„Rezeption (Kunst)“ – Versionsunterschied

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Der Begriff '''Rezeption''' (lateinisch ''receptio'' „Aufnahme“) bezeichnet in der [[Kunst]] die verstehende Aufnahme eines [[Kunstwerk|Werks]] durch den [[Betrachtung|Betrachter]], Leser usw.<ref>''Duden – Das Bedeutungswörterbuch.'' (= Duden Band 10). 3. Auflage. Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2002, ISBN 3-411-04103-X, S. 733</ref> Er umfasst vielfältige Arten der Wahrnehmung und Verarbeitung von Werken, die von der [[Lektüre]] und dem Verstehen des Einzelnen bis zu den Reaktionen des Kulturbetriebs und der [[Kritik]]er reichen.<ref>[[Volker Meid]] (Hrsg.): ''Begriffe, Realien, Methoden.'' In: [[Walther Killy]] (Hrsg.): ''Literaturlexikon'', Band 14. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1993, ISBN 3-570-04714-8, S. 288.</ref>
'''Rezeption''' (von {{laS|receptio|de=Aufnahme}}) bezeichnet in der [[Kunst]] die verstehende Aufnahme eines [[Kunstwerk|Werks]] durch die [[Rezipient]]en ([[Betrachtung|Betrachter]], Leser oder Hörer). Der Begriff umfasst vielfältige Arten der Wahrnehmung und Verarbeitung von Werken und reicht von der [[Lektüre]] und dem Verstehen des Einzelnen bis zu den Reaktionen der [[Kritik]]er, des Kulturbetriebs und der Öffentlichkeit.<ref>[[Volker Meid]] (Hrsg.): ''Begriffe, Realien, Methoden.'' In: [[Walther Killy]] (Hrsg.): ''Literaturlexikon.'' Band&nbsp;14. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1993, ISBN 3-570-04714-8, S.&nbsp;288.</ref>


Die [[Rezeptionsästhetik|rezeptionsästhetische]] Fragestellung geht von der Offenheit des Bedeutungs- und Sinnangebots eines Kunstwerks aus, „versucht die Geschichte der Literatur und der Künste […] als einen Prozess ästhetischer Kommunikation zu begreifen“,<ref>Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.): ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' (Band 8). Schwabe & Co Ag, Basel 1992, S. 995</ref> die sich erst durch die Verschmelzung mit dem Erwartungs-, Verständnis- und Bildungshorizont des Betrachters, Hörers oder Lesers manifestiert. Die Offenheit des Kunstwerks und die jeweils neuen Bedingungen kultureller und gesellschaftlicher Entwicklung geben jeder Zeit erneut die Aufgabe und Chance, sich die Kunst der Vergangenheit und der eigenen Zeit selbst anzueignen.
Die [[Rezeptionsästhetik|rezeptionsästhetische]] Fragestellung geht von der Offenheit des Bedeutungs- und Sinnangebots eines Kunstwerks aus und „versucht die Geschichte der Literatur und der Künste […] als einen Prozess [[Ästhetik|ästhetischer]] Kommunikation zu begreifen“<ref>Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.): ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' Band&nbsp;8. Schwabe & Co Ag, Basel 1992, S.&nbsp;995</ref>. Erst unter dem je nach Erwartung, Bildung und Verständnis unterschiedlichen Horizont eines Rezipienten gewinnt ein Werk für den Betrachter, Leser oder Hörer seine Bedeutung, manifestiert sich ein Sinn. Die Offenheit des Kunstwerks sowie die jeweils durch kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen neuen Bedingungen geben daher jeder Zeit erneut die Aufgabe und Chance, ein Werk vergangener oder zeitgenössischer Kunst zu verstehen und in den eigenen Deutungszusammenhang aufzunehmen.


Innovative zeitgenössische Kunst hat zu allen Zeiten beim Publikum auch Ablehnung hervorrufen können, da sie Erwartungen hinsichtlich Ausführungstechniken, Darstellungsweisen, Sehgewohnheiten, Verwendungsarten oder moralischen Auffassungen nicht erfüllte. Im Allgemeinen sind solche ablehnenden Reaktionen der Rezipienten abhängig von den identifizierten tradierten Formen, deren Bewertung und der wahrgenommenen Diskrepanz zu den geformten Erwartungen. Sie reichen von Achtlosigkeit gegenüber einem Werk bis hin zu dessen Zerstörung und fallen nicht selten nach sozialer Schichtung verschieden aus.
Bei der Begegnung des Publikums mit innovativer zeitgenössischer Kunst ist zu fast allen Zeiten Ablehnung zu beobachten, ausgelöst durch die Nichterfüllung von Erwartungen, wie Sehgewohnheiten, moralischen Einstellungen u.&nbsp;a., die im Allgemeinen stark historisch und traditionell geprägt, auch schichtenspezifisch verschieden sind.


