[go: nahoru, domu]

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|VERFASSUNG = [[Verfassung der Republik Tunesien]]
|STAATSOBERHAUPT = [[Präsident der Tunesischen Republik|Präsident]] [[Kais Saied]]<ref>[https://www.washingtonpost.com/world/africa/the-latest-tunisian-president-beji-caid-essebsi-dies-at-92/2019/07/25/54339d4c-aec7-11e9-9411-a608f9d0c2d3_story.html ''The Latest: UN chief says Tunisian leader a ‘pivotal figure’.''] In: ''[[The Washington Post]]'', 25. Juli 2019.</ref>
|REGIERUNGSCHEF = [[Liste der Regierungschefs von Tunesien|Premierminister]]<br />[[AhmedKamel HachaniMaddouri]]<ref>[https://www.zeitzdf.de/nachrichten/politik/ausland/2023-08/tunesien-entlassungregierungschef-regierungschefinhachani-najlaentlassen-boudensaied-100.html ''Tunesiens Präsident entlässt seineRegierungschef Ministerpräsidentin08.08.2024 | 08:06''] In: ''[[Die ZeitZDF]]'', 28. August 20232024.</ref>
|PARLAMENT = [[Abgeordnetenkammer (Tunesien)|Abgeordnetenkammer]]
|STAATSRELIGION = [[Islam]]
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* BIP/Einw. (nom.)
* BIP/Einw. (KKP)
|HDI = = 0,731732 <small> ([[Index der menschlichen Entwicklung#Hohe menschliche Entwicklung|97101.]]) (20212022) </small><ref name="HDI">{{Literatur|Hrsg=[[Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen]] |Titel=Table: Human Development Index and its components |Sammelwerk=Human Development Report 20212023/20222024|Verlag=United Nations Development Programme |Ort=New York| Datum=20222024|ISBN=978-92-1-001640358870-73|Sprache=en|Seiten=273275 | title="Inhalt gelöscht">hdr2021hdr2023-22pdf_124reporten.pdf#page=285289 |Format=PDF}}</ref>
|WÄHRUNG = [[Tunesischer Dinar]] (TND)
|WERT = 1 [[Euro]] = 2,283 TND
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|BILD2-BREITE = 326px
|BILD2-BESCHREIBUNG = Politische Karte von Tunesien
|HDI = 0,731 <small> ([[Index der menschlichen Entwicklung#Hohe menschliche Entwicklung|97.]]) (2021) </small><ref name="HDI">{{Literatur|Hrsg=[[Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen]] |Titel=Table: Human Development Index and its components |Sammelwerk=Human Development Report 2021/2022|Verlag=United Nations Development Programme |Ort=New York| Datum=2022|ISBN=978-92-1-001640-7|Sprache=en|Seiten=273 | |Format=PDF}}</ref>
}}
 
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* [[Gouvernement Tozeur|Tozeur]] {{ar|توزر&lrm;}} (Tuzer)
|}
Die GouvernementGouvernements sind wiederum verwaltungstechnisch in insgesamt 264 [[Delegation (Tunesien)|Delegationen]] (ähnlich Landkreisen) untergliedert, die ihrerseits die eigentlichen Gemeinden oder, in größeren Städten, die Stadtteile, enthalten.<ref>[https://www.alloftunisia.com/list/staedte-in-tunesien-delegation.htm Liste der Delegationen und Gemeinden in Tunesien]</ref>
 
