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Artikel „Pfeffinger, Johannes“ von Gotthard Lechler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 624–630, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfeffinger,_Johannes&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 08:06 Uhr UTC)
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Pfeffinger: Johannes P. ist einer der gediegensten und ehrwürdigsten Männer der Reformationszeit. Sein Leben erstreckte sich bis in das 80. Jahr, zerfällt aber in drei verschiedene Perioden: die ersten 37 Jahre lassen sich als seine Lehrzeit bezeichnen; die mittleren 12 Jahre bilden eine wechselvolle Wanderzeit als Prediger des Evangeliums; der letzte Abschnitt, 33–34 Jahre umfassend, war bis an sein Ende der Stadt Leipzig und ihrer Umgebung in vielseitiger Arbeit des Kirchendienstes und Kirchenregimentes gewidmet. P. wurde geboren am Tage des Apostels Johannes, den 27. December 1493 zu Wasserburg am Inn in Baiern. Seine Eltern, ehrbare und gottesfürchtige Bürgersleute, wollten ihm eine gute Schulbildung zu Theil werden lassen, und gaben ihn, da der Unterricht an Ort und Stelle ungenügend war, nach Annaberg in die Schule. Hier lernte und übte er sich mit solchem Fleiß, daß seine Gesundheit darunter litt. Deshalb wurde er auch nicht einem Kloster übergeben, sollte vielmehr dem Unterricht sich widmen. Als indeß seine Gesundheit wieder gestärkt war, wandte er sich dem clericalen Stande zu: noch im Jünglingsalter erhielt er die niedersten Weihen als Ostiarius, Exorcista und Lector, im 22. Jahre wurde er Acoluthus, und als er das 24. Jahr erfüllt hatte, erhielt er zu Salzburg die Subdiaconatsweihen, nach Ostern 1518 die Priesterweihe, nach Einholung des [625] nöthigen Dispenses. Dieser seiner rechtmäßigen Weihe hat er sich später, römischen Anfechtungen gegenüber, gerne getröstet. Nachdem er zum Priester geweiht war, machte er es sich zur redlichen Aufgabe, Gott und der Kirche rechtschaffen zu dienen, besonders in der Predigt, so daß er bald ein beliebter Prediger wurde. Zuerst wurde er nach Reichenhall gesandt, 1519 nach Saalfelden im Pinzgau, einige Stunden südlich von Reichenhall, 1521 nach Passau, wo ihm die Stelle eines Stiftspredigers zu Theil wurde. Ueber die Mühe und Arbeit an diesen Orten klagte er später oft, und meinte, das sei Roßarbeit gewesen: man habe kein richtiges Vorbild gehabt, daher habe es große Mühe gekostet, eine Predigt auszuarbeiten; nach der Arbeit in der Hauptkirche galt es, in den Tochterkirchen den Dienst zu verrichten, was in Festzeiten ihm recht schwer geworden. Dadurch wurde aber seine Arbeitskraft gehärtet und gestählt. Bei dem allem stand der junge Priester noch völlig auf römisch-katholischem Boden. Erst als in Wittenberg Luther und Melanchthon die Lehre von dem alleinigen Verdienst Jesu Christi an das Licht gebracht hatten, gerieth er in Zweifel und inneres Schwanken. Da gelangte er denn mit der Zeit (frühestens im Jahr 1522), durch fleißiges Forschen in der Schrift, namentlich in den paulinischen Briefen, besonders im Römerbrief, zu evangelischer Einsicht und Ueberzeugung. Was seinem Herzen teuer geworden war, davon redete er auch mit seinen Amtsgenossen, und verkündigte es in seinen Predigten. Das zog die Leute dermaßen an, daß sie sich zu seinem Beichtstuhl drängten, und ihm häufig doppeltes Beichtgeld gaben: das eine sollte er mit seinem Pfarrer theilen, das andere für sich behalten. Die Folge war Neid, Eifersucht und Anschuldigung ketzerischer Ansichten. Seine Freunde wurden der Gefahr, die ihm drohte, eher inne als er selbst; und da sie Grund hatten zu befürchten, man werde ihn verhaften, drangen sie in ihn, sich zu flüchten, und verschafften ihm ein Pferd. P. gab ihren