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ArchivDeutsches Ärzteblatt15/2024Robert Koch-Institut: Bundeskabinett unterstützt Aufspaltung

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Robert Koch-Institut: Bundeskabinett unterstützt Aufspaltung

Maybaum, Thorsten; Hillienhof, Arne

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Das Bundeskabinett stellt sich hinter die Aufsplittung des Robert Koch-Instituts. Es hat die bisherigen Pläne aus dem Bundesministerium für Gesundheit für eine neue Bundesoberbehörde trotz heftiger Kritik aus Fachkreisen unverändert verabschiedet.

Das Robert Koch-Institut soll Teile seines bisherigen Aufgabengebietes an eine neue Bundesoberbehörde abtreten. Foto: picture alliance/Philipp Znidar
Das Robert Koch-Institut soll Teile seines bisherigen Aufgabengebietes an eine neue Bundesoberbehörde abtreten. Foto: picture alliance/Philipp Znidar

Deutschland soll zum 1. Januar 2025 eine neue Bundesoberbehörde bekommen: das „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM)“. Das ist der Wille des Bundeskabinetts. Das Vorhaben ist damit auf dem Weg in das parlamentarische Verfahren. Die Pläne aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) müssen aber noch von den Abgeordneten im Bundestag abgesegnet werden. Vorgesehen ist zum einen, mit dem BIPAM die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu ersetzen. Zum anderen soll die Abteilung 2 „Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring“ mit dem Arbeitsschwerpunkt der nicht übertragbaren Krankheiten aus dem RKI herausgelöst und ebenfalls dem BIPAM zugeschlagen werden. Damit sollen die Aufgaben des RKI im Bereich der Gesundheitsberichterstattung an das neue BIPAM übergehen. Ebenso sollen dort die Krebsregisterdaten geführt werden. Das BIPAM soll also künftig die Daten zum Gesundheitszustand der Bevölkerung, zu den gesundheitlichen Auswirkungen durch Klima und Umwelt und gesundheitlichen Verhaltensweisen – auch im Blick auf Kosten des Gesundheitssystems – erheben und analysieren. Diese Erkenntnisse sollen als Grundlage dienen, politische und strategische Entscheidungen zu treffen. Das BIPAM soll dabei eng mit dem RKI zusammenarbeiten, wie es heißt. Aufgabe der neuen Bundesoberbehörde soll es darüber hinaus sein, die Koordination zwischen Bundesebene und den Gesundheitsämtern zu verbessern. Daneben soll das BIPAM die Bevölkerung verständlich über Gesundheitsrisiken, Präventionsmöglichkeiten und „Maßnahmen im gesundheitlichen Krisenfall“ informieren. Es soll auch Ideen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention, einschließlich Vorsorge und Früherkennung von Krankheiten entwickeln und die Umsetzung unterstützen. Die Verminderung von Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht und Bewegungsarmut sei eine wichtige Aufgabe, hieß es vom BMG. Dadurch würden gefährliche Erkrankungen wie Krebs, kardiovaskuläre und psychische Erkrankungen adressiert. Auch gehe es im BIPAM um Themen wie die gesundheitliche Chancengleichheit und mentale Gesundheit. Das RKI soll weiter für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren und mit ihnen im Zusammenhang stehenden nicht übertragbaren Krankheiten zuständig sein. Ebenso sollen die Aufgaben „der epidemiologischen Untersuchungen auf dem Gebiet der übertragbaren und mit ihnen im Zusammenhang stehenden nicht übertragbaren Krankheiten einschließlich der Erkennung und Bewertung von Risiken sowie der Dokumentation und Information“ in der Hand des RKI verbleiben.

Deutliche Kritik am Gesetz

Im Vorfeld hatte es heftige Kritik an der geplanten Aufspaltung gegeben. Eine Expertenanhörung im Bundestag hatte viel Gegenwind gebracht. Im Kern gehen die Fachleute davon aus, dass die Aufspaltung des RKI zu einer Schwächung der Öffentlichen Gesundheit und des RKI führen wird. Der Beirat Gesundheitsmonitoring und Gesundheitsberichterstattung, der das RKI berät, warnte das BMG und die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses im Bundestag sogar kürzlich in einem Schreiben direkt vor den Folgen der Reform. Man sehe den Entwurf des Gesetzes „mit großer Sorge“, schreibt die Psychologin Prof. Dr. Susanne Wurm, Vorsitzende des Beirates für Gesundheitsmonitoring und Gesundheitsberichterstattung, an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Staatssekretärin Antje Draheim und die zuständige Abteilungsleiterin Ute Teichert sowie die Parlamentarier im Gesundheitsausschuss des Bundestages.


