„Tatort: Wem Ehre gebührt“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Rezeption: Durchstrukturiert nach zusammenhängenden Sinnabschschnitten
 
(37 dazwischenliegende Versionen von 33 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Infobox Episode
{{Infobox Episode
| Serie = Tatort
| Serie = Tatort (Fernsehreihe)
| Episode = 684
| Serie_Link = Tatort (Fernsehreihe)
| Reihe = ja
| FSK = 12
| Episodenliste = Liste der Tatort-Folgen
| Episodenliste = Liste der Tatort-Folgen
| OT = Wem Ehre gebührt
| Originaltitel = Wem Ehre gebührt
| PL = [[Deutschland]]
| Produktionsland = [[Deutschland]]
| EAS = 23. Dezember 2007
| Premiere = 23. Dezember 2007
| SEN = [[Das Erste]]
| Sender = [[Das Erste]]
| Episode = 684
| Länge = 90
| FSK = 12
| Originalsprache = [[Deutsche Sprache|Deutsch]]
| LEN = 90
| Regie = [[Angelina Maccarone]]
| Drehbuch = [[Angelina Maccarone]]<!--Bewusste Verlinkung für die Liste der Tatort-Autoren-->
| OS = [[Deutsche Sprache|Deutsch]]
| Produktionsunternehmen = [[Norddeutscher Rundfunk|NDR]]
| REG = [[Angelina Maccarone]]
| DRB = Angelina Maccarone
| Musik =
* [[Jakob Hansonis]]
| PROU = [[Norddeutscher Rundfunk|NDR]]
* [[Hartmut Ewert]]
| PRO =
| MUSIK = [[Jakob Hansonis]]<br />[[Hartmut Ewert]]
| Kamera = [[Judith Kaufmann]]
| KAMERA = [[Judith Kaufmann]]
| Schnitt = [[Bettina Böhler]]
| DS =
| Besetzung =
* [[Maria Furtwängler]]: Charlotte Lindholm
* [[Maria Furtwängler]]: [[Charlotte Lindholm#Charlotte Lindholm|KHK'in Charlotte Lindholm]]
* [[Ingo Naujoks]]: Martin Felser
* [[Mehmet Kurtuluş]]: Attila Aslan
* [[Kathrin Ackermann]]: Annemarie Lindholm
* [[Mehmet Kurtuluş]]: Cem Aslan
* [[Torsten Michaelis]]: Stefan Bitomsky
* [[Hilmi Sözer]]: Aka Özkan
* [[Aylin Tezel]]: Selda Özkan
* [[Aylin Tezel]]: Selda Özkan
* [[Azad Çelik]]: Galip Özkan
* [[Hilmi Sözer]]: Aka Özkan
* [[Ingo Naujoks]]: [[Charlotte Lindholm#Martin Felser|Schriftsteller Martin Felser]]
* [[Torsten Michaelis]]: Stefan Bitomsky
* [[Meral Perin]]: Fatma Özkan
* [[Meral Perin]]: Fatma Özkan
* [[Tobias Schenke]]: Max Schröder
* [[Tobias Schenke]]: Max Schröder
* [[Hakan Can]]: Erdal Kara
* [[Adrian Can|Hakan Can]]: Erdal Kara
* [[Sesede Terziyan]]: Afife Kara
* [[Azad Çelik]]: Galip Özkan
* [[Eva Löbau]]: Frau Schmidt-Rohrbach
* [[Stephan Szász]]: Herr Brock
* [[Kathrin Ackermann]]: [[Charlotte Lindholm#Weitere Figuren|Annemarie Lindholm]]
* [[Sabahat Bademsoy]]: Großmutter
* [[Sabahat Bademsoy]]: Großmutter
* [[Annette Mayer]]: Kursleiterin
* [[Dieter Okras]]: Dr. Poll
* [[Sesede Terziyan]]: Afife Kara
* [[Oda Thormeyer]]: Gynäkologin
* [[Wolfgang Michalek]]
}}
}}
'''Wem Ehre gebührt''' ist eine Folge der Krimireihe [[Tatort (Fernsehreihe)|Tatort]], die bei ihrer Erstausstrahlung am 23. Dezember 2007 Proteste der [[Alevitische Gemeinde Deutschland|alevitischen Gemeinde in Deutschland]] auslöste. Durch die Verbindung des alevitischen Glaubens mit Inzest griff der Film eine historische Verunglimpfung der [[Aleviten]] durch [[Orthodoxie|orthodoxe]] [[Sunniten]] auf. Der Film von [[Angelina Maccarone]] ist eine der seltenen fiktionalen Unterhaltungssendungen im deutschen Fernsehen, in denen das Alevitentum in Deutschland thematisiert wird. Kriminalhauptkommissarin [[Charlotte Lindholm]] ([[Maria Furtwängler]]) vom [[Landeskriminalamt Niedersachsen|LKA Hannover]] war hier mit ihrem 11. Fall befasst.