Vorstellungen nach, verließ 1523 Passau, und nahm seine Zuflucht direct nach Wittenberg, wo ihn Luther, Bugenhagen und Melanchthon gütig aufnahmen, lieb gewannen, und ihm lebenslängliche Achtung bewahrten und ihre Freundschaft mit der That erzeigten, wie denn er selbst stets als eine große Gnade Gottes das erkannte und sich dessen freute, diese hohen Werkzeuge Gottes gesehen und gehört, ihren Umgang genossen zu haben, und ihrer Freundschaft gewürdigt worden zu sein. Gegen vier Jahre lang genoß er in Wittenberg nicht nur der Ruhe und Sicherheit, sondern widmete sich auch dem theologischen Studium aufs neue und legte erst recht festen Grund evangelischer Gesinnung und Erkenntniß. Hiermit schloß diejenige Lebenszeit, welche wir seine Lehrzeit nennen zu dürfen glauben.

Die Meeresstille und glückliche Fahrt ging zu Ende. Im J. 1527 kam an ihn die Berufung zum Pfarrer in Sonnewalde, jetzt zur preußischen Niederlausitz gehörig; ein Ruf, den er nach dem Rath seiner Lehrer und Gönner annahm. In Sonnewalde arbeitete er mit treuem Fleiß und führte einen gottseligen Wandel, so daß er große Gunst und Ansehen bei der Gemeinde erlangte. Als ihn nun, ehe ein volles Jahr um war, die anhaltische Stadt Zerbst zum Pfarrer begehrte und mit Luther’s Zustimmung berief, sandte die Gemeinde Sonnewalde schleunigst eine Deputation an Luther, mit dem Gesuch, er möchte ihnen doch ihren Pfarrherrn belassen. Als dieser sah, wie ernst es diesen Leuten sei und wie lieb sie ihren Pfarrer hatten, bewilligte er ihr Gesuch und machte den Ruf nach Zerbst rückgängig. Um aber P. desto gewisser behalten zu dürfen, warben die Sonnewalder für ihn um die Tochter einer geachteten vornehmen Wittwe in der Stadt, Elisabeth Kühlstein. Mit ihr verehelichte er sich 1528 und sie wurde ihm eine fromme, tugendsame Gattin, 32 Jahre lang seines [626] Hauses Ehre und Krone. Sie schenkte ihm drei Söhne, Johannes, Paul und Martin, und eine Tochter Elisabeth. Martin starb in früher Kindheit, Johannes im 22. Jahr als Magister an der Universität Leipzig; Paul war, als der Vater starb, Pfarrer und Superintendent in Delitzsch; Elisabeth verehelichte sich mit dem Dr. theol. Heinrich Salmuth, Pastor zu St. Thomä, der nach Pfeffinger’s Tode sein Nachfolger in der Leipziger Superintendentur und im Pfarramt St. Nicolai wurde. Allein in Sonnewalde hatte Pfeffinger nicht lange Ruhe und Frieden; er wurde durch Ränke von römischer Seite verdrängt, und mußte 1530 nebst seiner hochschwangeren Ehefrau weichen, ein Schicksal, in das er sich mit mannhafter Ergebung schickte. Aber Kurfürst Johann der Beständige ernannte ihn zum Pfarrer des Klosters Eicha bei Naunhof und Albrechtshain, 4 Stunden von Leipzig entfernt, einem bis dahin beliebten Wallfahrtsort. Nun aber pilgerten zahlreiche Freunde des Evangeliums aus dem Albertinischen Leipzig nach Eicha, um die Predigt des reinen Evangeliums zu hören und das heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu empfangen. So wurde P. schon damals gewissermaßer Prediger und Seelsorger für Leipzig. Da aber der römischen Kirche starker Abbruch durch ihn geschah, stellten sich auch hier Anfeindungen und Gefährdungen seiner Person ein. Deßhalb versetzte ihn der Kurfürst, ehe er 1½ Jahre in Eicha gestanden hatte, nach Belgern an der Elbe (zwischen Mühlberg und Torgau) und übertrug ihm das Pfarramt daselbst im Jahr 1532. Hier durfte er unter kurfürstlichem Schutz in Frieden seines Amtes warten, was er mit Treue und Fleiß that, so daß ihm Liebe und Hochachtung der Gemeinde reichlich zu Theil wurde. Er wünschte sich nichts anderes, als in Belgern sein Leben zuzubringen. Aber der Mensch denkt und Gott lenkt. Nicht volle 8 Jahre durfte er dort bleiben. Die wechselvolle Wanderzeit ging aber zu Ende.

