[go: nahoru, domu]

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Leerzeichen vor/nach Bindestrich korrigiert
 
(25 dazwischenliegende Versionen von 18 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
[[Datei:LouvainInterior of the Famous Library WWIat Louvain destroyed during World War I.jpg|mini|Die Ruinen der Bibliothek der [[Katholieke Universiteit Leuven|Universität Löwen]] im Jahr 1914]]
[[Datei:Louvain1915.jpg|mini|Die zerstörte Stadt [[Löwen]] 1915]]
[[Datei:Western front 1915-16.jpg|mini|Westfront 1915–1916]]
 
Als '''Rape of Belgium''' ({{deS|deutsch etwa ''Schändung von BelgienBelgiens''}}) wurdewurden von der alliierten Propaganda der Tatbestand und die Umstände der [[Deutsches Kaiserreich|deutschen]] Invasion von [[Belgien]] während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] bezeichnet. Der Begriff hatte zunächst eine symbolische Bedeutung und umschrieb die Verletzung der belgischen [[Neutralität (Internationale Politik)|Neutralität]]. Berichte von tatsächlichen, übertriebenen und vermeintlichen deutschen Gräueltaten gaben ihm schon in den ersten Monaten des Krieges die eigentliche, dem Wortsinn näherkommende Bedeutung einer Vergewaltigung.<ref>Vergleiche:
* {{cite book|author=John Horne|title=A companion to World War I|url=http://books.google.com/books?id=5sm0LLZMzegC&pg=PA265|year=2010|publisher=John Wiley and Sons|isbn=978-1-4051-2386-0|page=265}}
* {{cite book|author=Susan R. Grayzel|title=Women and the First World War|url=http://books.google.com/books?id=MHhmOe8OQFsC&pg=PA16|year=2002|publisher=Longman|isbn=0-582-41876-3|page=16}}
Zeile 13:
 
== Vorgeschichte ==
Die Neutralität von Belgien war 1839 im [[Londoner Konferenz (1838–1839)|Vertrag von London]] garantiert worden, das [[Königreich Preußen]] war einer der Mitunterzeichner. Der Vertrag von London wurde 1871 bestätigt. Das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Reich]] übernahm mit seiner Gründung die Verpflichtungen aus dendiesem entsprechenden Verträgen.<ref>Scott Manning: {{Webarchiv | url=http://www.digitalsurvivors.com/archives/belgiumsneutrality.php | wayback=20130722190407 | text=''Belgium’s Neutrality was More than a „Scrap of Paper“.''}} 9. März 2009Vertrag.</ref>
 
== Besetzung Belgiens ==
Für den Kriegsfall beinhaltete der [[Schlieffen-Plan]] jedoch einen deutschen Vorstoß durch Belgien unter Missachtung seiner Neutralität, um die in Ostfrankreich konzentrierte französische Armee und die dortigen zahlreichen Festungen strategisch zu umgehen. Der deutsche Kanzler [[Theobald von Bethmann Hollweg]] bezeichnete in diesendiesem Zusammenhang den Vertrag von London als einen {{"|Fetzen Papier}},<ref>''Memoirs of [[Bernhard von Bülow|Prince Von Bulow]]—The World War and Germany’s Collapse 1909–1919.'' aus dem Deutschen übersetzt von Geoffrey Dunlop, F. A. Voight. Little, Brown and Company, Boston 1932.</ref> was in England und im sonstigen Ausland besondere Empörung verursachte.
 
Bereits in der Nacht vom 1. auf den 2. August 1914 wurde [[Luxemburg]] von deutschen Truppen besetzt; am 2. August 1914 stellte Deutschland Belgien [[Deutsches Ultimatum an Belgien|ein Ultimatum]];<ref>Laurence van Ypersele: [http://www.erster-weltkrieg.clio-online.de/_Rainbow/documents/poluzeit/apuz_ypersele.pdf ''Belgien im „Grande Guerre“.''] (PDF; 91&nbsp;kB)</ref> in den Morgenstunden des 4. August 1914 begann der Einmarsch in Belgien. Erste Übergriffe fanden in [[Gemmenich]] statt.<ref>Herbert Ruland: {{Webarchiv | url=http://www.grenzgeschichte.eu/archiv/flucht1.pdf | wayback=20160304082628 | text=''Fluchtbewegungen an der deutsch-belgischen Grenze und in Innerbelgien vor dem Hintergrund der zeitgeschichtlichen Entwicklung 1914–1945.'' }} (PDF; 281&nbsp;kB)</ref>
 
Der „[[Wettlauf zum Meer]]“ mit den alliierten Truppen erstreckte sich bis zum Gebiet rund um die [[Yser]], das von belgischen Truppen gehalten werden konnte. Hier fand die [[Erste Flandernschlacht]] vom 20. Oktober bis 18. November 1914 statt.
 