{{Siehe auch|Liste der Gouvernements von Tunesien}}
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<!-- durchschnittliche Niederschlagsmenge für den jeweiligen Monat in mm -->
| nbjan = 70
| nbfeb = 47
| nbmär = 43
| nbapr = 42
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| rdjan = 4
| rdfeb = 3
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Am 4. Januar 2011 starb in einem Krankenhaus in Tunis [[Mohamed Bouazizi]], ein 26-jähriger Mann, an den Verletzungen, die er sich in der Provinzhauptstadt [[Sidi Bouzid (Tunesien)|Sidi Bouzid]] bei einer Selbstverbrennung am 17. Dezember 2010 zugefügt hatte. Der Gemüsehändler hatte sich selbst vor dem Gouvernementsgebäude in Brand gesetzt, um gegen die Konfiszierung seines Obst- und Gemüsestandes durch die Polizei zu protestieren.<ref name="tagi">[https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Erst-staendig-Bussen-dann-eine-Ohrfeige-/story/10039680?dossier_id=831 ''Erst ständig Bussen, dann eine Ohrfeige''.] In: ''[[Tages-Anzeiger]]'', 21. Januar 2011</ref> Es folgten Solidaritätskundgebungen im ganzen Land, die sich zu regimekritischen Kundgebungen ausweiteten. Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit mischten sich mit Kritik an Korruption und Zensur. Der Ärger der Tunesier richtete sich auch gegen die [[Kleptokratie]] in der Umgebung Ben Alis, insbesondere durch die zahlreichen Familienmitglieder seiner Frau, Angehörige der Familie Trabelsi, die aufgrund von politischer Einflussnahme wichtige Unternehmen in Tunesien in Besitz genommen haben.<ref>Pierre Tristan: [http://middleeast.about.com/od/tunisia/a/tunisia-corruption-wikileaks.htm ''Wikileaks Cable: Tunisian Corruption and President Zine el-Abidine Ben Ali''.] middleeast.about.com, abgerufen am 15. Januar 2011</ref>
[[Datei:Graffiti Tunis.jpg|mini|hochkant|Graffiti unter der Stadtautobahn von Tunis]]
Während der Unruhen kam es im Januar 2011 zur Verhängung einer Ausgangssperre über die Hauptstadt und Teile ihrer Vororte. Präsident Ben Ali reagierte auf die Unruhen mit der Ausrufung des [[Ausnahmezustand]]es. Er löste die Regierung auf und kündigte vorgezogene Neuwahlen an, bevor er, aufgrund immer lauter werdender Proteste, am 14. Januar 2011 fluchtartig das Land verließ.<ref>In Analogie zu anderen ''Farbrevolutionen'' (zum Beispiel [[Rosenrevolution]] in [[Georgien]] (2003)) bekam sie im Ausland den Namen „Jasminrevolution“. Der Jasmin ist Tunesiens Nationalblume. Schon Ben Ali hatte die Absetzung seines Vorgängers Bourguiba im Oktober 1987 als „Jasminrevolution“ bezeichnet.</ref> Die Amtsgeschäfte wurden vom Verfassungsrat interimistisch auf den Parlamentspräsidenten [[Fouad Mebazaa]] übertragen, nachdem sie kurzzeitig durch den Premierminister [[Mohamed Ghannouchi]] geführt wurden.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tunesien-im-chaos-braende-pluenderungen-feuergefechte-1582845.html |titel=Übergangs-Präsident ernannt – Militär greift ein |abruf=2011-01-15}}; vgl. auch {{Internetquelle |url=https://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,739697,00.html |titel=Verfassungsrat ernennt Parlamentspräsidenten zum Interims-Staatspräsidenten |abruf=2011-01-15}}</ref> Die von Ghannouchi gebildete Übergangsregierung kündigte Pressefreiheit und die Freilassung aller politischen Gefangenen an.<ref>[{{Internetquelle |autor=RP ONLINE |url=https://rp-online.de/politik/ausland/regierung-will-pressefreiheit-und-amnestie_aid-8939211 ''|titel=Umbruch in Tunesien: Regierung will Pressefreiheit und Amnestie''.] RP Online, |datum=2011-01-17. Januar|sprache=de 2011|abruf=2024-08-28}}</ref> Am 3. Februar 2011 kündigte Interimspräsident Mebazaâ in einer Rede an die Nation die Wahl einer [[Verfassunggebende Versammlung|Verfassunggebenden Versammlung]] an, die den „endgültigen Bruch“ mit dem Ben-Ali-System einleiten sollte.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-03/tunesien-wahl-verfassungsrat/komplettansicht |wayback=20120117231947 |text=''Tunesien auf dem Weg zu neuer Verfassung''. }} [[Die Zeit|Zeit Online]], 4. März 2011.</ref> Die tunesische Volkserhebung löste als „[[Arabischer Frühling]]“ im fast gesamten arabischen Raum ähnliche Bewegungen aus, die unter anderem in Libyen und Ägypten die dortigen Machthaber stürzten.
 
Am 23. Oktober 2011 fanden die ersten freien [[Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung Tunesiens 2011|Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung]] statt,<ref>[https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,793435,00.html{{Literatur ''|Titel=Historische Abstimmung: Tunesien geht zur ersten freien Wahl''.] [[|Sammelwerk=Der Spiegel (online)|SpiegelDatum=2011-10-23 Online]],|ISSN=2195-1349 23|>.spiegel.de/politik/ausland/historische-abstimmung-tunesien-geht-zur-ersten-freien-wahl-a-793435.html Oktober 2011|Abruf=2024-08-28}}</ref> aus denen die islamistische Partei ''Ennahda'' als stärkste mit 90 der 217 Sitze hervorging.<ref>[{{Internetquelle |url=https://www.sueddeutsche.de/politik/alle-stimmen-ausgezaehlt-islamisten-gewinnen-wahlen-in-tunesien-1.1175410 sueddeutsche.|titel=Islamisten gewinnen mit großem Vorsprung |datum=2011-10-28 |sprache=de] |abruf=2024-08-28}}</ref> Die Versammlung trat am 22. November 2011 erstmals zusammen. Mit Hilfe der Kongresspartei wurde [[Moncef Marzouki]] am 12. Dezember 2011 zum neuen Staatspräsidenten gewählt. Er ernannte am 24. Dezember [[Hamadi Jebali]] zum Ministerpräsidenten.
 