Der Film gehört zu den sogenannten „[[Tatort (Fernsehreihe)#Nicht wiederholte Folgen|Giftschrank-Folgen]]“,<ref>Francois Werner, Dominik Pieper: [http://www.tatort-fundus.de/web/folgen/giftschrank-folgen.html ''TATORTe im Giftschrank: Verbotene Früchte'';] tatort-fundus.de, abgerufen am 11. Juni 2013.</ref> das heißt, dass er nicht mehr wiederholt wird.
'''Wem Ehre gebührt''' ist eine Folge der Krimireihe [[Tatort (Fernsehreihe)|Tatort]], die bei ihrer Erstausstrahlung am 23. Dezember 2007 Proteste der [[Alevitische Gemeinde Deutschland|alevitischen Gemeinde in Deutschland]] auslöste. Durch die Verbindung des alevitischen Glaubens mit Inzest griff der Film eine historische Verunglimpfung der [[Aleviten]] durch [[Orthodoxie|orthodoxe]] [[Sunniten]] auf. Der Film von [[Angelina Maccarone]] ist eine der seltenen fiktionalen Unterhaltungssendungen im deutschen Fernsehen, in denen das Alevitentum in Deutschland thematisiert wird.


== Handlung ==
== Handlung ==
Die 23-jährige Afife, eine junge Deutschtürkin alevitischen Glaubens, wird tot aufgefunden. Ein anfänglicher [[Suizid]]verdacht der Mordkommission wird durch die Aussage der Schwester Selda geschwächt. Diese sieht sich aufgrund ihrer Schwangerschaft (niemand außer ihr weiß, wer der Kindsvater ist) ebenfalls in Gefahr. Die mit den Ermittlungen betraute Kommissarin Charlotte Lindholm vermutet inzwischen einen [[Ehrenmord]] als Motiv für die Tat. Sie nimmt Selda zunächst bei sich auf. Während der Ermittlungen gerät schließlich auch Selda in Verdacht, woraufhin diese die Wohnung Lindholms verbittert verlässt. Selda versucht, sich das Leben zu nehmen und dabei durch das Legen von Spuren den Eindruck zu erwecken, sie sei ermordet worden. Da ihr Vater sie rechtzeitig findet, überlebt sie, verliert jedoch ihr ungeborenes Kind. Der Ehemann Afifes gerät in Verdacht, der Vater von Seldas Kind zu sein, dies erweist sich nach der Obduktion des Kindes jedoch als Trugschluss: Lindholm findet heraus, dass der Vater Selda missbraucht hat, Vater ihres Kindes ist und Afife ermordet hat, weil sie den [[Inzest]] zur Anzeige bringen wollte.
Die 23-jährige Afife, eine junge [[Türkeistämmige in Deutschland|Deutschtürkin]] alevitischen Glaubens, wird tot aufgefunden. Ein anfänglicher [[Suizid]]verdacht der Mordkommission wird durch die Aussage ihrer Schwester Selda geschwächt. Diese sieht sich aufgrund ihrer [[Schwangerschaft]] (niemand außer ihr weiß, wer der Kindsvater ist) ebenfalls in Gefahr. Die mit den Ermittlungen betraute Kriminalhauptkommissarin Charlotte Lindholm vermutet inzwischen einen [[Ehrenmord]] als Motiv für die Tat. Sie nimmt Selda zunächst bei sich auf. Während der Ermittlungen gerät schließlich auch Selda in Verdacht, woraufhin diese die Wohnung Lindholms verbittert verlässt. Selda versucht, sich das Leben zu nehmen und dabei durch das Legen von Spuren den Eindruck zu erwecken, sie sei ermordet worden. Da ihr Vater sie rechtzeitig findet, überlebt sie, verliert jedoch ihr ungeborenes Kind. Der Ehemann Afifes gerät in Verdacht, der Vater von Seldas Kind zu sein, dies erweist sich nach der [[Obduktion]] des Kindes jedoch als Trugschluss: Lindholm findet heraus, dass Selda von ihrem eigenen Vater missbraucht worden ist, dieser der Vater ihres Kindes ist und Afife ermordet hat, weil sie den [[Inzest]] zur Anzeige bringen wollte.


