„Katzendreckgestank-Affäre“ – Versionsunterschied
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== Begriff ==
Die erste Erwähnung des Begriffs „Katzendreck“ geht auf die Fernsehsendung „[[Jetzt red i]]“ vom 27. Juli 1977 mit [[Franz Schönhuber]] als Moderator zurück, in der ein Umweltaktivist den Satz: „Bei uns stinkt’s und uns stinkt es! […] Und zwar ganz ordinär nach Katzendreck“<ref name="Mrozek311">Bodo Mrozek, Doubravka Olšáková: ''Die Katzendreckgestank-Affäre''. In: [[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte|VfZ]] 71 (2023), Heft 2, S. 311–349, hier S. 311.</ref> äußerte. Die Stichworte „Katzendreck“ oder „Katzendreckgestank“ wurden bald darauf
== Geruchsbelästigungen und gesundheitliche Folgen ==
Erste Meldungen über die Geruchsbelästigungen sind vom Oktober 1976 aus [[Oberfranken]], der [[Oberpfalz]], dem [[Sechsämterland]] und dem [[Fichtelgebirge]] überliefert, deren Intensität im Laufe des Jahres 1977 zunahm. In den folgenden Jahren waren besonders die Städte und Gemeinden [[Arzberg (Oberfranken)|Arzberg]], [[Hof (Saale)|Hof]], [[Hohenberg an der Eger]], [[Kirchenlamitz]], [[Marktredwitz]], [[Schirnding]], [[Schönwald (Bayern)|Schönwald]], [[Schwarzenbach an der Saale]], [[Tirschenreuth]], [[Töpen]], [[Waldsassen]] und [[Wunsiedel]] betroffen. Räumlich erstreckten sich die Beschwerden in Bayern über ein Gebiet von etwa 100 mal 30 Kilometern, in dem rund 100.000 Menschen lebten.<ref name="Mrozek321">Bodo Mrozek, Doubravka Olšáková: ''Die Katzendreckgestank-Affäre''. In: [[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte|VfZ]] 71 (2023), Heft 2, S. 311–349, hier S. 321 f.</ref>
Die Beschwerden häuften sich besonders bei einer Wetterlage mit Wind aus östlicher Richtung, was darauf hindeutete, dass die Geruchsbelästigung aus der DDR oder der Tschechoslowakei stammte.<ref name="Mrozek313" /> Die bundesdeutschen Behörden fanden zudem heraus, dass sich
Zwischen 1978 und 1979 wurden systematische Messungen und Erhebungen in der Bundesrepublik durchgeführt. Diese Messungen ergaben eine deutlich erhöhte Luftbelastung mit Schwefeldioxid.<ref>Bodo Mrozek, Doubravka Olšáková: ''Die Katzendreckgestank-Affäre''. In: [[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte|VfZ]] 71 (2023), Heft 2, S. 311–349, hier S. 318 ff.</ref> Aber nicht nur die Schwefeldioxid-Emissionen, sondern besonders die Verbindungsklasse der [[Thiole|Mercaptane]] stand unter Verdacht, die Übelgerüche auszulösen.<ref name="Eckert200" />
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-T1222-014, Blankenstein, Biologische Abwasserreinigungsanlage.jpg|mini|[[Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal]], Foto von 1978]]
Auf dem Gebiet der DDR konnte der [[Volkseigener Betrieb|Volkseigene Betrieb]] [[Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal]] in [[Blankenstein (Rosenthal am Rennsteig)|Blankenstein an der Saale]], die sich in Sichtweite der [[Innerdeutsche Grenze|innerdeutschen Grenze]] befand, als Verursacher erheblicher Emissionen ausgemacht werden.<ref name="Mrozek323">Bodo Mrozek, Doubravka Olšáková: ''Die Katzendreckgestank-Affäre''. In: [[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte|VfZ]] 71 (2023), Heft 2, S. 311–349, hier S. 323 ff.</ref> Im Herbst 1979 wurden im nahegelegenen bayerischen [[Lichtenberg (Oberfranken)|Lichtenberg]] Verätzungen an Pferdenüstern festgestellt, die von der hohen Belastung mit Schwefeldioxid herrührten.<ref name="Eckert200" /> Außerdem emittierte die Fabrik
Die betroffenen Bewohner in Nordbayern gaben gesundheitliche Beeinträchtigungen an, wobei die Symptome von Schlaflosigkeit, Luftmangel und Herzklopfen bis hin zu Entzündungen der Atemwege reichten. Weitere Beschwerden umfassten vegetative Störungen wie Abgeschlagenheit, missmutig-depressive Verstimmungen und ein Gefühl der Verzweiflung.<ref name="Mrozek321" /> In einigen Fällen kam es sogar zu erheblichen physiologischen Reaktionen wie Erbrechen und Atembeschwerden.<ref name="Mrozek323" /> Über die Belastungen in der Tschechoslowakei erhielt der Bundesnachrichtendienst (BND) 1983 Informationen, wonach dort eine dramatische Umweltsituation mit einer verheerenden Schwefeldioxidbilanz bestehe, die zu einer verringerten Lebenserwartung, einer erhöhten Häufigkeit von Hautkrebs und Atemwegserkrankungen führte.<ref name="Mrozek337" />
Außerdem
== Diplomatischer Konflikt ==
Die Katzendreckgestank-Affäre entwickelte sich seit Ende der 1970er Jahre zu einem langjährigen diplomatischen Konflikt. Im März 1978 hatte das [[Auswärtiges Amt|Auswärtige Amt]] die „geruchsintensiven Emissionen“ sowohl über die Botschaft in Prag als auch bei einem Treffen von Bundesaußenminister [[Hans-Dietrich Genscher]] mit dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei [[Gustáv Husák]] erstmals zur Sprache gebracht. Allerdings bestritt die tschechoslowakische Seite lange, die Emissionen hätten dort ihren Ursprung. Wichtige bundesdeutsche Akteure in der sich über Jahre hinziehenden Auseinandersetzung und Verhandlungen waren außerdem die Bundeskanzler [[Helmut Schmidt]] und [[Helmut Kohl]] sowie der bayerische Ministerpräsident [[Franz Josef Strauß]].<ref>Bodo Mrozek, Doubravka Olšáková: ''Die Katzendreckgestank-Affäre''. In: [[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte|VfZ]] 71 (2023), Heft 2, S. 311–349, hier S. 329–337.</ref>
In den 1980er Jahren, einer Zeit, in der das [[Waldsterben]], [[Smog]] und [[saurer Regen]] verstärkt als gravierende Umweltprobleme wahrgenommen wurden, rückte die Katzendreckgestank-Affäre verstärkt in den
Der fortwährende zivilgesellschaftliche Druck von Umweltorganisationen gepaart mit der internationalen Dimension des Problems und der Einrichtung einer gemeinsamen Grenzkommission führten im Laufe der 1980er Jahre letztlich zu konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Minderung der Geruchsbelästigung.<ref>Bodo Mrozek, Doubravka Olšáková: ''Die Katzendreckgestank-Affäre''. In: [[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte|VfZ]] 71 (2023), Heft 2, S. 311–349, hier S. 327 f.</ref> 1987 wurde ein Umweltabkommen zwischen der
== Forschungsstand ==
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