Das besetzte Belgien wurde in zwei Verwaltungsgebiete gegliedert:<ref>[httphttps://194www.242pacelli-edition.233.158/denqPacellide/indexschlagwort.phphtml?view=sub_layout&subConstraints&#91;byID&#93;=yes&subConstraints&#91;id&#93;idno=4004 ''Deutsche Besatzung in Belgien während des Ersten Weltkriegs.''] In: ''Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917–1929).''</ref>
# Das Operations- und [[Kriegs-Etappenwesen|Etappengebiet]] in Ost- und Westflandern, im Süden der Provinz Hennegau (Hainaut) und Luxemburg unterstanden dem Oberkommando der deutschen [[4. Armee (Deutsches Kaiserreich)|4. Armee]].
# Das [[Generalgouvernement Belgien]] mit den restlichen Gebieten unterstand dem Generalgouverneur, der direkt dem Kaiser unterstellt war.
 
An der Nordgrenze Belgiens wurde das [[Grenzhochspannungshindernis]] errichtet, um die Flüchtlingsbewegungen nach den [[Niederlande]]n zu verhindern.
 
== Kriegsverbrechen ==
Nach dem unerwartet starken Widerstand Belgiens gegen die Invasion (bereits die [[Eroberung von Lüttich (1914)|Eroberung der Festung Lüttich]] erforderte tagelange, schwere Kämpfe) kam es in der Anfangsphase des Krieges zu vorsätzlichen Gewalttaten der Deutschen gegen die Zivilbevölkerung und zur Tötung von mehreren tausend belgischen Zivilisten. Die deutschen Truppen befürchteten und vermuteten, oft ohne konkreten Anlass, belgische Guerilla und [[Franc-tireur]]s in den Ortschaften, brannten Häuser nieder und exekutiertenermordeten Zivilisten. So gab es vereinzelte Erschießungen schon in Lüttich, später in [[Aarschot]] (156 Tote), [[Andenne]] (211 Tote), [[Tamines]] ([[Massaker von Tamines]], 383 Tote) und in [[Dinant]] ([[Massaker von Dinant]], 674 Tote).<ref>Zahlen aus: John Horne, Alan Kramer: ''Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit.'' Hamburg 2004, ISBN 3-930908-94-8, S. 636 ff.</ref> Unter den Opfern waren auch Frauen und Kinder.<ref>Alan Kramer ''Dynamic of destruction: culture and mass killing in the First World War.'' Oxford University Press, 2007, ISBN 978-0-19-280342-9, S. 1–24.</ref> In [[Provinz Brabant|Brabant]] mussten sich Nonnen unter dem Vorwand entkleiden, sie seien Spione.<ref>Jeff Lipkes: ''Rehearsals. The German Army in Belgium, August 1914.'' Leuven University Press, Löwen 2007, ISBN 978-3-515-09159-6, S. 543–574.</ref><ref>John Horne, Alan Kramer: ''Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit.'' Hamburg 2004, S. 72 ff.</ref> Ob es überhaupt eine größere Partisanenaktivität gegeben hatte, ist heute umstritten (siehe [[Franc-tireur#Erster Weltkrieg|Franc-tireurs]]).<ref>Zur These, dass die deutschen Truppen die „Franc-tireurs“ aufgrund von Feindbildern und übersteigerten Ängsten meist nur imaginiert hätten, vgl. John Horne, Alan Kramer: ''Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit.'' Hamburg 2004. Kritisch dazu [http://www.sehepunkte.de/2004/07/6108.html die Rezension] von Peter Hoeres in [[sehepunkte]] und jetzt auch Gunter Spraul, ''Der Franktireurkrieg 1914.'' Berlin 2016.</ref>
 