== Rezeption ==
== Rezeption ==
Die Verwendung des Inzestmotives in einer Familie alevitischen Glaubens führte zu heftigen Protesten. Kritisiert wurde außerdem, dass die missbrauchte Selda Zuflucht in einer offenbar strengeren Ausprägung des Islams sucht und daher als einzige in ihrer Familie ein [[Kopftuch]] trägt. In diesem Zusammenhang wurde der Verdacht der Instrumentalisierung des Films zugunsten eines orthodox-sunnitischen Islams geäußert.<ref name="Stellungnahme">[http://replay.waybackmachine.org/20080224052406/http://www.alevi.com/pressemeldung+M513425e4115.html Offizielle Stellungnahme der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.&nbsp;V.], archivierte Version</ref> Auf Versuche der Alevitischen Gemeinde Deutschland, die für den letzten Tag des [[Islamisches Opferfest|islamischen Opferfestes]] (das ist das höchste Fest des Islam) geplante Ausstrahlung zu verhindern, reagierte die ARD mit einem ansonsten bei Tatort-Ausstrahlungen unüblichen Hinweis auf die Fiktionalität der Handlung vor der Ausstrahlung.
Die Verwendung des Inzestmotives in einer Familie alevitischen Glaubens führte zu heftigen Protesten. Kritisiert wurde außerdem, dass die missbrauchte Selda Zuflucht in einer offenbar strengeren Ausprägung des Islams sucht und daher als einzige in ihrer Familie ein [[Kopftuch]] trägt. In diesem Zusammenhang wurde der Verdacht der Instrumentalisierung des Films zugunsten eines orthodox-sunnitischen Islams geäußert.<ref name="Stellungnahme">Alevitische Gemeinde Deutschland e. V.: {{Webarchiv | url=http://www.alevi.com/pressemeldung+M513425e4115.html | wayback=20080224052406 | text=''JA zur Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit, NEIN zur Verletzung der Würde des Menschen'';}} Stellungnahme der Alevitischen Gemeinde Deutschland vom 29. Dezember 2007; abgerufen am 11. Juni 2013.</ref> Auf Versuche der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, die für den letzten Tag des [[Islamisches Opferfest|islamischen Opferfestes]] (das ist das höchste Fest des Islam) geplante Ausstrahlung zu verhindern, reagierte die ARD mit einem ansonsten bei Tatort-Ausstrahlungen unüblichen Hinweis auf die Fiktionalität der Handlung vor der Ausstrahlung.