Die Entwicklung der Rezeption eines Künstlers basiert einerseits auf den Veränderungen der Rezipienten und ihrer sich wandelnden Erwartungsnormen, andererseits auf den Wandlungen des Künstlers selbst.
Die Entwicklung der Rezeption eines Künstlers basiert einerseits auf den Veränderungen der Rezipienten und ihrer sich wandelnden Erwartungsnormen, andererseits auf den Wandlungen des Künstlers selbst.


In der ''Kunstrezeption'' übernimmt ein Künstler bewusst künstlerische Einfälle, Werkformen und Stile vergangener Kunstepochen. Der Begriff wird aber auch gebraucht für die Art und Weise der Aufnahme von Werken durch die Öffentlichkeit, also des Betrachters, Hörers oder Lesers im Verlauf der Geschichte und beginnt z.&nbsp;B. mit der Interpretation und Wertung des [[Kunsthistoriker]]s. Der Wandel, also das jeweils aktuelle künstlerische Empfinden und Urteilen des Betrachters, Hörers oder Lesers hat Rückwirkungen auf die Bewertung von Künstlern, von Einzelwerken oder von Kunststilen, woraus heute die anerkannte Notwendigkeit besteht, die Entwicklung des ästhetischen Bewusstseins anhand zeitgenössischer Quellen zu erforschen und zeitgebundene Normen der tatsächlichen Entwicklung der Kunst aus heutiger Sicht zu vergleichen.
In der ''Kunstrezeption'' übernimmt ein Künstler bewusst künstlerische Einfälle, Werkformen und Stile vergangener Kunstepochen. Die formale und inhaltliche Interpretation eines Werkes durch einen [[Kunsthistoriker]] untersucht es in dessen Beziehungen zu anderen Werken, die zu gleicher oder anderer Zeit beziehungsweise [[Epoche (Kunst)|Epoche]] entstanden sind.


Der Begriff der ''Kunstrezeption'' wird aber auch gebraucht für die Art und Weise der Aufnahme von Werken durch die Öffentlichkeit. Auch hier lassen sich im Verlauf der Geschichte Änderungen in der betrachtenden, lesenden oder hörenden Aufnahme eines Werks feststellen und durch bevorzugte Merkmale charakterisieren. Der Wandel, also das jeweils aktuelle künstlerische Empfinden und Urteilen des Betrachters, Hörers oder Lesers, hat Rückwirkungen. Nicht nur auf den Künstler selbst als Zeitgenossen, sondern auch auf die nachfolgende Bewertung von Künstlern, von Einzelwerken oder von Kunststilen. Daher ist es für eine Rezeptionsgeschichte notwendig, die verschiedenen Ausprägungen eines ästhetischen Bewusstseins anhand der zeitgenössischen Quellen zu erforschen sowie zeitgebundene Normen zu vergleichen, um deren Entwicklung aus heutiger Sicht nachvollziehen zu können.
Für die ''Literaturrezeption'' am Beispiel lateinamerikanischer Literatur im deutschsprachigen Raum, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte und deren Beginn vor allem durch die Borges-Rezeption in Frankreich auszumachen ist, wurden 2007 die folgende Instanzen des Rezeptionsprozesses benannt: Übersetzer, Literaturagenten, Lektoren, Kulturvermittler, Literaturwissenschaftler, Literaturkritiker.<ref>Diana von Römer und Friedhelm Schmidt-Welle: ''Vorwort'', in: ''Lateinamerikanische Literatur im deutschsprachigen Raum'', herausgegeben von Diana von Römer und Friedhelm Schmidt-Welle. Vervuert, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-86527-318-5, S. 7-15, S. 8.</ref>

