bürger seien. Wenn diese die Politik bestimmten, bleibe es friedlich.<ref>Referiert nach Gert Krell, Peter Schlotter: ''Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der Internationalen Beziehungen.'' 5., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-4183-0, S. 179 ff.</ref> Dem wird entgegengehalten, dass nicht die Demokratie zu Frieden führe, sondern umgekehrt, dass eine friedliche Umgebung demokratische Prozesse fördere. Andere Kritiker argumentieren, dass das Fehlen von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Demokratien andere Ursachen habe, als dass sie Demokratien sind. Insofern handele es sich um eine [[Scheinkorrelation]]. Der amerikanische Politikwissenschaftler Dan Reiter sieht gleichwohl starke Indizien dafür, dass Frieden und Demokratie sich gegenseitig begünstigen, räumt aber ein, dass eine solche wechselseitige Begünstigung ebenfalls für Demokratie und Wirtschaftsentwicklung sowie für Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter besteht.<ref>Dan Reiter: ''Is Democracy a Cause of Peace?''. In: ''Oxford Research Encyclopedia of Politics'', 25. Januar 2017, {{DOI|10.1093/acrefore/9780190228637.013.287}}.</ref>


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=== Lobbyarbeit ===
=== Lobbyarbeit ===
{{Hauptartikel|Lobbyismus}}
{{Hauptartikel|Lobbyismus}}

Auf die Berücksichtigung pluraler Interessen ausgerichtete Demokratietypen stehen der Bildung von [[Interessenverband|Interessenverbänden]], die politische Anliegen in organisierter Form artikulieren, offen gegenüber. [[Wirtschaftsverband|Wirtschafts-]] und [[Sozialverband|Sozialverbände]] sind in diesem Sinne anerkannte Dialogpartner der politisch Verantwortlichen in Parlamenten und Regierungen. Kritisiert werden finanzielle Zuwendungen an Abgeordnete bis hin zu illegaler Korruption und Bestechung, die Vergabe oder das Vorenthalten von exklusiven Informationen sowie das personelle Eindringen und die Einflussnahme von Verbandsvertretern in Parteien, Parlamenten und Regierungen. Beklagt wird die Nichtbeachtung struktureller Vorteile der Machteliten bei der Durchsetzung ihrer Interessen und umgekehrt die Minder- oder Nichtberücksichtigung der Interessen von Minderprivilegierten und Unorganisierten.<ref>Bernhard Frevel, Nils Voelzke: ''Demokratie. Entwicklung – Gestaltung – Herausforderungen''. 3. Überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2017, S. 151–153.</ref>
Auf die Berücksichtigung pluraler Interessen ausgerichtete Demokratietypen stehen der Bildung von [[Interessenverband|Interessenverbänden]], die politische Anliegen in organisierter Form artikulieren, offen gegenüber. [[Wirtschaftsverband|Wirtschafts-]] und [[Sozialverband|Sozialverbände]] sind in diesem Sinne anerkannte Dialogpartner der politisch Verantwortlichen in Parlamenten und Regierungen. Kritisiert werden finanzielle Zuwendungen an Abgeordnete bis hin zu illegaler Korruption und Bestechung, die Vergabe oder das Vorenthalten von exklusiven Informationen sowie das personelle Eindringen und die Einflussnahme von Verbandsvertretern in Parteien, Parlamenten und Regierungen. Beklagt wird die Nichtbeachtung struktureller Vorteile der Machteliten bei der Durchsetzung ihrer Interessen und umgekehrt die Minder- oder Nichtberücksichtigung der Interessen von Minderprivilegierten und Unorganisierten.<ref>Bernhard Frevel, Nils Voelzke: ''Demokratie. Entwicklung – Gestaltung – Herausforderungen''. 3. Überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2017, S. 151–153.</ref>


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=== Postdemokratie ===
=== Postdemokratie ===
{{Hauptartikel|Postdemokratie}}
{{Hauptartikel|Postdemokratie}}

