Breitmaulnashorn

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Breitmaulnashorn

Südliche Breitmaulnashörner in einem Nationalpark in Südafrika

Systematik
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Laurasiatheria
Ordnung: Unpaarhufer (Perissodactyla)
Familie: Nashörner (Rhinocerotidae)
Gattung: Ceratotherium
Art: Breitmaulnashorn
Wissenschaftlicher Name
Ceratotherium simum
Burchell, 1817

Das Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum) ist auch als Weißes Nashorn bekannt. Dies ist auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen: Das Breitmaulnashorn wurde von den Buren wegen seines breiten Mauls (mit dem es gut grasen kann) als wyd (breit) bezeichnet, die Briten verstanden allerdings white (weiß). Es ist die einzige Art der Gattung Ceratotherium.

Merkmale

Das Breitmaulnashorn ist nach den Elefanten das größte Landsäugetier. Es weist eine Kopfrumpflänge von 3 bis 4 m, eine Schulterhöhe von 160 bis 200 cm und ein Gewicht von 1.400 bis 3.500 kg auf und ist damit auch größer als alle anderen Nashornarten. Es bildet zwei Hörner aus, wovon das vordere eine Länge von über 150 cm erreicht, das hintere jedoch ist deutlich kleiner. Die Unterlippe hat eine hornige Kante, die die fehlenden Schneidezähne ersetzt und mit deren Hilfe die Tiere die Grasnahrung abreißen. Die Zahnformel des erwachsenen Tieres lautet: , dabei sind embryonal noch Schneidezähne nachweisbar. Außer an den Ohrrändern und am Schwanzende ist das Nashorn unbehaart. Seine Körperfarbe ist wie die des Spitzmaulnashorn schiefergrau. Als Unterscheidungsmerkmale zum Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis) hat das Breitmaulnashorn große Spitzohren, ein breites, stumpfes Maul ohne Greiffortsatz und einen auffallenden Nackenhöcker, der aus Bindegewebe und Muskulatur gebildet wird.

Der Geruchssinn ist sein wichtigster Sinn; Ohren und Augen spielen dagegen untergeordnete Rollen. Wie das Spitzmaulnashorn kann es auf eine Entfernung von 20 m kaum noch etwas erkennen.

Verbreitung

Verbreitung der nördlichen und der südlichen Unterart.

Bis vor kurzem existierten in freier Wildbahn zwei Unterarten des in afrikanischen Savannen heimischen Breitmaulnashorns:

  • Das Südliche Breitmaulnashorn (C. s. simum) lebte einst in einem Gürtel, der sich von Angola und Namibia über Botswana und Simbabwe nach Mosambik und KwaZulu-Natal erstreckte. Heute ist es über zahlreiche Schutzgebiete des südlichen Afrikas fragmentarisch verstreut (näheres siehe Menschen und Breitmaulnashörner). 2008 wurde der Bestand auf etwa 17.000 Tiere geschätzt [1]
  • Das Nördliche Breitmaulnashorn (C. s. cottoni) war von Kongo und Uganda bis in den Tschad und den Sudan verbreitet. Die alten Ägypter trafen es noch wild im Niltal an. In der jüngsten Zeit hatte sich seine Population in freier Wildbahn nur mehr auf den Garamba-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo (einst Zaire) beschränkt und sich dort von einem Tiefpunkt in den 1970er Jahren zunächst noch auf etwa 40 Exemplare erholt. Doch nach Bürgerkrieg und Übergriffen wildernder Paramilitärs aus dem Sudan war der Bestand 2005-2006 extrem geschrumpft und gilt Pressemeldungen zufolge seit 2008 nunmehr als in freier Wildbahn ausgerottet.[2]
    Zwei letzte Exemplare leben im Zoo von San Diego (San Diego Wild Animal Park, USA) und sechs in Dvůr Králové (Tschechien). Mit dieser Restpopulation von insgesamt acht Tieren in Gefangenschaft gilt das nördliche Breitmaulnashorn als das seltenste Großsäugetier der Welt. Von den Tieren sind nur noch zwei Kühe zeugungsfähig. Eine Initiative von Reproduktionsmedizinern aus Berlin, die verbleibenden Kühe mit medizinisch-technischen Methoden zur Fortpflanzung zu bringen, scheitert bisher an Bedenken des Tierparks Dvůr Králové. [1]

Zwischen dem südlichen und dem nördlichen Breitmaulnashorn bestehen geringfügige morphologische Unterschiede. Genetische Untersuchungen aus den 1980er Jahren ergaben, dass beide Unterarten seit ca. 2 Millionen Jahren genetisch voneinander getrennt sind. Das Spitzmaulnashorn und das Breitmaulnashorn trennten sich genetisch hingegen bereits vor 3,5 Millionen Jahren. [3]