Nachdem Herzog Georg am 17. April 1539 in Dresden gestorben war, und sein evangelischer Bruder Heinrich die Regierung der meißner und thüringer Lande angetreten hatte, wurde zu Pfingsten die Reformation in Leipzig eingeführt, wobei Luther selbst und Justus Jonas die ersten evangelischen Predigten in Leipziger Hauptkirchen hielten, und Herzog Heinrich die ersten Schritte that, um evangelisches Wesen in der Stadt zu begründen. Mit dem Propst Justus Jonas und dem Wittenberger Professor der Theologie Kaspar Cruciger (Kreutziger) fand sich Freitag vor Pfingsten, den 23. Mai, auch Pfarrer P. aus Belgern in Leipzig ein, während von Gotha her am gleichen Tage im Gefolge des Kurfürsten Johann Friedrich dessen Hofprediger Friedrich Mecum (Myconius) eintraf. Mit der nachherigen dauernden Ordnung der kirchlichen Verhältnisse in Leipzig wurde nach dem Gutachten der Reformatoren auf den Wunsch des Herzogs Heinrich, mit Genehmigung des Kurfürsten, nächst Cruciger und Mecum, P. beauftragt. Er fügte sich, im Gehorsam gegen seinen Landesherrn und in Gemäßheit des Rathes und Zuspruchs von Luther und Melanchthon. Immerhin sah er diesen Auftrag nur als einen einstweiligen an, während er Pfarrer zu Belgern bleiben würde. In der That kehrte er, spätestens im August 1539, äußerst verstimmt, und entschlossen, in keinem Falle in Leipzig zu bleiben, nach Belgern zurück. Ohne Zweifel ist ihm der heimliche Widerwille, auf den er bei einem großen Theil der Bevölkerung stieß, die vielfache Friction bei Magistrat und Universität, die römische Denkart, mit der er zu thun bekam, zu stark gewesen. Allein im September desselben Jahres mußte er, infolge kurfürstlichen Befehls, sich wiederum nach Leipzig begeben, um das evangelische Kirchenwesen daselbst zu ordnen. Dessen ungeachtet sah er diesen Auftrag auch jetzt noch als einen interimistischen an, welcher höchstens Jahr und Tag dauern sollte. Erst im Laufe des Jahres 1540 setzte es der Magistrat mit Hilfe Herzog Heinrich’s durch, daß der Kurfürst ihn seines Amtes in Belgern definitiv entband, und ihm [627] befahl, das Amt eines Pfarrers zu St. Nicolai und Superintendenten über Leipzig anzutreten. Er wollte sich diesem Ruf, der ihm viel zu hoch und wichtig erschien, auch jetzt noch entziehen. Allein Luther und Philipp Melanchthon ermahnten ihn nachdrücklich, dieser Berufung nicht zu widerstehen, in ihr vielmehr den Willen Gottes zu erkennen, der ihn zu seinem Rüstzeug für diesen Posten ausersehen habe. In der That haben diese seine ehrwürdigen Gönner geholfen, den rechten Mann auf den rechten Platz zu stellen. P. hat das in ihn gesetzte Vertrauen im Laufe von mehr als 30 Jahren in jeder Beziehung vollständig gerechtfertigt.

