Retrodesign (von Retro und Design) ist ein Stil der Formgegebung für Produkte, bei der Gestaltungselemente (Farben, Formen, Symbole, Materialien) vergangener Zeiten wiederverwendet werden. Retrodesign tritt vor allem in zwei Ausprägungen auf: Zum einen kann es Design sein, das es in der heutigen Gestaltungsform auch schon in der Vergangenheit gab, zum anderen kann mit charakteristischen alten Elementen die Erinnerung an ein Produkt vergangener Zeiten geweckt werden. Auch innovative Produkte, wie zum Beispiel neue Automodelle, erhalten aus Marketing- oder anderen Gründen ein Retrodesign.
Automobilbau
BearbeitenRetrodesign beim Automobildesign orientiert sich an typischen Karosserieformen früherer Epochen. Dieser Designtrend entwickelte sich in den frühen 1990er Jahren und führte dazu, dass fast alle Automobilmarken Modelle vorstellten, die sich formal auf Autos der 1950er und 1960er Jahre bezogen.[1]
Retrodesign zitiert meistens ganze Fahrzeuge, oft Klassiker des Automobildesigns.[2] Andere Formen der Übernahme klassischer Stilelemente sind die Revival Cars und das New Classic Design.[3] Technisch können Retro-Autos stark vom Konzept ihrer historischen Vorbilder abweichen.[4][5]
Bereits im Jahr 1961 verwendete der amerikanische Designer Virgil Exner für die neuen Modelle der Chrysler-Spitzenmarke Imperial Elemente klassischen Automobildesigns.[6] Die 1961er Imperial trugen frei stehende Frontscheinwerfer, und die Flanken der Wagen erhielten einen Chromstreifen, der die Linie geschwungener Kotflügel imitierte. Später übertrug Exner das Konzept auf die neu gegründete Marke Stutz Motor Car of America, deren Blackhawk-Reihe in den USA als Revival Car bezeichnet wird. Der Cadillac Seville von 1980 zitiert das Hooper-Heck der 1950er Jahre und der Lincoln Mark VII von 1983 besaß eine angedeutete Reserveradausbuchtung in der Kofferraumklappe.
Einen ersten Höhepunkt erreichte das Retrodesign mit dem Mazda MX-5, der 1989 bis 1998 in seiner ersten Form fast eine Kopie des Lotus Elan von 1962 darstellte und als der erste neu konstruierte Roadster seit Jahrzehnten gilt.[7][8] In den Jahren 1989 bis 1991 wurden auch von Nissan die im Retrodesign gehaltenen Nissan Pao, Nissan Figaro und Nissan S-Cargo in Kleinserie produziert. In Japan sind zudem seit den 1990er Jahren Retropakete für verschiedene Kleinwagenmodelle populär (zum Beispiel für den Daihatsu Mira oder den Subaru Vivio). Der Erfolg des Retrodesigns in Japan ist auch der dortigen Kawaii-Ästhetik geschuldet.[9] Im Jahre 1994 wurde eine Retroversion des VW Käfer als Studie „VW Concept 1“ auf der Detroit Motor Show vorgestellt. Da die Reaktionen der Messebesucher darauf positiv ausfielen, wurde die Studie 1998 auf Basis des Golf IV und mit Verzicht auf den käfertypischen Heckmotor[10] als New Beetle (engl. für Neuer Käfer) auf den Markt gebracht. Dies gilt in Europa als Anfang der bis heute anhaltenden Retrowelle, die 1999 mit dem Jaguar S-Type, 2000 mit dem Mini, 2007 mit dem Fiat 500 und 2009 mit dem Mercedes-Benz SLS AMG fortgesetzt wurde. Amerikanische Beispiele für das Retrodesign sind der Plymouth Prowler im Stil eines Hot-Rods, der Limousinen der 1930er Jahre nachempfundene Chrysler PT Cruiser und der Ford Thunderbird von 2003. Bedeutender Designer von Retro-Autos ist J Mays. Das Retrodesign hat nach Ansicht von Experten die Emotionalität im Automobildesign zurückgebracht.[11] Anfang der 2000er Jahre hat sich das Retrodesign zum New Classic Design weiterentwickelt. Fahrzeuge wie der Lancia Thesis bestehen aus einer Mischung von klassischen und modernen Designelementen, ohne ein bestimmtes historisches Fahrzeug zu zitieren.[12]
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Imperial von 1961
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Stutz Blackhawk I von 1971
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Lotus Elan von 1974
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Mazda MX-5 von 1989
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Gutbrod Superior von 1954
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Nissan Figaro von 1991
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Chrysler Airflow von 1934
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Chrysler PT Cruiser von 2000
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BMW 507, 1956
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BMW Z8, 2000
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Mini von 1963
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Mini, 2001,
Bild 3. Generation 2014 -
Jaguar S-Type von 1966
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Jaguar S-Type von 2001
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Ford Thunderbird von 1957
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Ford Thunderbird von 2003
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Toyota Land Cruiser J40 aus den 1960er Jahren
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Toyota FJ Cruiser um 2007
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Mercedes-Benz 300 SL von 1954
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Mercedes-Benz SLS AMG von 2009
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Land Rover,
Erstmodelle 1948 -
Land Rover Defender, 2019
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Honda Civic von 1972
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Honda e von 2019
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Renault 5, 1972
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Lamborghini Countach ab 1974
Motorradbau
BearbeitenAuch im Motorradbau findet Retrodesign zunehmend Anwendung. So ist die Triumph Bonneville T120 dem Design der 1960er Jahre, oder die geplante BMW R 18 der BMW R 5 aus dem Jahr 1936 angelehnt.[13] Nahezu alle namhaften Hersteller haben Motorradmodelle in klassischem Aussehen im Programm.