Verhalten und Fortpflanzung

Das Breitmaulnashorn bevorzugt als Grasfresser ein mit Gras und niedrigem Buschwerk bewachsenes Gelände, in das ausreichend Deckung und Schatten spendende Busch- und Walddickungen eingestreut sein müssen. Dabei zieht es die Nähe von Gewässern vor. Ist diese nicht gegeben, unternimmt es regelmäßige Wanderungen zu geeigneten Wasser- und auch Suhlstellen. Es ist überwiegend tagaktiv, vermeidet aber die direkte brennend heiße Sonne.

Breitmaulnashörner sind nicht so strikte Einzelgänger wie andere Nashornarten. Gruppen von zehn Tieren, meist bestehend aus Müttern mit ihren Jungen und anderen Weibchen, sind dabei keine Seltenheit. Bullen werden geduldet, solange sie keine Paarungsversuche bei nicht brünstigen Weibchen versuchen. Eine solche Gruppe bildet einen eher lockeren Verband, der sich aber bei Gefahr einigelt, also einen Kreis bildet mit den hornbewehrten Schädeln nach außen. Ältere Bullen leben allein und haben ein festes Revier von 1-8 km² Größe. Dieses Territorium wird gegen andere Bullen verteidigt; allerdings sind ernsthafte Kämpfe selten und kommen höchstens beim Werben um eine Kuh vor. Junge Bullen und andere Kühe werden oft im Revier geduldet. Breitmaulnashörner leben in großen Gemeinschaftsterritorien, die durch feste Kotplätze und Verspritzen von Harn markiert sind.

Breitmaulnashörner gelten als wenig angriffslustig, können aber zu gefährlichen Gegnern werden und setzen dann das lange Horn als Waffe ein. Die normale Trabgeschwindigkeit liegt bei etwa 15 bis 30 km/h, beim Angriff oder auf der Flucht können sie im Galopp auch 40 km/h erreichen. Da sie wie alle Nashörner schlecht sehen, besitzen sie kein visuell erkennbares Ausdrucksverhalten, was sie für Menschen unberechenbar macht.

Mit fünf Jahren sind Breitmaulnashörner geschlechtsreif. Allerdings sind Bullen erst im Alter von über zehn Jahren kräftig genug, um sich gegen konkurrierende Bullen durchzusetzen und sich mit einer Kuh zu paaren. Brünstige Weibchen sondern sich von der Gruppe ab und markieren auffallend häufig, was deckwillige Bullen anlockt. Nach einem langdauernden Vorspiel mit Reiben und Scheinkämpfen kommt es schließlich zur Begattung, die 20 bis 80 Minuten dauern kann. Zeitweise stößt der Bulle dabei alle drei Minuten Samen aus, was zu dem Aberglauben geführt haben könnte, dass das pulverisierte Horn potenzfördernd sei. Nach der Vereinigung kehrt das Weibchen meist zur Gruppe zurück. Die Tragzeit beträgt 18 Monate. Zum Abschluss wird ein ca. 40 kg schweres Kalb geboren. Es ist schon 24 Stunden nach der Geburt in der Lage, der Mutter zu folgen. Es wird etwa ein Jahr gesäugt und nimmt bereits eine Woche nach der Geburt auch Gras zu sich. Erst nach zweieinhalb bis drei Jahren wird die Mutter wieder brünstig und vertreibt dann das Junge. Nach der Geburt des nächsten Kalbes und nach den ersten Wochen gesellt sich häufig auch das letzte Junge wieder zu seiner Mutter.

Menschen und Breitmaulnashörner

Das Breitmaulnashorn ist weniger aggressiv als das Spitzmaulnashorn. Berichten zufolge kann sich ein Mensch bis zu 10 m einem Breitmaulnashorn nähern, ohne dass es angreift. Hierdurch wird es besonders leicht zu jagen. Die Gesamtpopulation der Art wird von der IUCN auf etwa 12.000 Tiere geschätzt und gilt als "gering gefährdet".

Südliches Breitmaulnashorn in Südafrika

Die südliche Unterart des Breitmaulnashorns wurde 1893 für ausgerottet gehalten, ehe eine kleine Restpopulation von zehn Tieren in Natal entdeckt wurde. Von diesen stammen alle Südlichen Breitmaulnashörner unserer Tage ab. Bis in die 1970er wuchs der Bestand im Hluhluwe-Umfolozi-Park auf 1.000 Tiere und verdoppelte sich bis zum Jahr 1980 noch einmal auf 2.000, bis 1990 auf 4.000 und erreichte im Jahr 2001 eine Zahl von 11.000 Tieren. Die IUCN stuft das Südliche Breitmaulnashorn daher nun als "gering gefährdet" (near threatened) ein. 95 % aller frei lebenden Breitmaulnashörner sind auf dem Territorium Südafrikas zu Hause; außerdem wurde eine Gruppe in Kenia eingeführt, wo es ursprünglich überhaupt keine Breitmaulnashörner gegeben hatte.