P. war ein Mann von hervorragenden Gaben Leibes und der Seele: bei ansehnlicher stattlicher Figur, besaß er kräftige dauerhafte Gesundheit, so daß er viel Mühe und Arbeit ertragen konnte bis ins hohe Alter; er war von offenen scharfen Sinnen; den Wohlklang seines Organs (vocalitas) rühmt Luther einmal gelegentlich; daß er sehr beredt gewesen, wird mehrfach bezeugt. Sein Geist war von durchdringender Klarheit, er war im Stande das Dunkle schlicht und deutlich zu erklären, das Verwickelte zu lösen und klar zu legen, das Weitläufige kurz zu fassen, insbesondere die Anwendung der Wahrheiten zu zeigen, eine Gabe, welche Luther an ihm hoch schätzte und rühmte. P. hatte von Hause aus ein frisches fröhliches Gemüth; sein Handeln aber war allenthalben wohl überlegt und vorsichtig, im Umgang freundlich und holdselig, friedsam, aber stets aufrichtig und der Wahrheit und Billigkeit treu gegen Freund und Feind, mild und voll Barmherzigkeit gegen die Armen, von Herzen demüthig, gottesfürchtig, in seinem Wandel unsträflich, ein Vorbild seiner Gemeinde. An seinen Predigten rühmte man, wie leicht sie zu fassen, wie viel Lehre und Trost daraus zu schöpfen gewesen.

Seitdem er nun Leipzig völlig angehörte, wandte er allen Fleiß und Treue daran, die evangelische Kirche hier zu erbauen: all sein Denken und Studiren bei Tag und Nacht zielte dahin, die Seelen auf den Grund biblischer Wahrheit zu stellen; dabei rief er unablässig Gott um Erleuchtung und Hilfe an, und befliß sich, der Gemeinde mit frommem Tugendwandel voranzugehen für seine Person und mit seinem ganzen Hause, worin Gottesfurcht, Zucht und Studienfleiß der Söhne wohnte. Damit er sein hohes Amt als Oberpfarrer und Superintendent mit desto mehr Würde und Auctorität führen möchte, wurde er, nachdem die Leipziger Universität erneuert und reformirt worden, am 6. September 1543 zum Licentiaten der Theologie, sodann Mittwoch, den 10. October, mit noch vier anderen, unter denen nur der mit ihm innig befreundete, um die Universität hochverdiente Caspar Borner genannt sein möge, zum Doctor der Theologie promovirt. Von da an hielt er denn auch theologische Vorlesungen, zuerst und zumeist über Melanchthon’s Loci theologici, die er außerordentlich hoch schätzte; sodann erklärte er auch das Evangelium Matthäi. Pfeffinger’s Vorlesungen über Melanchthon’s Loci wurden ganz besonders als meisterhaft anerkannt.