Am 27. Dezember 2007 demonstrierten in Berlin rund 300 Aleviten vor dem ARD-Hauptstadtstudio gegen den Film. Die Berliner Alevitengemeinde erstattete im Auftrag des Dachverbandes AABF Strafanzeige wegen [[Volksverhetzung]]. Am 30. Dezember demonstrierten mehr als 30.000 Aleviten in Köln gegen die Ausstrahlung des Films.<ref name="Stellungnahme" /><ref name=welt/><ref name=diepresse/><ref>[http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,525505,00.html „Aleviten demonstrieren gegen „Inzest“-Tatort“], [[Spiegel Online]], 27. Dezember 2007</ref><ref>[http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,525405,00.html „Regisseurin verteidigt Inzest-Krimi“], Spiegel Online, 27. Dezember 2007</ref> Die ARD signalisierte Gesprächsbereitschaft und die Berliner Alevitengemeinde erklärte sich bereit, die Anzeige wegen Volksverhetzung im Falle einer öffentlichen Entschuldigung der ARD zurückzuziehen.
Am 27. Dezember 2007 demonstrierten in Berlin rund 300 Aleviten vor dem ARD-Hauptstadtstudio gegen den Film. Die Berliner Alevitengemeinde erstattete im Auftrag des Dachverbandes AABF Strafanzeige wegen [[Volksverhetzung]]. Am 30. Dezember demonstrierten mehr als 30.000 Aleviten in Köln gegen die Ausstrahlung des Films.<ref name="Stellungnahme" /><ref name=welt/><ref name=diepresse/><ref>Severin Weiland: [http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/ard-buero-berlin-aleviten-demonstrieren-gegen-inzest-tatort-a-525505.html ''ARD-Büro Berlin: Aleviten demonstrieren gegen „Inzest“-Tatort'';] [[Spiegel Online]], 27. Dezember 2007</ref><ref>[http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/tatort-eklat-regisseurin-verteidigt-inzest-krimi-a-525405.html ''„Tatort“-Eklat: Regisseurin verteidigt Inzest-Krimi'';] Spiegel Online, 27. Dezember 2007</ref> Die ARD signalisierte Gesprächsbereitschaft und die Berliner Alevitengemeinde erklärte sich bereit, die Anzeige wegen Volksverhetzung im Falle einer öffentlichen Entschuldigung der ARD zurückzuziehen.