In der Verfassunggebenden Versammlung waren u.&nbsp;a. folgende Parteien vertreten:
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* die [[Tunesische Arbeiterpartei]] mit drei Sitzen
 
Die Ennahda-Bewegung wurde auch nach ihrem Wahlsieg zur Verfassungsgebenden Versammlung differenziert eingeschätzt: Deren Mitglieder seien „bürgerlich-konservative Muslime“, „moderate Islamisten“ oder „militante Islamisten“. Zwar hatte die Ennahda die Aktionen der Islamisten stets verurteilt und ihr Wahlprogramm war moderat verfasst (zum Beispiel Geschlechtergerechtigkeit), doch befürchteten nicht wenige Tunesier, dass diese Forderung als [[Leonce und Lena|Deckmantel]] nach einem Wahlsieg abgelegt werden könnte.<ref>[{{Internetquelle |url=https://www.derstandard.at/consent/tcf/1319181002927/Freie-Wahlen-in-Tunesien-Inschallah-ohne-Islamisten derstandard|titel=derStandard.at] |abruf=2024-08-28}}</ref>
 
2012/13 kam es zu Übergriffen auf Abgeordnete und Politiker, die nicht der Ennahda-Partei angehörten. Die Ermordung des linken Oppositionspolitikers [[Chokri Belaïd]] am 6. Februar 2013, eines prominenten Kritikers der Ennahda-Partei, und [[Mohamed Brahmi]]s am 15. Juli 2013 führten zu Massendemonstrationen gegen die Regierungspartei. Auch viele Frauen fühlten sich nach dem Sieg dieser Partei in ihren Rechten gefährdet, die ihnen schon Bourguiba 1956 und danach Ben Ali zugestanden hatten. So sollten sie zum Beispiel dem Mann nicht mehr „gleichgestellt“ sein, sondern ihn „ergänzen“ (Verfassungsentwurf vom August 2012).<ref>{{Der Spiegel|ID=87818615|Titel=Land der Paradoxe|Jahr=2012|Nr=34|Kommentar=Die Autorin Souad Ben Slimane über die Ängste der Frauen in ihrer Heimat und eine Gesellschaft, die sich moderner gab, als sie war}}</ref> Dagegen gab es Demonstrationen bis ins Jahr 2013. Ministerpräsident Jebali war bereits am 19. Februar zurückgetreten. Sein Nachfolger wurde der bisherige Innenminister [[Ali Larayedh]], der ein Jahr später, am 29. Januar 2014, im Rahmen eines nationalen Dialogs [[Mehdi Jomaâ]] und dessen Regierung von [[Technokratie|Technokraten]] Platz machte. Seit Ende 2014 war [[Beji Caid Essebsi]] erster demokratisch gewählter Präsident eines arabischen Landes<ref>[https://derstandard.at/2000009712085/Tunesien-Ein-alter-Mann-fuer-die-junge-Revolution ''Tunesien: Ein alter Mann für die junge Revolution'', Der Standard, 22. Dezember 2014]</ref>; er ernannte am 5. Januar 2015 [[Habib Essid]] zum Premierminister.<ref>[https://derstandard.at/2000010024978/HabibEssid-soll-Tunesiens-neuer-Premier-werden ''Habib Essid soll Tunesiens neuer Premier werden'', Der Standard, 5. Januar 2015]</ref> Am 25. Juli 2019 starb Essebsi im Amt.
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2015 wurde das [[Quartet du dialogue national|Tunesische Quartett]] für seine Bemühungen um die Demokratisierung und den nationalen Dialog nach der Revolution mit dem [[Friedensnobelpreis]] ausgezeichnet.
 