Im Anschluss an eine Begriffsbildung von [[Jacques Rancière]] aus dem Jahr 2002 kritisieren [[Colin Crouch]] und andere Sozialwissenschaftler, dass der [[Neoliberalismus|neoliberale]] Umbau der westlichen Gesellschaften die dort eigentlich herrschende Demokratie ausgehöhlt und in eine bloße „Postdemokratie“ verwandelt habe: Zwar würden weiterhin Wahlen abgehalten, auch seien andere formale Demokratiemerkmale vorhanden, doch sei es dem Volk als eigentlichem Souverän nicht mehr möglich, wesentlich auf die Sozial- und Wirtschaftsordnung Einfluss zu nehmen. Die „[[sozialstaat]]lichen Bürgerdemokratie“ sei von einer „[[markt]]konformen Fassadendemokratie“ abgelöst worden, in der die eigentliche Macht bei einem Milieu nach unten abgeschotteter globaler Eliten liege, das sich nahezu ausschließlich aus sich selbst reproduziere. Der öffentliche Diskurs sei entpolitisiert, Entscheidungen würden nicht mehr in Form mehrerer vorgeschlagener Optionen zur Diskussion gestellt, sondern als [[alternativlos]] bzw. als oft ökonomisch begründete [[Sachzwang|Sachzwänge]] hingestellt.<ref>Leo Roepert: ''Die konformistische Revolte. Zur Mythologie des Rechtspopulismus''. transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8394-6272-0, S. 57 ff. (hier die Zitate); Philipp Dingeldey, Dirk Jörke: ''Demokratie''. In: Brigitta Schmidt-Lauber, Manuel Liebig (Hrsg.): ''Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar.'' Böhlau, Wien 2022, S. 49–55, hier S. 53 f.</ref>
Im Anschluss an eine Begriffsbildung von [[Jacques Rancière]] aus dem Jahr 2002 kritisieren [[Colin Crouch]] und andere Sozialwissenschaftler, dass der [[Neoliberalismus|neoliberale]] Umbau der westlichen Gesellschaften die dort eigentlich herrschende Demokratie ausgehöhlt und in eine bloße „Postdemokratie“ verwandelt habe: Zwar würden weiterhin Wahlen abgehalten, auch seien andere formale Demokratiemerkmale vorhanden, doch sei es dem Volk als eigentlichem Souverän nicht mehr möglich, wesentlich auf die Sozial- und Wirtschaftsordnung Einfluss zu nehmen. Die „[[sozialstaat]]lichen Bürgerdemokratie“ sei von einer „[[markt]]konformen Fassadendemokratie“ abgelöst worden, in der die eigentliche Macht bei einem Milieu nach unten abgeschotteter globaler Eliten liege, das sich nahezu ausschließlich aus sich selbst reproduziere. Der öffentliche Diskurs sei entpolitisiert, Entscheidungen würden nicht mehr in Form mehrerer vorgeschlagener Optionen zur Diskussion gestellt, sondern als [[alternativlos]] bzw. als oft ökonomisch begründete [[Sachzwang|Sachzwänge]] hingestellt.<ref>Leo Roepert: ''Die konformistische Revolte. Zur Mythologie des Rechtspopulismus''. transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8394-6272-0, S. 57 ff. (hier die Zitate); Philipp Dingeldey, Dirk Jörke: ''Demokratie''. In: Brigitta Schmidt-Lauber, Manuel Liebig (Hrsg.): ''Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar.'' Böhlau, Wien 2022, S. 49–55, hier S. 53 f.</ref>