Derweil sieht die [[Hamburger Autorenvereinigung]] in den Protesten der Aleviten einen Versuch, in Deutschland [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] durchzusetzen.<ref>[http://www.welt.de/welt_print/article1512431/Tatort-Streit_Autoren_fordern_Freiheit_der_Kunst.html „Tatort“-Streit: Autoren fordern Freiheit der Kunst], [[Die Welt]]-Online 3. Januar 2008</ref> Die Autorin [[Barbara Frischmuth]] äußerte hingegen Verständnis für die Empörung der Aleviten: „Im Fernsehen war bisher nie die Rede von Aleviten. Nun auf einmal doch und ausgerechnet mit solch einem Vorwurf. Man muss vorsichtig sein, wenn man dieses Thema auf eine Familie projiziert, die einer Minderheit angehört. Es wird schnell verallgemeinert.“<ref>[http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E91815B3EEC0843379CF3BA53A8BF456A~ATpl~Ecommon~Scontent.html Barbara Frischmuth im Gespräch: Die Aleviten sind sehr enttäuscht] [[FAZ]] 4. Januar 2008</ref> Auch Bundesaußenminister [[Frank-Walter Steinmeier]] mahnte: „Drehbuchautoren und Künstler müssen wissen: Gegenüber religiösen Gefühlen der Menschen, egal um welchen Glauben es sich handelt, sind Respekt, Umsicht und Behutsamkeit geboten“<ref name=welt>[http://www.welt.de/politik/article1504214/Aleviten_sehen_Tatort_als_Werbung_fr_Orthodoxe.html Aleviten sehen Tatort als Werbung für Orthodoxe], Welt 30. Dezember 2007</ref>, rief jedoch zur Mäßigung der rund 700.000 türkischen Aleviten in Deutschland auf, da sich der Film nicht allgemein mit dem Alevitentum beschäftigt habe, sondern mit einem individuellen Einzelfall. In Medienberichten wurde die Verwendung ausgrenzender ethnischer Klischees kritisiert<ref>vgl. [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/717869/ Christian Gampert: Dokumentierte Propaganda.], in: Kultur heute, [[Deutschlandfunk|DLF]] 1. Januar 2008</ref> und orthodox-sunnitische Berater und schlechte Recherche der mehrfach ausgezeichneten italienstämmigen Autorin und Regisseurin als Grund für protestauslösende Drehbuchkonstellationen und -details vermutet.<ref name=diepresse>[http://diepresse.com/home/kultur/news/351296/index.do?_vl_backlink=/home/kultur/index.do „Inzest-Tatort“: Opfer einer Propagandalüge], Die Presse, 2. Januar 2008</ref><ref>[http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E91815B3EEC0843379CF3BA53A8BF456A~ATpl~Ecommon~Scontent.html Barbara Frischmuth im Gespräch: Die Aleviten sind sehr enttäuscht] [[FAZ]] 4. Januar 2008</ref><ref>[http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3027335,00.html „Schlecht recherchiert“], [[Deutsche Welle]] 28. Dezember 2007</ref>
Derweil sieht die [[Hamburger Autorenvereinigung]] in den Protesten der Aleviten einen Versuch, in Deutschland [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] durchzusetzen.<ref>[https://www.welt.de/welt_print/article1512431/Tatort-Streit-Autoren-fordern-Freiheit-der-Kunst.html ''„Tatort“-Streit: Autoren fordern Freiheit der Kunst'';] [[Die Welt]]-Online 3. Januar 2008</ref> Die Autorin [[Barbara Frischmuth]] äußerte hingegen Verständnis für die Empörung der Aleviten: „Im Fernsehen war bisher nie die Rede von Aleviten. Nun auf einmal doch und ausgerechnet mit solch einem Vorwurf. Man muss vorsichtig sein, wenn man dieses Thema auf eine Familie projiziert, die einer Minderheit angehört. Es wird schnell verallgemeinert.“<ref name="Krueger">Karen Krüger: [http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/barbara-frischmuth-im-gespraech-die-aleviten-sind-sehr-enttaeuscht-1514171.html ''Barbara Frischmuth im Gespräch: Die Aleviten sind sehr enttäuscht'';] [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] 3/2008 vom 4. Januar 2008, S. 40.</ref> Auch der damalige Bundesaußenminister [[Frank-Walter Steinmeier]] mahnte: „Drehbuchautoren und Künstler müssen wissen: Gegenüber religiösen Gefühlen der Menschen, egal um welchen Glauben es sich handelt, sind Respekt, Umsicht und Behutsamkeit geboten“,<ref name=welt>Sibylle Ahlers: [https://www.welt.de/politik/article1504214/Aleviten-sehen-Tatort-als-Werbung-fuer-Orthodoxe.html ''Islam: Aleviten sehen Tatort als Werbung für Orthodoxe'';] Die Welt, 30. Dezember 2007</ref> rief jedoch zur Mäßigung der rund 700.000 türkischen Aleviten in Deutschland auf, da sich der Film nicht allgemein mit dem Alevitentum beschäftigt habe, sondern mit einem individuellen Einzelfall. In Medienberichten wurde die Verwendung ausgrenzender ethnischer Klischees kritisiert<ref>Christian Gampert: [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/717869/ ''Dokumentierte Propaganda: Die Ausstellung „Jud Süß“ zeigt Ausschnitte aus deutschen Propagandafilmen'';] in: Kultur heute, [[Deutschlandfunk]], 1. Januar 2008</ref> und orthodox-sunnitische Berater und schlechte Recherche der mehrfach ausgezeichneten italienischstämmigen Autorin und Regisseurin als Grund für protestauslösende Drehbuchkonstellationen und -details vermutet.<ref name=diepresse>Anne-Catherine Simon: [http://diepresse.com/home/kultur/news/351296/InzestTatort_Opfer-einer-Propagandaluege?_vl_backlink=/home/kultur/index.do ''„Inzest-Tatort“: Opfer einer Propagandalüge'';] Die Presse, 2. Januar 2008</ref><ref name="Krueger" /><ref>Bernd Gräßler: [http://www.dw.de/schlecht-recherchiert/a-3027335-1 ''Schlecht recherchiert'';] [[Deutsche Welle]], 28. Dezember 2007</ref>