Präsident [[Kais Saied|Kaïs Saïed]] gab im September 2021 gegenüber der Öffentlichkeit an, die 2014 verabschiedete Verfassung „reformieren“ zu wollen.<ref name="aljazeera">{{Internetquelle | url=https://www.aljazeera.com/news/2021/9/12/tunisia-president-indicates-plans-to-amend-constitution | titel= Tunisia president indicates plans to amend constitution |werk=[[Aljazeera]] |datum=2021-09-12 |sprache=fren |abruf=2021-09-13}}</ref> Der Verfassungsentwurf sieht eine Ausweitung der Macht des Präsidenten gegenüber dem Parlament und der Justiz vor. Der Präsident kann Abgeordneten ihr Mandat aberkennen und setzt die Richter des Verfassungsgerichtes ein. Damit wird das Prinzip der Gewaltenteilung eingeschränkt.<ref name="Hans-Christian Rößler">Hans-Christian Rößler: ''Nur gut ein Viertel ging zur Wahl. Tunesiens neue Verfassung tritt unabhängig von der Wahlbeteiligung in Kraft.'' In: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'', 27. Juli 2022, S. 4.</ref> Am 25. Juli 2022 wurde ein Volksentscheid über die Verfassung durchgeführt. Der Verfassungsentwurf wurde mit 94,6 Prozent der abgegebenen Stimmen angenommen. Die Opposition hatte dazu aufgerufen, die Abstimmung zu boykottieren. So lag die Wahlbeteiligung bei nur 30,5 Prozent.<ref>{{Internetquelle |autor=tagesschau.de |url=https://www.tagesschau.de/ausland/tunesien-referendum-verfassung-saied-101.html |titel=Nach Referendum: Tunesiens umstrittene Verfassung angenommen |sprache=de |abruf=2022-07-27}}</ref> Es war die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Wahl in Tunesien seit der Revolution 2010/2011.<ref name="Hans-Christian Rößler" />
 
=== Frauenrechte ===
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Tunesiens [[Verteidigungsetat|Verteidigungsausgaben]] beliefen sich 2019 auf etwa 2,6 % des BIP.<ref>{{Webarchiv|url=https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/330.html#TS |wayback=20201214113204 |text=''The World Fact Book''. |archiv-bot=2022-08-17 15:57:23 InternetArchiveBot }} CIA, abgerufen am 24. Oktober 2020</ref> Es unterhält eine [[Tunesisches Heer|Armee]], die 2002 aus 27.000 Mann bestand, eine [[Tunesische Marine|Marine]] mit 4.500 Mann und einer [[Tunesische Luftstreitkräfte|Luftwaffe]] mit 3.500 Mann. Daneben gibt es eine paramilitärische [[Nationalgarde]], die 12.000 Mann umfasst.<ref>Encyclopedia of the Nations: ''[https://www.nationsencyclopedia.com/Africa/Tunisia-ARMED-FORCES.html Tunisia – Armed forces.]'' abgerufen am 1. Februar 2009.</ref> Die regulären Streitkräfte sind unter anderem mit 84 [[M60 (Kampfpanzer)|M60]]-Kampfpanzern, 120 [[M113]]-Transportpanzern, 15 [[Northrop F-5|F-5]]-Jagdflugzeugen, 12 [[Aero L-59]] und 11 [[Aermacchi MB-326|Aermacchi-MB-326]]-Ausbildungsflugzeugen sowie 40 Patrouillenbooten ausgerüstet.<ref>Global Defence: [https://web.archive.org/web/20090307162842/http://www.globaldefence.net/projekt_streitkraefte_der_welt/waffensysteme/afrika___tunesien__tunisia__165_26.html Tunesien (Tunisia) – Waffensysteme], Juli 2008, abgerufen am 16. Januar 2010</ref>
 
Es besteht Wehrpflicht für alle Männer über 20. Der Militärdienst dauert ein Jahr.<ref>War Reisters’ International: ''[http://www.wri-irg.org/co/rtba/tunisia.htm Tunisia]''. abgerufenAbgerufen am 1. Februar 2009.</ref>
 