Für die ''Literaturrezeption'' wurden am Beispiel [[Lateinamerikanische Literatur|lateinamerikanischer Literatur]] im [[Deutschsprachiger Raum|deutschsprachigen Raum]] – die hier erst nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] von weiteren Kreisen rezipiert wurde, angestoßen insbesondere durch die [[Jorge Luis Borges|Borges]]-Rezeption in Frankreich als wesentliche vermittelnde Instanzen des Rezeptionsprozesses herausgestellt: Übersetzer, Literaturagenten, Lektoren, Kulturvermittler, Literaturwissenschaftler, Literaturkritiker.<ref>Diana von Römer und Friedhelm Schmidt-Welle: ''Vorwort'', in: ''Lateinamerikanische Literatur im deutschsprachigen Raum'', herausgegeben von Diana von Römer und Friedhelm Schmidt-Welle. Vervuert, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-86527-318-5, S.&nbsp;7–15, S.&nbsp;8.</ref>

== Siehe auch ==
* ''[[Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft]]'' (1967)


== Literatur ==
== Literatur ==
Siehe auch die Hinweise im Artikel [[Rezeptionsästhetik]]
Siehe auch die Hinweise im Artikel [[Rezeptionsästhetik]]
* {{OeML|Rezeption|Rezeption/Rezeptionsforschung, musikalische|WG}}}
* {{OeML|Rezeption|Rezeption/Rezeptionsforschung, musikalische|WG}}
* [[John Dewey]]: ''[[Kunst als Erfahrung]]''. Übersetzt von Christa Velten, Gerhard vom Hofe und Dieter Sulzer. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-518-28303-5.
* [[Hans Robert Jauß]]: Art. ''Rezeption, Rezeptionsästhetik.'' In: [[Joachim Ritter]], Karlfried Gründer (Hrsg.): ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]].'' (Band 8). Schwabe & Co Ag, Basel 1992, ISBN 3-7965-0115-X (für Gesamtdruck), S. 996–1004.
* [[Hans Robert Jauß]]: Art. ''Rezeption, Rezeptionsästhetik.'' In: [[Joachim Ritter]], Karlfried Gründer (Hrsg.): ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]].'' (Band&nbsp;8). Schwabe & Co AG, Basel 1992, ISBN 3-7965-0115-X (für Gesamtdruck), S.&nbsp;996–1004.
* Karlheinz Stierle: ''Was heißt Rezeption bei fiktionalen Texten?'' In: Poetica 7 (1975), S. 345–387.
* [[Rüdiger Schnell]]: ''Die Rezeption der Antike.'' In: [[Klaus von See]] (Hrsg.): ''Neues Handbuch der Literaturwissenschaft.'' Band 8 (= ''Europäisches Hochmittelalter.'' Hrsg. von Henning Krauß), S. 217–242.
* Karlheinz Stierle: ''Was heißt Rezeption bei fiktionalen Texten?'' In: ''[[Poetica (Zeitschrift)|Poetica]]'', 7 (1975), S.&nbsp;345–387.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.fernuni-hagen.de/EUROL/termini/welcome.html?page=/EUROL/termini/5350.htm Rezeption. Aufnahme eines Kunstwerks bzw. literarischen Werks durch den bzw. die Rezipienten], ''Basislexikon Literaturwissenschaftliche Terminologie'', ''[[Fernuniversität in Hagen|fernuni-hagen.de]]''
* [https://web.archive.org/web/20150716162701/http://www.fernuni-hagen.de/EUROL/termini/welcome.html?page=/EUROL/termini/5350.htm Rezeption. Aufnahme eines Kunstwerks bzw. literarischen Werks durch den bzw. die Rezipienten], ''Basislexikon Literaturwissenschaftliche Terminologie'', ''[[Fernuniversität in Hagen|fernuni-hagen.de]]''


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Wahrnehmung]]
[[Kategorie:Wahrnehmung]]
[[Kategorie:Kunstgeschichte]]
[[Kategorie:Kunsttheorie]]
[[Kategorie:Kunsttheorie]]

Aktuelle Version vom 18. Juni 2023, 21:46 Uhr

Rezeption (von lateinisch receptio ‚Aufnahme‘) bezeichnet in der Kunst die verstehende Aufnahme eines Werks durch die Rezipienten (Betrachter, Leser oder Hörer). Der Begriff umfasst vielfältige Arten der Wahrnehmung und Verarbeitung von Werken und reicht von der Lektüre und dem Verstehen des Einzelnen bis zu den Reaktionen der Kritiker, des Kulturbetriebs und der Öffentlichkeit.[1]