== Einzelnachweise ==
<references />


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{IMDb Titel|tt1003340|Wem Ehre gebührt}}
* {{IMDb|tt1003340|Wem Ehre gebührt}}
* {{OFDb|127702|Wem Ehre gebührt}}
* {{OFDb|127702|Wem Ehre gebührt}}
* {{Tatort-Folge |Datum=2007-12-23 |Url=wem-ehre-gebuehrt-100 |Titel=Wem Ehre gebührt}}
* {{Tatort-Folge |Datum=2007-12-23 |Url=wem-ehre-gebuehrt-100 |Titel=Wem Ehre gebührt}}
* {{Tatort-Fundus |Jahr=2007 |Nr=684 |Url=wem-ehre-gebuehrt |Titel=Wem Ehre gebührt}}
* {{Tatort-Fans |Nr=684 |Url=wem-ehre-gebuehrt |Titel=Wem Ehre gebührt}}
* {{Tatort-Fans |Nr=684 |Url=wem-ehre-gebuehrt |Titel=Wem Ehre gebührt}}
* [http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E91815B3EEC0843379CF3BA53A8BF456A~ATpl~Ecommon~Scontent.html Barbara Frischmuth im Gespräch: Die Aleviten sind sehr enttäuscht, [[FAZ]] 4. Januar 2008]
* Karen Krüger: [http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/barbara-frischmuth-im-gespraech-die-aleviten-sind-sehr-enttaeuscht-1514171.html ''Barbara Frischmuth im Gespräch: Die Aleviten sind sehr enttäuscht'';] [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] 3/2008 vom 4. Januar 2008, S. 40.
* [http://www.welt.de/welt_print/article1519708/Politiker_von_CDU_und_FDP_untersttzen_Aleviten_gegen_NDR.html Politiker von CDU und FDP unterstützen Aleviten gegen NDR], [[Die Welt]] 6. Januar 2008
* [https://www.welt.de/welt_print/article1519708/Politiker-von-CDU-und-FDP-unterstuetzen-Aleviten-gegen-NDR.html ''Politiker von CDU und FDP unterstützen Aleviten gegen NDR'';] [[Die Welt]], 6. Januar 2008
* [http://www.freitag.de/2008/02/08021301.php Mark Terkessidis: Wie man Muslime macht], [[Freitag]], 11. Januar 2008
* Mark Terkessidis: [http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/wie-man-muslime-macht ''Wie man Muslime macht'';] [[Freitag]], 11. Januar 2008

== Einzelnachweise ==
<references />


{{Folgenleiste Tatort-Folgen
{{Folgenleiste Tatort-Folgen
Zeile 66: Zeile 72:
}}
}}


{{NaviBlock
{{Navigationsleiste Tatort-Folgen mit Kommissarin Lindholm}}
|Navigationsleiste Tatort-Folgen mit Kommissarin Lindholm
|Navigationsleiste Tatort-Folgen mit Sperrvermerk
}}