Tunesien ist Unterzeichner des [[Atomwaffensperrvertrag]]es, der [[Chemiewaffenkonvention]] und der [[Biowaffenkonvention]]. Das tunesische Militär beteiligte sich an mehreren UN-Missionen in Äthiopien und Eritrea ([[Mission der Vereinten Nationen in Äthiopien und Eritrea|UNMEE]]) und im Kongo ([[Mission de l’Organisation des Nations Unies en République Démocratique du Congo|MONUC]]).
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=== Bodenschätze und Energie ===
Die wichtigsten Bodenschätze sind [[Phosphate]], [[Erdöl]], [[Gold]], [[Erdgas]], [[Eisenerz]]e, [[Zink]] sowie [[Blei]]. Für Januar 2006 wurden die Erdölreserven Tunesiens auf 308 Millionen Barrel geschätzt.<ref name="eia">Energy Information Administration: ''[http://www.eia.doe.gov/emeu/cabs/Arab_Maghreb_Union/Tunisia.html Arab Maghreb Union – Tunisia]''. abgerufenAbgerufen am 8. November 2008.</ref> Im Jahr 2005 wurden täglich 75.000 Barrel Öl gefördert. Tunesien ist somit nur ein sehr kleiner Ölproduzent. In Tunesiens Erdöl- und Erdgasförderung wurde in den vergangenen Jahren viel investiert und die Förderung wird 2009 bei etwa 8,4 Millionen Tonnen Öläquivalent liegen. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber 2005 von 50 %.<ref name="bfai-mi2008" /> Dies hatte für das Jahr 2007 erstmals seit langem eine ausgeglichene Energiebilanz zur Folge. Neben eigener Förderung bekommt Tunesien kostenlose Gaslieferungen als Zahlung für die Pipeline von Algerien nach Italien, die über tunesisches Gebiet verläuft. Die eigene Förderung von Energieträgern hilft dabei, die Effekte der steigenden Weltmarktpreise für Energie abzumildern.<ref name="bfai-mi2008" /> Tunesien hat nur eine einzige [[Erdölraffinerie|Raffinerie]], die in [[Bizerte]] liegt und von der [[Société Tunisienne des Industries de Raffinage]] (STIR) betrieben wird. Sie hat aber nur eine Kapazität von 34.000 Barrel pro Tag (≈ 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr).<ref name="eia" /> Eine weitere Raffinerie in [[Skhira]] ist in Bau, sie wird eine Kapazität von sechs Millionen Tonnen pro Jahr haben.<ref name="bfai-mi2008" />
 
Die Gewinnung von Phosphatmineralen (etwa 60 % [[Calciumphosphat]]) im Süden des Landes begann um 1899. Die Lagerstätten entdeckte man im Zeitraum 1885–1886. Durch die ''Compagnie des phosphates et du chemin de fer de Gafsa'' wurde zwischen der Hafenstadt Sfax und dem Abbauzentrum [[Métlaoui]] eine 200 Kilometer lange Eisenbahnstrecke errichtet. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurde die Eisenbahnerschließung in Nähe der Lagerstätten weiter ausgebaut. Der Phosphatabbau besitzt für Tunesien große [[Volkswirtschaftslehre|nationalökonomische]] Bedeutung. Um die erforderlichen Arbeitskräfte unterbringen zu können, wurden in der [[Arides Klima|semiariden]] Region zahlreiche neue Siedlungen errichtet.<ref>Horst Mensching: ''Tunesien'' (Wissenschaftliche Länderkunden, Band 1.), Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1974, S. 205.</ref>
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=== Tourismus ===
Tunesien hat mit 1300 Kilometern Küste, zumeist mit Sandstrand, und einem reichen kulturellen Erbe ein großes touristisches Potential. Der Fremdenverkehr hat sich seit Anfang der 1970er Jahre auch zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt und erwirtschaftete 2009 5,8 % des BIP.<ref name="gtai_08_2011">[https://www.gtai.de/ext/anlagen/PubAnlage_7781.pdf?show=true gtai.de] (PDF)</ref> Hatte Tunesien im Jahr 1971 221 Beherbergungsbetriebe mit 41.000 Betten, so waren es im Jahr 2005 816 Betriebe mit fast 230.000 Betten.<ref name="Bouamoud">Mohamed Bouamoud: ''Radioscopie du tourisme tunisien 2003–2006''. WMC France, 12. November 2007. {{Webarchiv|url=http://www.webmanagercenter.com/management/article.php?id=35380 |wayback=20080430185750 |text=online }}. abgerufenAbgerufen am 8. November 2008.</ref> Diese Zahlen zeigen deutlich, dass es sich dabei vor allem um Großhotelanlagen handelt. Viele dieser Clubhotels haben über 400 Zimmer. Im Jahr 2007 besuchten 6,7 Millionen Auslandsgäste Tunesien; die Einnahmen beliefen sich auf 3,05&nbsp;Milliarden Dinar. Ziele sind Küstenorte wie [[Hammamet]], [[Nabeul]], [[Sousse]] und [[Port El-Kantaoui]], [[Monastir (Tunesien)|Monastir]] und [[Mahdia]] sowie die Insel [[Djerba]] zur Erholung; von hier aus werden die Wüste [[Sahara]] im Süden erkundet oder [[Archäologie|archäologische]] Fundstellen wie [[Karthago]], nahe der im Norden des Landes gelegenen Hauptstadt [[Tunis]], besichtigt.
 