„Der Beirat hält die vorgesehene
Ausgliederung der Abteilung 2 [...] für grundlegend falsch.“

Auszug aus der Stellungnahme des Beirats Gesundheitsmonitoring und Gesundheitsberichterstattung des Robert Koch-Instituts


Der Beirat halte die vorgesehene Ausgliederung der Abteilung 2 mit dem Arbeitsschwerpunkt der nicht übertragbaren Krankheiten aus dem RKI und die damit verbundene Trennung von übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten für „grundlegend falsch“. Man erwarte durch den Umbau „eine erhebliche und nachhaltige Schwächung des wichtigen Gesundheitsmonitorings und der Gesundheitsberichterstattung“. Die Pläne stünden „in klarem Widerspruch zu dem hohen Bedarf an aktuellen, qualitätsgesicherten Daten zu Gesundheit in Deutschland und dem erklärten Ziel, Public Health in Deutschland zu stärken“. Der Beirat fürchtet darüber hinaus Reputations- und Vertrauensverluste. Scharfe Kritik kommt auch von sozialmedizinischen und Public-Health-Fachgesellschaften. „Der aus der Fachwelt erwartete und erhoffte institutionelle Rahmen, um Public Health in Deutschland zusammenzuführen und neu auszurichten, ist aus unserer Sicht ausgeblieben“, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention, der Deutschen Gesellschaft für Public Health, der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie und der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie. Die geplante Konstruktion des BIPAM wird aus Sicht dieser Gesellschaften Public Health eher schwächen, weil es „einer zentralen, funktionierenden und bewährten Institution“ – nämlich dem RKI – wichtige Arbeitsbereiche entziehe, die neu geschaffene Institution aber finanziell unzureichend aufgestellt werde. „Sowohl die Prävention übertragbarer und nicht übertragbarer Erkrankungen als auch die Reaktion auf gesundheitliche Krisen wird damit erschwert“, warnen die Fachgesellschaften. „Es ist aus unserer Sicht völlig unverständlich, warum Herr Lauterbach entgegen allen Empfehlungen der Fachgesellschaften, ein international renommiertes Gesundheitsforschungsinstitut zerschlagen will, das in den letzten 30 Jahren zusammengewachsen ist und Expertise zu übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten vereint“, sagte Karen Spannenkrebs vom Verein demokratischer Ärzt*innen. Kritisch sieht diesen Aspekt auch der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD).

Lauterbach unbeeindruckt

Der Verband findet aber auch Gutes am Kabinettsentwurf. „Mit dem BIPAM besteht die Chance, die historisch bedingte bevölkerungsmedizinische Lücke im deutschen Forschungs- und Versorgungssystem zu schließen“, sagte Dr. med. Emanuel Wiggerich vom BVÖGD. „Auch wenn es derzeit Stimmen gibt, die das Vorhaben komplett infrage stellen, ist für mich weiter klar: So wie es bisher war, kann es nicht bleiben“, sagte Johannes Wagner (Grüne), Mitglied im Ausschuss für Gesundheit. Die Pandemie habe Schwachstellen in der Öffentlichen Gesundheit aufgezeigt, an die man ranmüsse. Der Minister selbst zeigte sich von all der Kritik unbeeindruckt. „Mit dem BIPAM fördern wir den Austausch von Wissenschaft, Politik und Praxis und stärken endlich die Prävention in der Bevölkerung“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss. Das werde helfen, chronische Krankheiten und deren kostenintensive Behandlungen zu vermeiden. Er betonte vor der Presse, man habe „in der Vorbeugestruktur bisher eine sehr gute Einrichtung, das Robert Koch-Institut für die Infektionskrankheiten“. Es brauche allerdings auch Vorbeugearbeit, Kommunikation, Modellierung und künstliche Intelligenznutzung im Bereich der nicht übertragbaren Erkrankungen.

Info

Das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) soll seinen Hauptsitz in Köln und einen Standort in Berlin haben. Vorgesehen ist, dass 334 Beschäftigte der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in die Bundesoberbehörde überführt werden. Aus dem Robert Koch-Institut sollen 108 Beschäftigte ins BIPAM wechseln.

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