{{SORTIERUNG:Tatort Wem Ehre Gebuhrt}}
{{SORTIERUNG:Tatort Wem Ehre gebuehrt}}
[[Kategorie:Tatort (Fernsehfilm)|Wem Ehre Gebuhrt]]
[[Kategorie:Tatort (Norddeutscher Rundfunk)|Wem Ehre gebuhrt]]
[[Kategorie:Deutscher Film]]
[[Kategorie:Deutscher Film]]
[[Kategorie:Filmtitel 2007]]
[[Kategorie:Filmtitel 2007]]
[[Kategorie:Norddeutscher Rundfunk (Fernsehen)]]
[[Kategorie:Inzest im Fernsehen]]

Aktuelle Version vom 1. April 2024, 10:25 Uhr

Episode 684 der Reihe Tatort
Titel Wem Ehre gebührt
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Länge 90 Minuten
Altersfreigabe
Produktions­unternehmen NDR
Regie Angelina Maccarone
Drehbuch Angelina Maccarone
Musik
Kamera Judith Kaufmann
Schnitt Bettina Böhler
Premiere 23. Dez. 2007 auf Das Erste
Besetzung
Episodenliste

Wem Ehre gebührt ist eine Folge der Krimireihe Tatort, die bei ihrer Erstausstrahlung am 23. Dezember 2007 Proteste der alevitischen Gemeinde in Deutschland auslöste. Durch die Verbindung des alevitischen Glaubens mit Inzest griff der Film eine historische Verunglimpfung der Aleviten durch orthodoxe Sunniten auf. Der Film von Angelina Maccarone ist eine der seltenen fiktionalen Unterhaltungssendungen im deutschen Fernsehen, in denen das Alevitentum in Deutschland thematisiert wird. Kriminalhauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) vom LKA Hannover war hier mit ihrem 11. Fall befasst.

Der Film gehört zu den sogenannten „Giftschrank-Folgen“,[1] das heißt, dass er nicht mehr wiederholt wird.

Die 23-jährige Afife, eine junge Deutschtürkin alevitischen Glaubens, wird tot aufgefunden. Ein anfänglicher Suizidverdacht der Mordkommission wird durch die Aussage ihrer Schwester Selda geschwächt. Diese sieht sich aufgrund ihrer Schwangerschaft (niemand außer ihr weiß, wer der Kindsvater ist) ebenfalls in Gefahr. Die mit den Ermittlungen betraute Kriminalhauptkommissarin Charlotte Lindholm vermutet inzwischen einen Ehrenmord als Motiv für die Tat. Sie nimmt Selda zunächst bei sich auf. Während der Ermittlungen gerät schließlich auch Selda in Verdacht, woraufhin diese die Wohnung Lindholms verbittert verlässt. Selda versucht, sich das Leben zu nehmen und dabei durch das Legen von Spuren den Eindruck zu erwecken, sie sei ermordet worden. Da ihr Vater sie rechtzeitig findet, überlebt sie, verliert jedoch ihr ungeborenes Kind. Der Ehemann Afifes gerät in Verdacht, der Vater von Seldas Kind zu sein, dies erweist sich nach der Obduktion des Kindes jedoch als Trugschluss: Lindholm findet heraus, dass Selda von ihrem eigenen Vater missbraucht worden ist, dieser der Vater ihres Kindes ist und Afife ermordet hat, weil sie den Inzest zur Anzeige bringen wollte.

Die Verwendung des Inzestmotives in einer Familie alevitischen Glaubens führte zu heftigen Protesten. Kritisiert wurde außerdem, dass die missbrauchte Selda Zuflucht in einer offenbar strengeren Ausprägung des Islams sucht und daher als einzige in ihrer Familie ein Kopftuch trägt. In diesem Zusammenhang wurde der Verdacht der Instrumentalisierung des Films zugunsten eines orthodox-sunnitischen Islams geäußert.[2] Auf Versuche der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, die für den letzten Tag des islamischen Opferfestes (das ist das höchste Fest des Islam) geplante Ausstrahlung zu verhindern, reagierte die ARD mit einem ansonsten bei Tatort-Ausstrahlungen unüblichen Hinweis auf die Fiktionalität der Handlung vor der Ausstrahlung.