Schwierige und traurige Zeiten mußte er nach Luther’s Tode erleben. Während des Schmalkaldischen Krieges wartete er seines Amtes treu und beständig, unter fleißigem Gebet, daß der erbarmungsreiche Gott seine Kirche erhalten und das Land nicht gänzlich mit dem Banne schlagen wolle. Als aber die Kriegsnoth vorüber war, mußte P. von Seiten seiner Feinde sich verdächtigen lassen, als hätte er gegen seinen Landesherrn, den jetzigen Kurfürsten Moritz, nicht treu und loyal sich gehalten. Indessen ließ sich der Kurfürst nicht gegen ihn einnehmen, erzeigte ihm vielmehr bei einem Gastmahl in der Pleißenburg, wozu er ihn geladen, alle fürstliche Huld. Bald darauf, wol noch im Laufe des Jahres 1548, erging an ihn ein ehrenvoller Ruf nach Breslau als [628] Pfarrer zu St. Maria Magdalena, der nach den betrübenden Erfahrungen der jüngsten Zeit nicht wenig Verlockendes für ihn hatte. Allein weil ihm die wohlwollende Gesinnung des Kurfürsten für Kirche und Schule gewiß geworden, und weil der Magistrat von Leipzig ihm hohes Vertrauen und Gunst erzeugte, so lehnte er den Ruf ab, um seiner Gemeinde und der Universität ferner zu dienen. Indeß trug er dafür zunächst wenig Danks davon. Denn daß er, nächst Melanchthon und Bugenhagen, in Sachen des Interims und einer ermäßigten Fassung dieses Vergleichs (Leipzig, December 1548) mit zu Rathe gezogen worden war, wurde ihm durch Männer, welche allein die berechtigten Erben lutherischen Geistes zu sein vermeinten, als Verleugnung evangelischen Bekenntnisses und als Befürwortung der päpstlichen Messe ausgelegt und verurtheilt. Ja selbst der Umstand, daß ihm, als Professor der Theologie, im J. 1549 ein Canonicat am Domstift zu Meißen zu Theil wurde, während er als Professor bis dahin gar keinen Gehalt bezogen hatte, wurde ihm verdacht, als wäre das eine Belohnung gewesen für seine Bemühung um Wiedereinführung der Messe in den evangelischen Gottesdienst.

Während es sich im J. 1548 ff. um Chorröcke und andere „Mitteldinge“ gehandelt hatte, warf sich die Anfeindung gegen P., als Schüler Melanchthon’s, später auf das Gebiet der Lehre. P. vertheidigte nämlich in mehreren akademischen Thesen (themata betitelt) vom 29. Mai 1551 und 2. Dec. 1552, ferner in „Propositiones de libero arbitrio“ und in „Quaestiones quinque de libertate voluntatis humano“ vom J. 1555, die Ansicht, welche Melanchthon in dem zweiten Stadium seiner Loci aufgestellt hatte, daß nämlich im Werk der Bekehrung der heilige Geist nicht ausschließlich thätig sei, sondern daß der Mensch selbst dabei mitwirken könne, denn der heilige Geist verfahre mit ihm nicht wie ein Bildschnitzer mit einem Holzblock oder wie der Steinmetz mit einem Steine. Gegen ihn traten Hofprediger Stoltz in Weimar, Nicolaus von Amsdorf, Matthias Flacius und Superintendent Gallus zu Regensburg auf. Die Polemik wurde so hitzig und gehässig geführt, daß P. aufs äußerste verläumdet und sittlich mißhandelt wurde. Das kränkte ihn tief, weniger um seiner eigenen Person willen, als weil die Kirche durch solches Aergerniß entstellt, der Fortschritt des Evangeliums gehemmt, die Leute zur Verachtung von Gottes Wort und Sacrament verleitet würden. Im J. 1558 ließ Nicolaus von Amsdorf zu Jena erscheinen ein hauptsächlich gegen P. gerichtetes, deutsch