Das Nördliche Breitmaulnashorn wurde erstmals 1903 wissenschaftlich beschrieben. Zu jener Zeit war es noch zahlreich vertreten. Großwildjäger schafften es binnen weniger Jahrzehnte, die Unterart überall auszurotten − mit Ausnahme des Garamba-Nationalparks, wo 1963 1.000 Breitmaulnashörner unter strengem Schutz lebten. In dieser Zeit begann allerdings die starke Nachfrage nach Hörnern wegen ihrer angeblichen Heilkraft in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) sowie wegen der Begehrtheit von Nashorndolchen als Status- und Männlichkeitssymbol bei der Oberschicht Jemens. Die Bereitschaft der Käufer in Ostasien und Jemen, selbst höchste Preise für illegal importierte Hörner zu zahlen, macht die Wilderei trotz aller Risiken staatlicher Verfolgung zu einem lohnenden Geschäft. Während wegen der relativen Stabilität die südlichen Breitmaulnashörner Südafrikas nie in solchem Ausmaß von Wilderei betroffen waren, konnte Zaire (später Demokratische Republik Kongo) keinen vergleichbar wirksamen Schutz liefern. Der Bürgerkrieg im Kongo, der seit 1997 ununterbrochen tobt, erschwerte die Schutzmaßnahmen. Eine Zählung im Jahr 2002 fand noch 27 Breitmaulnashörner im Garamba-Reservat. Laut einer BBC-Dokumentation[4] verblieben nach einem neuerlichen Ausschreiten des Bürgerkriegs und den damit verbundenen Problemen, die Schutzmaßnahmen aufrecht zu erhalten im Jahr 2006 nur noch eine einzige Kuh und ihr Kalb als letzte wildlebende Vertreter der Unterart (andere Quellen[5] sprechen von 5 im Freiland existierenden Exemplaren), während der tschechische Zoo Dvůr Králové (6 Individuen[6] - 2 Männchen, 4 Weibchen) und der San Diego Wild Animal Park in den USA (2 Individuen[6] - 1 Männchen, 1 Weibchen[5]) die letzten Nördlichen Breitmaulnashörner in Menschenobhut halten. Auf Basis dieser kleinen Zoopopulation wird versucht, ein Erhaltungszuchtprogramm zur Rettung der Unterart zu organisieren.

Eine Bestandserhebung im Jahr 2008 konnte im Garamba-Reservat keine lebenden nördlichen Breitmaulnashörner mehr nachweisen[7]. Die Unterart muss damit in freier Wildbahn als höchstwahrscheinlich ausgestorben angesehen werden.

Am 23. Januar 2007 wurde im Zoo von Budapest/Ungarn das erste durch künstliche Befruchtung gezeugte Südliche Breitmaulnashorn geboren. Experten erhoffen sich von den Fortschritten auf dem Gebiet der künstlichen Nashornbefruchtung auch eine Chance, die nördliche Unterart des Breitmaulnashorns vor dem Aussterben zu bewahren.

Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm für Breitmaulnashörner wurde bis 1996 vom tschechischen Zoo Dvůr Králové geführt und überwacht, seit 1996 führt der Safaripark von Beekse Bergen (Niederlande) das EEP für Breitmaulnashörner.

Bilder

Nachweise

Literatur

  • Das moderne Tierlexikon. Verlagsgruppe Bertelsmann, Band 2, 1981

Einzelnachweise

  1. a b ZeO2 Magazin für Umwelt, Politik und Neue Wirtschaft, Ausgabe 01/2009, Seite 36-38
  2. Der Spiegel 22/2008, S. 142
  3. Rhinore Source Center - Genetische Unterschied zwischen den Unterarten des Breitmaulnashorns von Platthew George, Jr. ; Lydia A. Puentes und Oliver A. Hyder pdf
  4. BBC-Dokumentation: [http://www.dctp.de/main.php?&obj=report&action=detail&thread=show&index=5&id=6358/ Der masturbierte Elefant]
  5. a b Pressemeldung im Standard vom 01.06.2007
  6. a b ISIS-Datenbank
  7. Pressemeldung des VBio' vom 21.05.2008