Der [[Deutsches Heer (Deutsches Kaiserreich)|deutschen Armee]] wurden eine Vielzahl von Übergriffen und Gräueltaten gegen die belgische Bevölkerung sowie zahlreiche Zerstörungen und Verstöße gegen die [[Haager Landkriegsordnung]] angelastet; 6.000 Belgier wurden getötet, 25.000 Gebäude in 837 Gemeinden zerstört. 1.500.000 Belgier flohen vor der deutschen Invasion (20 Prozent der belgischen Gesamtbevölkerung).<ref>Jeff Lipkes: ''Rehearsals. The German Army in Belgium, August 1914.'' Leuven University Press, Löwen 2007, ISBN 978-3-515-09159-6, S. 13.</ref><ref name="Enzy682f">Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.): ''Enzyklopädie Erster Weltkrieg.'' Paderborn 2009, ISBN 978-3-506-76578-9, S. 682 f.</ref> Die von der alliierten Propaganda weidlich ausgeschlachteten Massaker wurden von der deutschen Führung mit dem Hinweis auf angebliche Freischärler gerechtfertigt.<ref>Laurence van Ypersele: ''Belgien.'' In: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.): ''Enzyklopädie Erster Weltkrieg.'' Paderborn 2009, S. 46.</ref>
Zeile 36:
 
Die [[The Times|Times]] vom 29. August 1914 schrieb, deutsche „[[Hunnen]]“ hätten sich am „belgischen [[Oxford]]“ vergriffen.<ref>[http://www.thetimes.co.uk/tto/archive/first-world-war/article4177714.ece www.thetimes.co.uk]</ref> Der Fall von Löwen wurde letztlich zu einer moralischen und propagandistischen Katastrophe der [[Mittelmächte]]. Der wenig später erfolgte Aufruf „[[Manifest der 93|An die Kulturwelt!]]“ deutscher Wissenschaftler, in dem kategorisch bestritten wurde, dass unbescholtene belgische Bürger zu Schaden gekommen seien („''Es ist nicht wahr, daß eines einzigen belgischen Bürgers Leben und Eigentum von unseren Soldaten angetastet worden ist, ohne daß die bitterste Notwehr es gebot.''“) verschlechterte das Ansehen Deutschlands und der Deutschen Armeen im Ausland noch zusätzlich.<ref>Commission d’Enquete: ''Rapports et Documents d’Enquete.'' vol. 1, book 1, S. 679–704, vol. 1, book 2. 1922, S. 605–615.</ref>
 
In [[Provinz Brabant|Brabant]] mussten sich Nonnen unter dem Vorwand entkleiden, sie seien Spione; in [[Aarschot]] kam es im August und September zu Gewalttaten gegen Frauen. Plünderung, Mord und Vergewaltigung waren weit verbreitet.<ref>Jeff Lipkes: ''Rehearsals. The German Army in Belgium, August 1914.'' Leuven University Press, Löwen 2007, ISBN 978-3-515-09159-6, S. 164–165.</ref>
 
[[Adolf Hitler]] lobte später die Erschießungen und Deportationen im besetzten Belgien als geeignetes und vorbildhaftes Mittel zur Vergeltung von Sabotage.<ref>{{cite book |title=Hitler’s Secret Conversations |last=Hitler |first=Adolf |authorlink=Adolf Hitler |year=1953 |publisher=Farrar, Straus and Young |location=New York |pages=25}}</ref><ref>John Horne, Alan Kramer: ''Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit.'' Hamburg 2004, S. 600.</ref><ref>Werner Jochmann (Hrsg.): ''Monologe im Führerhauptquartier 1941–1944. Aufgezeichnet von Heinrich Heim.'' München 2000, S. 59.</ref>
Zeile 55 ⟶ 53:
Als der deutsche Vormarsch in Belgien weiterging, begannen die britischen Zeitungen Berichte über deutsche Gräueltaten zu veröffentlichen. Sowohl die seriösen Zeitungen wie auch die Boulevardblätter zeigten weniger Interesse an den offiziellen Berichten aus Belgien, die als {{"|endlose Aufzählung gestohlenen Wohlstands und requirierter Waren}} empfunden wurde. Stattdessen überfluteten zunehmend Aufzählungen von Schändungen und bizarren Verstümmelungen die britische Presse. Der intellektuelle Diskurs zum {{"|Fetzen Papier}} wurde dann mit metaphorischen Darstellungen Belgiens als vergewaltigter Frau versetzt, beispielhaft in den Cartoons von [[Louis Raemaekers]]<ref>{{BibISBN|0312294468|Seiten=24}}</ref>, dessen Arbeiten auch in den USA weite Verbreitung fanden.<ref>{{cite book|editor=Thomas F. Schneider|title="Huns" vs. "Corned beef": representations of the other in American and German literature and film on World War I|year=2007|publisher=V&R unipress|isbn=978-3-89971-385-5|page=68|author=Cynthia Wachtell|chapter=Representations of German Soldiers in American World War I Literature}}</ref>
 