geschriebenes „Offentliches Bekenntniß der reinen Lare (sic) des Evangelii und Confutation der itzigen Schwermerey“. Diese Streitschrift verwirft Pfeffinger’s angebliche Irrlehre, welche derselbe in seiner Disputation ausgesprochen habe, dahin gehend, daß der Mensch mit seinen natürlichen Kräften dem Worte Gottes Beifall geben und sich zur Bekehrung anschicken und bereiten könne. Da konnte P. nicht länger schweigen. Er gab zu seiner Rechtfertigung zwei Erwiderungen gleichzeitig heraus, die eine lateinisch für die Gelehrten, die andere deutsch für die Gemeinden. Die lateinische Schrift ist betitelt: „Demonstratio manifesti mendacii, quo infamare conatus Doctorem Joannem Pfeff. (sic) libellus quidam maledicus et sycophanticus germanice editus tituli Nicolai ab Amsdorf etc.“ Witteb. 1558. Hier ist nur Vor- und Nachwort neu; den Hauptinhalt bildet ein wörtlicher Wiederabdruck der oben genannten Quaestiones quinque de libertate voluntatis humanae von 1555, worauf Amsdorfs Angriff sich bezog, 4 Bogen kl. 4°. Die deutsche Entgegnung führt den Titel: „Antwort D. Joh. Pfeffinger’s, Pastoris der Kirchen zu Leipzig. Auf die ‚Offentliche Bekenntniß der reinen Lare – Schwermerey‘, Niclasen von Ambsdorff.“ Wittenb. 1558. 5 Bogen kl. 4°. Diese für das Volk bestimmte Streitschrift ist offenbar sehr rasch geschrieben, und macht den Eindruck eines seiner guten Sache gewissen, in der Zuversicht [629] eines guten Gewissens festen, aufrichtigen Ehrenmannes, der sich schließlich, zumal gegen den Schluß hin, grober Ausfälle allerdings nicht enthält, z. B. man möge „dem alten Mann seinen Aberwitz zu gut halten“, oder, man werde finden, daß „des von Amsdorff schreiben eitel giftige Calumniae oder aberwitzige trunkenboldische Wort sind“. Was ihn am meisten empört, ist der Umstand, daß Amsdorff die angeblichen Irrlehren, die er ihm schuld gibt, nicht in seiner Disputation nachzuweisen vermochte, sondern auf eigene Faust formulirt hatte, wozu er die Schlußworte fügte: Haec ille, si recte memini. Darauf kommt P. wiederholt zurück, und erklärt: wenn man bei scharfer Prüfung seiner Disputation dasjenige darin finde, was Amsdorf ihm schuld gebe, so wolle er es leiden, daß er von jedermann für einen Irrlehrer gehalten werde, wolle seinen Irrtum bekennen, demjenigen, der ihm ihn nachweise, dafür danken, und den Irrthum öffentlich widerrufen; so B. III. Für seine Person tröstete er sich mit Melanchthon’s Wort: „Wenn du eine Beleidigung Gott anheimstellst, so ist er selbst Rächer; wenn einen Schaden, so ist er Wiedererstatter; wenn einen Schmerz, so ist er Arzt; wenn den Tod, so ist er es, der auferweckt.“ Zu solchen Prüfungen, welche ihn als Glied des kirchlichen Gemeinwesens trafen, kam auch Familientrauer und Hauskreuz: wie oben erwähnt, verlor er seinen erstgebornen Sohn Johannes, welcher bereits Magister geworden und mit Erfolg an der Universität thätig war, am 3. September 1551. Der tief betrübte Vater richtete sich an den Verheißungen und trostreichen Aussprüchen der heiligen Schrift auf, woraus sein „Trostbüchlein“ entstanden ist. Einigen Ersatz und Erquickung gewährte ihm 5 Jahre später die Promotion seines zweiten Sohnes Paul zum Magister, welcher später, im Jahr 1562, zum Pfarrer und Superintendenten in Delitzsch berufen wurde.