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|caption='''Regierungsform''' – Anteil der Staaten weltweit, je Kalenderjahr 1900–2021.<ref>{{Internetquelle |autor=Edgell, Amanda B., Seraphine F. Maerz, Laura Maxwell, Richard Morgan, Juraj Medzihorsky, Matthew C. Wilson, Vanessa Boese, Sebastian Hellmeier, Jean Lachapelle, Patrik Lindenfors, Anna Lührmann, Staffan I. Lindberg |url=https://v-dem.net/ertds.html |titel=Episodes of Regime Transformation Dataset (v2.0) |titelerg=dataset |werk=v-dem.net |datum=2022-03-10 |format=CSV; 3,0&nbsp;MB |sprache=en |abruf=2022-05-13 |kommentar=Darstellung gemäß „Regimes of the World-Schema“ (RoW). Datensätze aufgerissen nach Datenfeld „year“, Regime aus „v2x regime“ mit Codierung in ERT Codebook.pdf}}</ref><br />'''Liberale Demokratien''' weisen eine klare Gewaltenteilung mit Bürgerrechten und<br />Minderheitenschutz auf, bei '''Elektoralen Demokratien''' fehlen teils diese Merkmale.<br />'''Geschlossene Autokratien''' sind typische Diktaturen, elektorale haben unfreie Wahlen.
|caption='''Regierungsform''' – Anteil der Staaten weltweit, je Kalenderjahr 1900–2021.<ref>{{Internetquelle |autor=Edgell, Amanda B., Seraphine F. Maerz, Laura Maxwell, Richard Morgan, Juraj Medzihorsky, Matthew C. Wilson, Vanessa Boese, Sebastian Hellmeier, Jean Lachapelle, Patrik Lindenfors, Anna Lührmann, Staffan I. Lindberg |url=https://v-dem.net/ertds.html |titel=Episodes of Regime Transformation Dataset (v2.0) |titelerg=dataset |werk=v-dem.net |datum=2022-03-10 |format=CSV; 3,0&nbsp;MB |sprache=en |abruf=2022-05-13 |kommentar=Darstellung gemäß „Regimes of the World-Schema“ (RoW). Datensätze aufgerissen nach Datenfeld „year“, Regime aus „v2x regime“ mit Codierung in ERT Codebook.pdf}}</ref><br />'''Liberale Demokratien''' weisen eine klare Gewaltenteilung mit Bürgerrechten und<br />Minderheitenschutz auf, bei '''Elektoralen Demokratien''' fehlen teils diese Merkmale.<br />'''Geschlossene Autokratien''' sind typische Diktaturen, elektorale haben unfreie Wahlen.
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In geschlossene Autokratien üben ein Einzelner oder eine Gruppe unkontrolliert
In geschlossene Autokratien üben ein Einzelner oder eine Gruppe unkontrolliert
Macht aus: Dabei handle es sich also um klassische Diktaturen. Eine elektorale Autokratie enthalte im Gegensatz dazu teilweise demokratische Elemente. Beispielsweise gebe es in solchen Ländern zwar laut Gesetz Wahlen, diese seien aber in der Realität weder frei noch fair. (Als „fair“ werden Wahlen unter anderem dann bezeichnet, wenn sich alle Parteien in einem fairen Wettbewerb miteinander befinden und politische Wettbewerber nicht systematisch von den Amtsinhabern bedroht oder sogar de facto an einer Wahlteilnahme gehindert werden.) Die beiden demokratischen Regierungsformen gemäß Schema zeichneten sich ihrerseits durch Wahlen aus, in denen mehr als eine Partei frei und fair gewählt werden könne. Im Falle der elektoralen Demokratien seien jedoch erhebliche Qualitätsabstriche gegenüber liberalen Demokratien zu machen: Zwar gebe es in elektoralen Demokratien auch freie und faire Wahlen; doch sei beispielsweise die Gewaltenteilung nicht vollständig ausgeprägt, sodass etwa das Staatsoberhaupt nur einer schwachen oder gar keiner Kontrolle durch die Judikative oder das Parlament unterliege.<ref>[https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2021-26-27_online.pdf Vanessa A. Boese: ''Demokratie in Gefahr? '' In: ''Zustand der Demokratie'' (Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 26-27, 28. Juni 2021, S. 24)]</ref>
Macht aus: Dabei handle es sich also um klassische Diktaturen. Eine elektorale Autokratie enthalte im Gegensatz dazu teilweise demokratische Elemente. Beispielsweise gebe es in solchen Ländern zwar laut Gesetz Wahlen, diese seien aber in der Realität weder frei noch fair. (Als „fair“ werden Wahlen unter anderem dann bezeichnet, wenn sich alle Parteien in einem fairen Wettbewerb miteinander befinden und politische Wettbewerber nicht systematisch von den Amtsinhabern bedroht oder sogar de facto an einer Wahlteilnahme gehindert werden.) Die beiden demokratischen Regierungsformen gemäß Schema zeichneten sich ihrerseits durch Wahlen aus, in denen mehr als eine Partei frei und fair gewählt werden könne. Im Falle der elektoralen Demokratien seien jedoch erhebliche Qualitätsabstriche gegenüber liberalen Demokratien zu machen: Zwar gebe es in elektoralen Demokratien auch freie und faire Wahlen; doch sei beispielsweise die Gewaltenteilung nicht vollständig ausgeprägt, sodass etwa das Staatsoberhaupt nur einer schwachen oder gar keiner Kontrolle durch die Judikative oder das Parlament unterliege.<ref>[https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2021-26-27_online.pdf Vanessa A. Boese: ''Demokratie in Gefahr? '' In: ''Zustand der Demokratie'' (Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 26-27, 28. Juni 2021, S. 24)]</ref>
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* [[Otfried Höffe]]: ''Ist die Demokratie zukunftsfähig? Über moderne Politik.'' C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58717-7.
* [[Otfried Höffe]]: ''Ist die Demokratie zukunftsfähig? Über moderne Politik.'' C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58717-7.
* John Keane: ''The Life and Death of Democracy.'' W. W. Norton & Co., New York 2009.
* John Keane: ''The Life and Death of Democracy.'' W. W. Norton & Co., New York 2009.
* {{Literatur |Autor=Maria Kreiner |Titel=Demokratie als Idee. Eine Einführung |Reihe=UTB |BandReihe=3883 |Verlag=UVK/UTB |Ort=Konstanz/München |Datum=2013 |ISBN=978-3-8252-3883-4}}
* {{Literatur |Autor=Maria Kreiner |Titel=Demokratie als Idee. Eine Einführung |Reihe=UTB |BandReihe=3883 |Verlag=UVK/UTB |Ort=Konstanz/ München |Datum=2013 |ISBN=978-3-8252-3883-4}}
* [[Christian Lammert]] und [[Boris Vormann]]: ''Die Krise der Demokratie und wie wir sie überwinden.'' Aufbau Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-351-03697-3.
* [[Christian Lammert]] und [[Boris Vormann]]: ''Die Krise der Demokratie und wie wir sie überwinden.'' Aufbau Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-351-03697-3.
* [[Stefan Marschall]]: ''Demokratie.'' Opladen und Toronto 2014.
* [[Stefan Marschall]]: ''Demokratie.'' Opladen und Toronto 2014.

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