Teile der britischen Presse, beispielsweise der Herausgeber der ''[[The Times|Times]]'' und [[Edward Tyas Cook]], äußerten Bedenken, dass willkürliche und wilde Berichte, von denen sich einige als komplett erdichtete Fälschungen erwiesen, die kraftvolle Gesamtmetaphorik schwächen würden. Deswegen forderten sie eine besser strukturierte Herangehensweise. Auch die amerikanische Presse bezweifelte den Wahrheitsgehalt vieler Berichte. Die Tatsache, dass das britische [[War Propaganda Bureau|Press Bureau]]<ref>Näheres siehe auch [[Martin Schramm]]: ''Das Deutschlandbild in der britischen Presse 1912–1919.'' Akad.-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-05-004422-4, Kapitel 5.</ref> fragwürdige Berichte nicht zensierte, brachte die britische Regierung in eine delikate Situation.
 
Das ''Committee on Alleged German Outrages'' (Komitee über mutmaßliche deutsche Grausamkeiten) war im Dezember 1914 eventuell ursprünglich lediglich dazu bestellt worden, um in diesen Fällen zu ermitteln.<ref>{{BibISBN|0312294468|Seiten=26 ff}}</ref> Bryce wurde für diese Aufgabe als besonders geeignet betrachtet, weil er vor dem Krieg deutschfreundlich eingestellt war und in den Vereinigten Staaten eine gute Reputation hatte, wo er als britischer Botschafter gearbeitet hatte.<ref name="Gullace30">{{BibISBN|0312294468|Seiten=30}}</ref> Die investigativen Anstrengungen wurden jedoch durch die beschränkte Zahl vorhandener Zeugenaussagen limitiert. So war {{"|die Kommission im Wesentlichen dazu aufgefordert (…), eine Umfrage vorzutäuschen, die den guten Namen von Lord Bryce an die Stelle der tausenden von fehlenden Namen anonymer Opfer und Geschichten setzte.}} Die Kommission veröffentlichte ihren Report im Mai 1915. [[Charles Masterman]], der Direktor des Britischen [[War Propaganda Bureau]], schrieb an Bryce: {{"|Ihr Report hat Amerika überwältigt. Wie Sie wahrscheinlich wissen, erklären sich nun auch die größten Skeptiker bekehrt, gerade weil Sie ihn unterschrieben haben!}}<ref name="Gullace30" />
Zeile 72 ⟶ 70:
=== Gerichte ===
{{Hauptartikel|Leipziger Prozesse}}
Die Leipziger Prozesse zwischen 1921 und 1927 gelten als Misserfolg, von etwa 900 deutschen Militär- und Zivilpersonen wurden letztlich nur zehn zu Freiheitsstrafen verurteilt. Keines der Verfahren zum Geschehen während des deutschen Vormarsches in Belgien endete mit einem Urteil.<ref>Gerd Hankel: ''Die Leipziger Prozesse. Deutsche Kriegsverbrechen und ihre strafrechtliche Verfolgung nach dem Ersten Weltkrieg.'' Hamburg 2003, S. 210; vgl. {{Webarchiv | url=http://www.his-online.de//uploads/media/Hankel-Leipziger-Prozesse-Buchinfo.pdf | wayback=20160916083230 | text=Klappentext }} (PDF; 1,6&nbsp;MB).</ref> In Belgien und Frankreich wurden ab 1922 Hunderte von Deutschen in Abwesenheitsverfahren verurteilt, da man die Spruchpraxis des Reichsgerichts als Farce empfand. Es gab jedoch keine Auslieferung, zudem wurden alle Verfahren in Deutschland gegen so Verurteilte auf Weisung des [[Reichsjustizministerium]]s eingestellt.<ref>Gerd Hankel: ''Die Leipziger Prozesse. Deutsche Kriegsverbrechen und ihre strafrechtliche Verfolgung nach dem Ersten Weltkrieg.'' Hamburg 2003, S. 494 f.</ref><ref>[http://ww1.habsburger.net/de/kapitel/die-leipziger-prozesse-1921-1927-zwischen-nationaler-schande-und-juristischer-farce ''Die Leipziger Prozesse (1921–1927). Zwischen nationaler Schande und juristischer Farce.''] Abgerufen am 8. November 2017.</ref>
 