Etwas mehr als die Hälfte der Touristen stammt aus Mitteleuropa, danach folgen die Nachbarländer [[Libyen]] und [[Algerien]], die zusammen etwa 20 % der Übernachtungszahlen ausmachen.<ref>Graphik der Übernachtungszahlen der letzten 10 Jahre auf der Basis der Angaben des statistischen Instituts von Tunesien. {{Webarchiv |url=http://www.tunispro.net/tunisia/tunisiatstat1.htm |archive-is=20130222090618 |text=tunispro.net}}</ref> Demgegenüber stammen 82 % der Tourismuseinnahmen aus der EU.<ref name="EU_Trade" /> 2001 besuchten etwa eine Million Touristen aus Deutschland Tunesien, diese Zahl hat sich seitdem um 50 % reduziert. Das Tourismusministerium Tunesiens versucht, in Europa gezielt Werbung zu schalten, um das Land vom billigen Image zu befreien. Der Erfolg ist bisher ausgeblieben, direkte Konkurrenten am Tourismusmarkt wie [[Ägypten]], [[Marokko]] oder die [[Türkei]] haben höhere Zuwächse an Besuchern und Umsätzen zu verzeichnen.<ref name="bfai-mi2008">Bundesagentur für Außenwirtschaft: ''[http://www.heilbronn.ihk.de/ximages/1391587_wirtschaft.pdf Wirtschaftstrends – Tunesien Jahresmitte 2008] (PDF; 711&nbsp;kB)''. Abgerufen am 8. November 2008.</ref>
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Nach den Terroranschlägen von [[Anschlag in Tunis 2015|Tunis]] und [[Anschlag in Port El-Kantaoui 2015|Port El-Kantaoui]] in 2015 musste Tunesiens Tourismusbranche zwar Einbußen hinnehmen, erholte sich aber rasch und konnte 2018 eine Rekordzahl von 8,3 Millionen Touristen verzeichnen.<ref>https://www.iol.co.za/business-report/international/tunisia-tourism-revenues-jump-by-45-18714505</ref>
 
Infolge der [[COVID-19-Pandemie]], die von tunesischen Offiziellen als katastrophal für den Tourismussektor bezeichnet wurde, schrumpften die Einnahmen um 60 % auf 563 Millionen US-Dollar.<ref>{{Internetquelle |autor=The Jakarta Post |url=https://www.thejakartapost.com/travel/2020/09/27/pandemic-impact-on-tunisia-tourism-catastrophic.html |titel=Pandemic impact on Tunisia tourism 'catastrophic' - News |sprache=en |abruf=2024-08-28}}</ref>
 
=== Außenwirtschaft ===
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=== Architektur ===
[[Datei:Sbeitla.Tunisie.7.jpg|mini|Römische Bauten in Sbeitla]]
[[Datei:Zitouna Mosque historic evolution-de.svg|mini|Grundriss0Grundriss der Ez-Zitouna-Moschee mit historischen Bauabschnitten]]
[[Datei:Tunis sidi ben ziad 1900.jpg|mini|hochkant|Sidi ben Ziad-Moschee mit achteckigem Minarett]]
Die Architektur Tunesiens hat viele externe Einflüsse aufgenommen. Hierbei haben sich europäische und nordafrikanische Stilrichtungen mit Bautraditionen aus dem arabisch beeinflussten Mittelmeerraum gemischt.
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Die nachfolgende byzantinische Epoche hinterließ einige Befestigungsanlagen (beispielsweise [[Gafsa]], Sbeitla und Tebessa) und Kirchenbauten, wie die ehemalige Basilika von [[Sbiba]].
 