Die rezeptionsästhetische Fragestellung geht von der Offenheit des Bedeutungs- und Sinnangebots eines Kunstwerks aus und „versucht die Geschichte der Literatur und der Künste […] als einen Prozess ästhetischer Kommunikation zu begreifen“[2]. Erst unter dem je nach Erwartung, Bildung und Verständnis unterschiedlichen Horizont eines Rezipienten gewinnt ein Werk für den Betrachter, Leser oder Hörer seine Bedeutung, manifestiert sich ein Sinn. Die Offenheit des Kunstwerks sowie die jeweils durch kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen neuen Bedingungen geben daher jeder Zeit erneut die Aufgabe und Chance, ein Werk vergangener oder zeitgenössischer Kunst zu verstehen und in den eigenen Deutungszusammenhang aufzunehmen.

Innovative zeitgenössische Kunst hat zu allen Zeiten beim Publikum auch Ablehnung hervorrufen können, da sie Erwartungen hinsichtlich Ausführungstechniken, Darstellungsweisen, Sehgewohnheiten, Verwendungsarten oder moralischen Auffassungen nicht erfüllte. Im Allgemeinen sind solche ablehnenden Reaktionen der Rezipienten abhängig von den identifizierten tradierten Formen, deren Bewertung und der wahrgenommenen Diskrepanz zu den geformten Erwartungen. Sie reichen von Achtlosigkeit gegenüber einem Werk bis hin zu dessen Zerstörung und fallen nicht selten nach sozialer Schichtung verschieden aus.

Die Entwicklung der Rezeption eines Künstlers basiert einerseits auf den Veränderungen der Rezipienten und ihrer sich wandelnden Erwartungsnormen, andererseits auf den Wandlungen des Künstlers selbst.

In der Kunstrezeption übernimmt ein Künstler bewusst künstlerische Einfälle, Werkformen und Stile vergangener Kunstepochen. Die formale und inhaltliche Interpretation eines Werkes durch einen Kunsthistoriker untersucht es in dessen Beziehungen zu anderen Werken, die zu gleicher oder anderer Zeit beziehungsweise Epoche entstanden sind.

Der Begriff der Kunstrezeption wird aber auch gebraucht für die Art und Weise der Aufnahme von Werken durch die Öffentlichkeit. Auch hier lassen sich im Verlauf der Geschichte Änderungen in der betrachtenden, lesenden oder hörenden Aufnahme eines Werks feststellen und durch bevorzugte Merkmale charakterisieren. Der Wandel, also das jeweils aktuelle künstlerische Empfinden und Urteilen des Betrachters, Hörers oder Lesers, hat Rückwirkungen. Nicht nur auf den Künstler selbst als Zeitgenossen, sondern auch auf die nachfolgende Bewertung von Künstlern, von Einzelwerken oder von Kunststilen. Daher ist es für eine Rezeptionsgeschichte notwendig, die verschiedenen Ausprägungen eines ästhetischen Bewusstseins anhand der zeitgenössischen Quellen zu erforschen sowie zeitgebundene Normen zu vergleichen, um deren Entwicklung aus heutiger Sicht nachvollziehen zu können.

Für die Literaturrezeption wurden am Beispiel lateinamerikanischer Literatur im deutschsprachigen Raum – die hier erst nach dem Zweiten Weltkrieg von weiteren Kreisen rezipiert wurde, angestoßen insbesondere durch die Borges-Rezeption in Frankreich – als wesentliche vermittelnde Instanzen des Rezeptionsprozesses herausgestellt: Übersetzer, Literaturagenten, Lektoren, Kulturvermittler, Literaturwissenschaftler, Literaturkritiker.[3]

Siehe auch die Hinweise im Artikel Rezeptionsästhetik

Einzelnachweise

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  1. Volker Meid (Hrsg.): Begriffe, Realien, Methoden. In: Walther Killy (Hrsg.): Literaturlexikon. Band 14. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1993, ISBN 3-570-04714-8, S. 288.
  2. Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 8. Schwabe & Co Ag, Basel 1992, S. 995
  3. Diana von Römer und Friedhelm Schmidt-Welle: Vorwort, in: Lateinamerikanische Literatur im deutschsprachigen Raum, herausgegeben von Diana von Römer und Friedhelm Schmidt-Welle. Vervuert, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-86527-318-5, S. 7–15, S. 8.