Am 27. Dezember 2007 demonstrierten in Berlin rund 300 Aleviten vor dem ARD-Hauptstadtstudio gegen den Film. Die Berliner Alevitengemeinde erstattete im Auftrag des Dachverbandes AABF Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Am 30. Dezember demonstrierten mehr als 30.000 Aleviten in Köln gegen die Ausstrahlung des Films.[2][3][4][5][6] Die ARD signalisierte Gesprächsbereitschaft und die Berliner Alevitengemeinde erklärte sich bereit, die Anzeige wegen Volksverhetzung im Falle einer öffentlichen Entschuldigung der ARD zurückzuziehen.

Derweil sieht die Hamburger Autorenvereinigung in den Protesten der Aleviten einen Versuch, in Deutschland Zensur durchzusetzen.[7] Die Autorin Barbara Frischmuth äußerte hingegen Verständnis für die Empörung der Aleviten: „Im Fernsehen war bisher nie die Rede von Aleviten. Nun auf einmal doch und ausgerechnet mit solch einem Vorwurf. Man muss vorsichtig sein, wenn man dieses Thema auf eine Familie projiziert, die einer Minderheit angehört. Es wird schnell verallgemeinert.“[8] Auch der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte: „Drehbuchautoren und Künstler müssen wissen: Gegenüber religiösen Gefühlen der Menschen, egal um welchen Glauben es sich handelt, sind Respekt, Umsicht und Behutsamkeit geboten“,[3] rief jedoch zur Mäßigung der rund 700.000 türkischen Aleviten in Deutschland auf, da sich der Film nicht allgemein mit dem Alevitentum beschäftigt habe, sondern mit einem individuellen Einzelfall. In Medienberichten wurde die Verwendung ausgrenzender ethnischer Klischees kritisiert[9] und orthodox-sunnitische Berater und schlechte Recherche der mehrfach ausgezeichneten italienischstämmigen Autorin und Regisseurin als Grund für protestauslösende Drehbuchkonstellationen und -details vermutet.[4][8][10]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Francois Werner, Dominik Pieper: TATORTe im Giftschrank: Verbotene Früchte; tatort-fundus.de, abgerufen am 11. Juni 2013.
  2. a b Alevitische Gemeinde Deutschland e. V.: JA zur Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit, NEIN zur Verletzung der Würde des Menschen; (Memento vom 24. Februar 2008 im Internet Archive) Stellungnahme der Alevitischen Gemeinde Deutschland vom 29. Dezember 2007; abgerufen am 11. Juni 2013.
  3. a b Sibylle Ahlers: Islam: Aleviten sehen Tatort als Werbung für Orthodoxe; Die Welt, 30. Dezember 2007
  4. a b Anne-Catherine Simon: „Inzest-Tatort“: Opfer einer Propagandalüge; Die Presse, 2. Januar 2008
  5. Severin Weiland: ARD-Büro Berlin: Aleviten demonstrieren gegen „Inzest“-Tatort; Spiegel Online, 27. Dezember 2007
  6. „Tatort“-Eklat: Regisseurin verteidigt Inzest-Krimi; Spiegel Online, 27. Dezember 2007
  7. „Tatort“-Streit: Autoren fordern Freiheit der Kunst; Die Welt-Online 3. Januar 2008
  8. a b Karen Krüger: Barbara Frischmuth im Gespräch: Die Aleviten sind sehr enttäuscht; Frankfurter Allgemeine Zeitung 3/2008 vom 4. Januar 2008, S. 40.
  9. Christian Gampert: Dokumentierte Propaganda: Die Ausstellung „Jud Süß“ zeigt Ausschnitte aus deutschen Propagandafilmen; in: Kultur heute, Deutschlandfunk, 1. Januar 2008
  10. Bernd Gräßler: Schlecht recherchiert; Deutsche Welle, 28. Dezember 2007