=== Deutsche Bundesregierung ===
Zeile 84 ⟶ 82:
{{Zitat|Unerfahrenheit führte zur Disziplinlosigkeit unter deutschen Soldaten; Trunkenheit, ‚[[Eigenbeschuss|Friendly Fire]]‘, durch Panik verursachte Unfälle, regelmäßige Zusammenstöße mit belgischer und französischer Nachhut führten zur Konfusion; Wut auf die hartnäckige und zunächst erfolgreiche Verteidigung von [[Lüttich]] während der [[Eroberung von Lüttich (1914)|Schlacht von Lüttich]], Wut auf den belgischen Widerstand insgesamt, die nicht als Selbstverteidigung gesehen wurde; zumeist vorherrschender Hass auf den römisch-katholischen Klerus in Belgien und Frankreich; unklare oder inadäquate deutsche Frontregelungen zum Schutz von Zivilisten und Versagen der deutschen Logistik – dies alles führte zu unkontrollierten Plünderungen und Ausschreitungen etc.<ref>[http://www.vlib.us/wwi/resources/archives/texts/t040831d.html WWI Resource Centre] (Zusammenfassung von: John Horne, Alan Kramer: ''Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit.'' Hamburg 2004, ISBN 3-930908-94-8, S. 17–136.)</ref>}}
 
Das Buch von Horne und Kramer stieß unter anderem im geschichtswissenschaftlichen Rezensionsorgan [[sehepunkte]] auf Kritik: "Dadurch dass die beiden Historiker den alliierten Quellen nicht dieselbe Quellenkritik wie etwa dem offiziellen deutschen Weißbuch "Die völkerrechtswidrige Führung des belgischen Volkskriegs" von 1915 oder auch den - erfundenen - Gräuelgeschichten über abgehackte Kinderhände, abgeschnittene Brüste und vergewaltigte Nonnen angedeihen lassen, werden die von den Autoren (im französischen Fall nur mittels einer durch Analogie gebildeten Hochrechnung) errechneten über 6.000 getöteten Zivilisten und die 20.000 zerstörten Häuser allesamt als Belege für deutsche Kriegsverbrechen gewertet."<ref>[http://www.sehepunkte.de/2004/07/6108.html Sehepunkte]</ref> [[Gerd Krumeich]] kritisierte, dass Horne und Kramer den Quellenbestand von mehr als 2.000 beeideten Zeugenaussagen von deutschen Soldaten zwar eingesehen haben, diesen aber "z.T. sinnwidrig zitiert werden, und dazu nur in winzigstem Umfang."<ref>http://www.sehepunkte.de/2018/11/kommentar/gerd-krumeich-ueber-rezension-von-schuldfragen-101/</ref>
2016 legte der pensionierte Pirmasenser Studiendirektor Gunter Spraul ein umfangreiches Buch vor, das den zentralen Punkten von Horne und Kramer widerspricht.<ref>Gunter Spraul: Der Franktireurkrieg 1914. [[Frank & Timme]], Berlin 2016, ISBN 978-3-7329-0242-2.</ref> Alliierte Quellen lässt Spraul beiseite und stützt seine Kritik an John Horne und Alan Kramer im Wesentlichen auf problematische Regimentsgeschichten deutscher Einheiten, die oft erst Jahre später entstanden, ihre Grundlagen nicht preisgeben und zum Teil auch gefälscht waren. Warum belgische Greise, Frauen, Kinder und Säuglinge als vermeintliche Franktireure getötet wurden, interessiert Spraul nicht. [[Michael Epkenhans]] nennt diese Schrift darum ein „ärgerliches, rechtskonservatives Machwerk“.<ref>Michael Epkenhans: [http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/grausamkeiten-in-belgien-was-geschah-denn-nun-wirklich-14506549-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_1 ''Rezension. Spraul, Gunter: Der Franktireurkrieg 1914.''] ISBN 978-3-7329-0242-2. In: [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 1. November 2016.</ref>
 