Ganz außerordentliche Unruhe und Sorge wurde ihm dadurch bereitet, daß er entdeckte, wie ein Mitglied der evangelischen Geistlichkeit in Leipzig die reformatorische Grundlehre von der Rechtfertigung vor Gott durch den Glauben allein, ohne Verdienst der Werke, unter der Hand zu entstellen und zu verfälschen anfing. Dieser Gefahr trat er sofort rechtzeitig entgegen, indem er im Juni 1556 ein klares und festes Bekenntniß von der „Gerechtfertigung (sic) des Menschen“ entwarf und seinen Amtsbrüdern in Leipzig vorlegte, worauf diese sämmtlich dasselbe zu unterzeichnen hatten und sich verpflichteten, in der Predigt und in allen ihren Aeußerungen sich beständig daran zu halten. Diesem Bekenntniß gab Melanchthon seinen rückhaltlosen Beifall. Vor der Hand wurde durch dieses Vorgehen Pfeffinger’s der Irrlehre gesteuert und Aergerniß in der Gemeinde verhütet. Jedoch machte sich die Irrlehre schon nach wenigen Monaten wieder bemerklich, so daß im October desselben Jahres die Aufstellung eines etwas ausführlicheren Bekenntnisses, welches gleichfalls unterzeichnet werden mußte, nothwendig wurde. Das Jahr 1560 brachte ihm ein doppeltes Herzeleid: den Tod Melanchthon’s und den seiner Ehefrau. Der Heimgang des ihm so innig verbundenen Mag. Philippus ging ihm, um des Besten der evangelischen Kirche willen, so sehr zu Herzen, daß von vielem Weinen seine Augen mehrere Monate lang außerordentlich angegriffen waren. Der Verlust seiner Gattin, die am 29. September 1560 starb, war für den nahezu 67jährigen ein unaussprechlicher Schmerz. Die einzige Tochter erzeigte ihm von da an verdoppelte kindliche Liebe in seiner Pflege und der Führung des Haushalts. Bei zunehmendem Alter schenkte ihm Gott doch so viel Kraft Leibes und der Seele, daß er seinem Amte noch vorstehen und dessen Pflichten erfüllen konnte. Vorzüglich aber wurde sein Gebet je mehr und mehr anhaltend, seine Fürbitte für die Kirche Christi, für Stadt und Land, und sein Gebet für sich selbst, zumal um ein seliges Ende.

[630] Am Sonntag Cantate des Jahres 1568 beging er das 50jährige Jubiläum seiner ersten Messe mit Lob und Dank gegen Gott in Gegenwart etlicher Freunde sowie einiger Mitglieder des Magistrats. Aber auch jetzt noch, ja selbst nach einer lebensgefährlichen Krankheit im J. 1571, arbeitete er treu und unermüdlich fort. Im October des genannten Jahres wohnte er, auf Befehl der kurfürstlichen Regierung, einem Theologenconvente zu Dresden bei, als eine Zierde dieser Versammlung, von der sich der 78jährige schließlich in erbaulicher und rührender Weise verabschiedete. Am 4. Adventssonntage 1572 predigte er in der Nicolaikirche zum letzten Mal vor seiner Gemeinde. Zwei Tage darauf befiel ihn, des Steines halber, ein Fieber, welches ohne sonderliche Schmerzen und mit Pausen zehn Tage währte. Am Neujahrstag 1573 entschlief er Nachmittags 3 Uhr sanft und stille, nachdem er seine Seele in Jesu Hände befohlen hatte. Er stand im 80. Lebensjahr, im 55. des geistlichen Amtes, im 34. seiner Amtsführung in Leipzig. Die Bürgerschaft Leipzigs hatte bis zum J. 1539 um der evangelischen Wahrheit willen zwanzig Jahre lang so viel gethan und gelitten, daß sie einen so gottesfürchtigen, treuen und trefflichen Mann, wie P. war, als ersten evangelisch-lutherischen Pfarrer verdiente.

Die urkundlichsten und ältesten Nachrichten über Pfeffinger’s Lebensgang und Charakter gibt die der „Leichpredigt“ des Diaconus Lorenz Mathesius (am 3. Januar 1573 gehalten) vorausgeschickte, dem Magistrat von Leipzig gewidmete, mit dem Bilde Pfeffinger’s in Holzschnitt geschmückte Aufzeichnung aus der Feder des Lic. Theol. und Superintendenten zu Grimma, Balthasar Sartorius. Dieselbe ist datirt den 1. April 1573, umfaßt 6 Bogen kl. 4°, und verdient, da der Verfasser als Schwiegersohn der einzigen Tochter Pfeffinger’s, der verehelichten Salmuth, sich darauf beruft, daß er oftmals ihn habe von seinem Leben erzählen hören, vollkommenen Glauben.