Stundenbuch der Jeanne d’Evreux
Als Stundenbuch der Jeanne d'Evreux wird ein Stundenbuch bezeichnet, das um 1325 bis 1328 in Paris entstand und von dem Hofmaler Jean Pucelle mit 24 ganzseitigen Miniaturen und etwa 700 Randfiguren illuminiert wurde. Das kleinformatige Stundenbuch mit einem Format von lediglich 9,4 mal 6,4 cm gilt als ein herausragendes Werk der gotischen Buchmalerei. Besondere kunsthistorische Bedeutung kommt ihm unter anderem deshalb zu, weil Pucelle mit diesem Werk die Grisaille-Technik in die Buchmalerei einführte, die im gesamten 14. Jahrhundert sehr beliebt bleiben sollte, und weil sich in ihm die erste wirklich dreidimensionale Innenraumdarstellung nördlich der Alpen findet.
Seinen Namen erhielt das Stundenbuch nach Jeanne d'Evreux, der Gemahlin des französischen Königs Karls des Schönen, für die dieser das Buch als Geschenk anfertigen ließ. Es wird heute im New Yorker Metropolitan Museum of Art aufbewahrt.
Miniaturen
Auf der hier abgebildeten ersten Doppelseite ist rechts die Verkündigung. Der Erzengel Gabriel und Maria befinden sich innerhalb einer gotischen Halle, deren Vorderfront wie eine Türe von einem kauernden Engel geöffnet wurde. In der offenen Arkade unter dem Dach sitzen betende, an den Seiten zwei musizierende Engel. In der figürlichen Iniatiale D von "Domine, labia mea aperies - Herr, öffne meine Lippen" tritt Jeanne d'Evreux selbst als winzige, gekrönte Figur, vor einem Gebetbuch kniend, in Erscheinung. In der Bordüre unterhalb der zwei Textzeilen spielen einige Damen ein Gesellschaftsspiel. Die Szene auf der linken Seite stellt den Verrat des Judas dar, darunter ein rot geschriebener Text mit der Ankündigung des Marienoffiziums und am Fuß der Seite einer weiteren zusammenhanglosen Darstellung zweier Männer auf einer Ziege und einem Widder, die nach einem Faß stoßen.
Die zweite Einführungsseite zeigt Christus mit dem Kreuz und gegenüber die Verkündigung an die Hirten durch den Engel. Die munteren Engel und anderen Randfiguren ergänzen die Szene. Die gotischen Verzierungen am oberen Rand beider Miniaturen geben der Doppelseite ein gewisses Gleichgewicht, fast eine Symmetrie. Die beiden kauernden Karyatiden, die den Rahmen der Miniatur stützen, sind mit dem Engel der vorhergehenden Seite vergleichbar, der das Verkündigungsbild hält.
Literatur
Ingo F. Walther, Norbert Wolf: Meisterwerke der Buchmalerei. Köln u.a., Taschen 2005, S. 208-211.