2016 legte der pensionierte Pirmasenser Studiendirektor [[Gunter Spraul]] ein umfangreiches Buch vor, das den zentralen Punkten von Horne und Kramer widerspricht.<ref>Gunter Spraul: Der Franktireurkrieg 1914. [[Frank & Timme]], Berlin 2016, ISBN 978-3-7329-0242-2.</ref> Alliierte[[Michael QuellenEpkenhans]] lässtkonzediert Spraul, beiseiteer könne Horne und stütztKramer seine"zahlreiche Kritikfaktische anFehler Johnnachweisen. HorneManche Regimenter waren da, wo sie Verbrechen verübt haben sollen, gar nicht. Auch die Verwechslung von Namen und AlanOrten kann er belegen beziehungsweise manche militärische Verhaltensweise in Frage stellen." Allerdings kommt er zu einem kritischen Fazit: "Im weiteren Verlauf seiner Darstellung tappt er aber in die gleiche 'Falle' wie Kramer imund WesentlichenHorne. aufSo problematischewie Regimentsgeschichtendiese deutscherbeiden Einheiten,Historiker die oftdeutschen erstQuellen Jahreseiner späterMeinung entstandennach vernachlässigt haben, ihrelässt Grundlagener nichtnun preisgebendie undalliierten zum'wegen Teilihres auchgroßen gefälschtUmfangs' warenbeiseite. WarumSo belgischewie Greise,er Frauen,dem KinderAutorenteam undvorwirft, Säuglingeeinseitig alsauf vermeintlichealliierte FranktireureQuellen getötetzu wurdenvertrauen, interessiertstützt Spraul nichtdie eigene Kritik im Wesentlichen auf die Regimentsgeschichten. [[MichaelSo Epkenhans]]wie nennter dieseKramer Schriftund darumHorne einnachweist, „ärgerlicheshäufig mit Vermutungen zu arbeiten, rechtskonservativesso benutzt auch er gern das Wort 'wenig wahrscheinlich', anstatt einen schlüssigen Beweis zu Machwerk“führen."<ref>Michael Epkenhans: [http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/grausamkeiten-in-belgien-was-geschah-denn-nun-wirklich-14506549-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_1 ''Rezension. Spraul, Gunter: Der Franktireurkrieg 1914.''] ISBN 978-3-7329-0242-2. In: [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 1. November 2016.</ref>
 
Mit seiner archivgestützten Studie "Schuldfragen" unternahm der deutsch-amerikanische Kunsthistoriker [[Ulrich Keller (Kunsthistoriker)|Ulrich Keller]] eine Neubewertung. Zentrale These des Buches ist, dass es einen belgischen Franktireurkrieg (Kampfhandlungen von Zivilisten, Heckenschützen, Angriffe auf Verwundete, Überfälle auf ruhende Truppenteile) in großem Umfang tatsächlich gab und diese irregulären und völkerrechtswidrigen Angriffe auf die deutschen Truppen den Anlass für die Kriegsverbrechen im August und September 1914 bildeten.<ref>{{Literatur |Autor=Ulrich Keller |Titel=Schuldfragen: Belgischer Untergrundkrieg und deutsche Vergeltung im August 1914 |TitelErg=Mit einem Vorwort von Gerd Krumeich |Verlag=Schöningh |Ort=Paderborn |Datum=2017 |ISBN=978-3-506-78744-6}}</ref> Kellers Werk war Anlass zu einer Tagung unter Fachhistorikern. Über Existenz und Umfang irregulären belgischen Widerstands und dessen ursächliche Rolle für die deutschen Kriegsverbrechen wurde dort kein Konsens erzielt.<ref>Bastian Matteo Scianna: [https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7409 ''Tagungsbericht: German Atrocities 1914 – Revisited, 27.10.2017 Potsdam''], in: [[H-Soz-Kult]], 24. November 2017, Abruf am 21. Dezember 2017.</ref>
 
== Literatur ==