Mit den im 7. Jahrhundert beginnenden arabischen Machtstrukturen wandelten sich architektonische und künstlerische Ausdrucksformen. Es mischen sich Gestaltungselemente aus dem Kulturkreis der [[Berber]] im Maghreb, aus den ursprünglich römischen und byzantinischen Traditionen und hereinbrechenden orientalischen Einflüssen. Die wichtigsten Bauten in dieser Epoche sind Palaststädte (Qasr al-Qadīm) an den älteren Lagersiedlungen und weitere Befestigungsanlagen in [[Sfax]] und [[Sousse]]. Eine besondere Form stellen die [[Ribāt]]s dar, wobei ein Befestigungsturm auch als [[Minarett]] dienen konnte. Aus dieser Epoche stammen die ersten Moscheen in Tunesien, die in der frühen Phase noch wehrhaftewehrhaft konzipierte Bauten sind. Zu den bedeutendsten dieser Bauwerke zählen die [[Hauptmoschee von Kairouan]] und die [[Ez-Zitouna-Moschee]] von Tunis. Sie wurden im 7. bzw. 8. Jahrhundert begonnen. Als deren bauliches Vorbild gilt die [[Umayyaden-Moschee]] in [[Damaskus]]. Die Hauptmoschee von Kairouan lieferte wiederum das Vorbild für weitere Bauten in [[Spanien]] und im nordafrikanischen Raum. An mittelalterlichen Bauten wurden [[Spolie]]n verbaut, wenn sie aus zugänglichen Ruinen unter leichten Umständen geborgen werden konnten. Typisch sind jedoch Fassaden mit zweifarbigen Backsteinen. Im 10. Jahrhundert entwickelten sich unter dem Einfluss der [[Fatimiden]] und später der [[Ziriden]] immer mehr repräsentative Residenzbauten. Im 12. Jahrhundert regierten im Gebiet des heutigen Tunesiens die [[Almohaden]], die hier Einflüsse des marokkanischen Kulturkreises einbrachten.
 
Der umfangreichste Beitrag in der historischen Architektur von Tunesien stammt aus der Epoche vom 13. bis 15. Jahrhundert. Die berberisch geprägten [[Hafsiden]] übernahmen Formen und Schmuck ihrer Architektur aus den von Tunesien aus westlich gelegenen Regionen Afrikas und von der [[Iberische Halbinsel|Iberischen Halbinsel]]. Hier hatte sich bereits eine eigenständige Richtung im Bauen entwickelt, die sich aus der Kombination marokkanischer und andalusischer Einflüsse zu einer spezifischen Architektur entwickelte, die später als allgemein [[Maurischer Stil]] bezeichnet wird. In dieser Epoche entstanden an der Ez-Zitouna-Moschee von Tunis eine islamische Hochschule und an weiteren Orten [[Madrasa]]. Im Jahr 1420 eröffnet hier das ''Maristān'', das älteste islamische Krankenhaus. Es erfolgte der Ausbau von Wasserversorgungsanlagen, teilweise unter Nutzung älterer römischer Einrichtungen. Unter [[Abd al-Aziz II.]] entsteht der Hafsiden-Palast [[Nationalmuseum von Bardo|Bardo]] in Tunis, eine frühe Gartenanlage, die um 1500 durch neue Gebäude eine Erweiterung erfuhr und danach sogar über eine [[Bibliothek]] verfügte.
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=== Kunsthandwerk ===
[[Datei:Tapis Kairouan.jpg|mini|Kairouan-Teppiche]]
Tunesien hat ein reiches handwerkliches Erbe mit vielen regionalen Spezialitäten. Das Kunsthandwerk ist auch ein bedeutender Wirtschaftszweig, in dem geschätzte 300.000 Personen tätig sind.<ref>Portail National de l’Artisanat Tunisien: ''[http://www.onat.nat.tn/site/download.php?name=../document/22.pdf Artisanat à travers les chiffres 2004]''. abgerufenAbgerufen am 23. Dezember 2009.</ref> Die [[Töpferei]] ist besonders um [[Guellala]] verbreitet, während [[Nabeul]] berühmt für die Herstellung von [[Fayence]] ist. Die [[Mosaik]]kunst hat sich seit dem 2. Jahrhundert im Land verbreitet, die weltweit bedeutendste Sammlung von Mosaiken befindet sich im [[Nationalmuseum von Bardo]]. Das [[Schmieden]] kam mit den Flüchtlingen aus Andalusien nach Tunesien, heute sind besonders die blauen Fenstergitter, die an [[Maschrabiyya]] erinnern, berühmt.<ref>RAKEN Style: ''[https://web.archive.org/web/20140108021003/http://www.raken.com/style/de/historique/fer_forge.asp Das tunesische Gusseisenhandwerk]'', abgerufen am 23. Dezember 2009.</ref> Die [[Teppich]]knüpferei wurde durch die Karthager in Tunesien eingeführt, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen noch einmal starke Impulse aus dem osmanischen Reich. Heute ist das Zentrum der Teppichherstellung in und um [[Kairouan]] angesiedelt. Im Jahr 2004 wurden 200.000&nbsp;m² Woll- und 16.500&nbsp;m² Seidenteppiche hergestellt. Die Tendenz ist, aufgrund sinkender Preise, fallend. Ursprünglich hatten die tunesischen Teppiche weniger als 40.000 Knoten pro Quadratmeter; heute kann er eine Feinheit von bis zu 250.000 Knoten haben.<ref>Raken Style: ''[https://web.archive.org/web/20140709204856/http://www.raken.com/info/de/historique/tapis_tapiserie.asp Tunesische Teppiche und Wandteppiche]'', abgerufen am 23. Dezember 2009.</ref> Die traditionelle [[Tracht (Kleidung)|Tracht]] des Landes heißt [[Jebba]], an den Füßen trägt man [[Babuschen]], die für Männer aus Leder, für Frauen aus Seide oder Baumwolle mit eingewebten Silber- oder Goldfäden und meist mit Blumenmotiven versehen sind. Berühmt ist auch der Schmuck, besonders der Silberschmuck der Berber im Süden des Landes, in den häufig Münzen eingearbeitet werden.
 