Im Zuge der Retrowellen wurden nicht nur im historischen Motorrad-Breitensport auch mehr und mehr Rennserien für Hobbyrennfahrer und (Wieder-)Einsteiger mit preisgünstigen Motorrad-Youngtimern wie der MZ Skorpion angeboten. Youngtimer wie beispielsweise die wegen ihres plumpen und eckigen Motorendesigns scherzhaft „Flying Brick“ (fliegender Ziegelstein) genannten Motorräder der K-Baureihe von BMW werden häufig als preisgünstige Basis für Do-it-yourself-Umbauten zu Clubman- und Cafe Racern[14], Bobbern, Streetfightern, oder Ratbikes gewählt.[15]
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Triumph T100 GP (500 cm³, 1948)
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Triumph Bonneville T120 (650 cm³, 1962)
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Triumph Bonneville T120 von 2017
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Yamaha XV 1900 A Midnight Star von 2006, angelehnt an Harley-Davidson der 1950er Jahre
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MZ TS 250 (250 cm³, 1973)
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BMW R 18 von 2020
Elektro- und Elektronikbereich
BearbeitenHier gibt es sowohl Geräte mit bekannten Funktionen wie Haartrockner[16] als auch Kaffeevollautomaten, die 1985 erstmals vorgestellt wurden, im Stil der 1950er Jahre,[17] oder Hifi-Funk-Lautsprecher mit weiteren eingebauten Funktionen. Diese verwenden unter anderem andere Techniken für die einzelnen Lautsprecher-Chassis.[18] Schon 2011 hatte Braun seine Uhren wieder fertigen lassen, ein Digitalwecker wurde App-kompatibel.[19]
Literatur
Bearbeiten- Achim Böhmer, Sara Hausmann: Retrodesign stylelab. Baukastensystem der Designcharakteristika. Hermann Schmidt, Mainz 2009, ISBN 978-3-87439-726-1.
- Gregor Stawinski: Retrofonts. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2009, ISBN 978-3-87439-784-1.
- Markus Caspers: designing motion, Automobildesigner von 1890 bis 1990, Basel 2016
- Paolo Tumminelli: Car Design Europe, Myths, Brands, People, Kempen 2011
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Markus Caspers: designing motion, Automobildesigner von 1890 bis 1990, Basel 2016, S. 59f
- ↑ sp: Abgekupfert: Retro-Autos und ihre historischen Vorbilder. In: heise.de. 28. Oktober 2009, abgerufen am 3. Februar 2024.
- ↑ Paolo Tumminelli: Car Design. teNeues, 2004, ISBN 9783823845614, S. 98
- ↑ Thorsten Firlus: Autodesign: Der geheimnisvolle Charme der Retro-Autos. In: Zeit Online. 19. März 2012, abgerufen am 30. Januar 2018.
- ↑ sp: Abgekupfert: Retro-Autos und ihre historischen Vorbilder. In: heise.de. 28. Oktober 2009, abgerufen am 3. Februar 2024.
- ↑ Langworth: Encyclopedia of American Cars 1930-1980, S. 389.
- ↑ Thorsten Firlus: Autodesign: Der geheimnisvolle Charme der Retro-Autos. In: Zeit Online. 19. März 2012, abgerufen am 30. Januar 2018.
- ↑ Paolo Tumminelli: Car Design. teNeues, 2004, ISBN 9783823845614, S. 78
- ↑ Paolo Tumminelli: Car Design. teNeues, 2004, ISBN 9783823845614, keine Seitenzahl
- ↑ Thomas Geiger, Marco Dalan: Retro-Design: Warum neue Autos so gerne alt aussehen. In: welt.de. 21. September 2007, abgerufen am 7. Oktober 2018.
- ↑ Paolo Tumminelli: Car Design. teNeues, 2004, ISBN 9783823845614, S. 78
- ↑ Paolo Tumminelli: Car Design. teNeues, 2004, ISBN 9783823845614, S. 98
- ↑ BMW Projekt R18 - Analoges Statement. In: focus.de. 27. Mai 2019, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 20. November 2021; abgerufen am 9. Juli 2019. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ MZ-Cup – Einmal Norton Manx für Arme, in Klassik Motorrad, Zeitschrift, Heft 3/2022, S. 69
- ↑ Stiletto: Wenn gar nichts mehr geht – einfach weiterfahren. MZ. in Günter Höhne (Hrsg.): Die geteilte Form, Deutsch-deutsche Designaffären 1949–1989, Fackelträger Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-7716-4421-5, S. 61–71
- ↑ Condé Nast: Föhn-Test 2023: Die Top 17 Haartrockner im Vergleich. In: gq-magazin.de. 6. Mai 2022, abgerufen am 20. Dezember 2023.
- ↑ Smeg BCC02 im Test: Kaffeevollautomat im Retro-Look. In: computerbild.de. 10. Juni 2023, abgerufen am 20. Dezember 2023.
- ↑ Harald Wittig: Braun LE01 Netzwerk-All-In-One-Anlage. In: fidelity-online.de. 16. Juni 2021, abgerufen am 20. Dezember 2023.
- ↑ Test Braun BNC020: Endlich ein Tischwecker für das 21. Jahrhundert – Natürlich mit Bluetooth. In: mactechnews.de. 6. Oktober 2018, abgerufen am 21. Dezember 2023.