=== Feiertage ===
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| Unabhängigkeitstag
| عيد الإستقلال
| Gedenktag an den 20. März [[1956]]
|-
| 9. April
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Im Mai 2007 waren in Tunesien 1673 Sportvereine registriert, davon 250 Fußball-, 206 Taekwondo-, 166 Karate-, 140 Behindertensport-, 85 Handball-, 80 Leichtathletik-, 66 Judo-, 60 Kung Fu-, 59 Kickboxing-, 48 Basketball-, 47 [[Pétanque]]-, 45 Tischtennis-, 40 Volleyball-, 37 Box-, 31 Schwimm- und 30 Tennisklubs.<ref name="portail" />
 
Der bedeutendste Sportler des Landes ist der Leichtathlet [[Mohamed Gammoudi]], der 1964/1968 vier olympische Medaillen gewinnen konnte.<ref>[http://www.sporting-heroes.net/athletics-heroes/displayhero.asp?HeroID=1553 Mohamed Gammoudi auf der Webseite ''Helden der Leichtathletik'']</ref> Weltmeister, die aus Tunesien kommen, sind [[Anis Lounifi]] (Judo, 2001) und [[Oussama Mellouli]] (Schwimmen, 2008). Als erster Tennisspielerin aus dem arabischen Raum gelang es der tunesischen Spielerin [[Ons Jabeur]], die TOP 10 der Weltrangliste zu erreichen. Im Juni 2022 stand sie auf Platz 2 der Weltrangliste. 2022 wurde sie auch Zweite beim wichtigsten Rasenturnier der Welt, dem Grand Slam von Wimbledon.
 
[[Special Olympics Tunesien]] wurde 1980 gegründet und nahm mehrmals an [[Special Olympics#Weltspiele|Special Olympics Weltspielen]] teil.
 
=== Medien ===
Es gibt in Tunesien zwei öffentliche Fernsehkanäle namens [[Télévision Tunisienne&nbsp;1]] und [[Télévision Tunisienne&nbsp;2]]. Privates Fernsehen gibt es erst seit Februar 2005, als der Betrieb von [[Hannibal TV]] begann. Seit 2007 sendet des Weiteren [[Nessma TV]]. Die Regierung betreibt vier nationale Radiostationen, nämlich [[Radio Tunis]], [[Radio Tunisie Culture]], [[Radio Jeunes]] und [[Radio Tunis Chaîne Internationale|RTCI]] sowie fünf lokale Stationen (Gafsa, El Kef, Monastir, Sfax, Tataouine).<ref>[http://www.radiotunisienne.tn/ radiotunisienne.tn] Radio Tunisienne</ref> Seit November 2003 gibt es Privatradio, momentan existieren drei Stationen, nämlich [[Mosaïque FM]] in [[Tunis]], [[Jawhara FM]] in [[Sousse]] und [[Zitouna FM]]. Zitouna FM ist größtenteils religiösen Inhalten gewidmet. Die Programme aller dieser Sender werden größtenteils auf Arabisch gesendet, ein kleinerer Teil ist auf Französisch.<ref name="media">Tunisie.com: ''{{Webarchiv|url=http://www.tunisie.com/media/ |wayback=20080331000848 |text=Les medias en Tunisie }}''. abgerufenAbgerufen am 1. Februar 2009.</ref> Hinzu kommt der regierungskritische, private Sender ohne Sendelizenz [[Radio Kalima]], dessen Programm über den Satelliten [[Hot Bird]] und als Livestream übers Internet ausgestrahlt wird.<ref>[https://web.archive.org/web/20070627232306/http://www.kalimatunisie.com/ Website von Radio Kalima]</ref>
 
Im Jahr 2007 wurden in Tunesien 245 Tageszeitungen und Zeitschriften gezählt, wovon 90 % von privaten Organisationen herausgegeben werden.<ref name="media" /> Einige Zeitungen sind [[Französische Sprache|französischsprachig]], darunter [[Le Temps Tunisie]].