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ADB:Mundt, Theodor

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Artikel „Mundt, Theodor“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 10–12, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mundt,_Theodor&oldid=- (Version vom 9. November 2024, 12:52 Uhr UTC)
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Mundt: Theodor M. wurde am 19. September 1808 zu Potsdam als der Sohn eines Rechnungsbeamten geboren, kam frühe nach Berlin, besuchte hier das Joachimsthal’sche Gymnasium und widmete sich dann auf der dortigen Universität dem Studium der Philosophie und Philologie. Seit 1832 lebte er eine Zeit lang in Leipzig als Mitredacteur der „Blätter für litterarische Unterhaltung“, wandte sich aber dann wieder nach Berlin, um sich hier als akademischer Lehrer zu habilitiren. Doch waren seine Bemühungen erfolglos, da man M. dem sogenannten „Jungen Deutschland“ zuzählte, und so wurde er mehr und mehr in die Bahn eines Schriftstellers hineingedrängt. Nach mehreren größeren Reisen ließ er sich 1839 dauernd in Berlin nieder und verheirathete sich noch in demselben Jahre mit Klara Müller, der später unter dem Namen Luise Mühlbach (s. d.) berühmt gewordenen Schriftstellerin. Durch Schellings Verwendung wurde M. endlich 1842 Privatdocent in der philosophischen Facultät der Berliner Universität, im Jahre 1848 aber, meist wol, um ihn aus dem Herde der revolutionären Bewegung in der Hauptstadt zu entfernen, als Professor der allgemeinen Litteratur und Geschichte an die Universität Breslau versetzt. Durch die Gunst der Umstände schon 1850 nach Berlin zurückberufen, nahm er hier für kurze Zeit seine Vorlesungen wieder auf, bekleidete aber daneben, und für die Folge ausschließlich ein Amt als Universitätsbibliothekar, bis ein Streit mit Pertz seine Beseitigung mit Wartegeld zur Folge hatte. M. starb in Berlin am 30. November 1861. – Als Schriftsteller war M. ohne Frage ein Talent von großer Beweglichkeit, aber trotz seiner zahlreichen Schriften, welche die mannigfaltigsten Stoffe behandeln, ist er doch nie recht populär geworden. Seine Thätigkeit als Schriftsteller läßt sich nach zwei bestimmten Zeiträumen scheiden, von denen der erste etwa bis zum Jahre 1840 reicht und durch seine jungdeutschen Jugendarbeiten ausgefüllt wird. Den Mittelpunct derselben bildet die „Madonna, Gespräche mit einer Heiligen“ (1835), eine Mischung von Reisebildern, Novellen, Doctrinen in einem glänzenden, aber oft forcirten Stile. Der Grundgedanke dieser Arbeit ist eine Apotheose des Fleisches [11] und der Sinnlichkeit, die hier mit großer Ungenirtheit, an vielen Stellen sogar mit leidenschaftlicher Gluth zu Tage tritt, während in seinen ersten Romanen „Das Duett“ (1831), „Madelon oder die Romantiker in Paris“ (1832), „Der Basilisk“ (1833), die Emancipationsideen des jungen Deutschland noch in der Entwickelung verharren und ein unklarer Hegelianismus seine phantastischen Blüthen treibt. Die „Modernen Lebenswirren. Briefe und Zeitabenteuer eines Salzschreibers“ (1834) nennt Gottschall ein „Buch der Interjectionen“; der Held des Romans schwärmt als echter Repräsentant seines Volkes für alle modernen weltbewegenden Ideen, für Fortschritt, Conservatismus, Absolutismus, Aristokratie und Demokratie: das ganze ist eine Ironie auf die socialen Zustände jener Zeit. Tüchtiger als in diesen novellistischen Arbeiten erwies sich M. in seinen litterarisch-kritischen Werken („Kritische Wälder“, 1833; „Die Kunst der deutschen Prosa“, 1837), besonders aber in seinen Reiseberichten „Spaziergänge und Weltfahrten“ (III, 1838–40) und „Völkerschau auf Reisen“ (1840), in denen sich geistig lebendige, gedankenreiche Schilderungen von Personen, Zuständen und Gegenden finden. Den bleibendsten Werth kann man Mundt’s Charakteristiken zuschreiben, die er in der von Varnhagen veranstalteten Herausgabe des litterarischen Nachlasses und Briefwechsels von Knebel lieferte, seiner Charakterisirung des Fürsten Pückler in Büchner’s „Deutschem Tagebuche“ (1835) und der Charakteristik der unglücklichen Charlotte Stieglitz („Ein Denkmal“ 1835), obwohl die Verherrlichung derselben als Märtyrerin auf ganz schiefen sittlichen Voraussetzungen beruht. Eine reiche Thätigkeit entfaltete M. in dem ersten Zeitraum seines Schriftstellerthums auch als Journalist und Publicist. Außer der politischen Flugschrift „Die Einheit Deutschlands in politischer und ideeller Entwicklung“ (1832) sind hier besonders seine Zeitschriften zu erwähnen „Der litterarische Zodiakus“ (1835), der einem baldigen Verbote erlag, die „Dioskuren für Kunst und Wissenschaft“ (1836–37), das Taschenbuch „Delphin“ (1837–38), der „Freihafen“ (1837–44) und endlich „Der Pilot“ (seit 1840). Eine große Lebensfähigkeit hatte keins dieser Journale aufzuweisen, obwol M. bemüht war, dem Journalismus eine wissenschaftliche Färbung und größeren Ernst zu geben und anerkannte Männer der Wissenschaft in die Interessen der jungen litterarischen Kreise zu ziehen. – In dem folgenden Zeitraum scheidet sich Mundt’s litterarische Thätigkeit in zwei Gruppen: Production und wissenschaftliche Leistungen. Die letzteren sind nicht alle von gleichem Werthe, zeichnen sich aber durch eine glänzende Stilistik aus. Am bedeutendsten ist seine „Geschichte der Litteratur der Gegenwart vom Jahre 1789 bis zur neuesten Zeit“ (1842; 2. Aufl. 1853), die überhaupt zu seinen besten litterärgeschichtlichen Werken gehört. Mit Wärme und Begeisterung geschrieben, kommen die einzelnen Entwicklungsstufen der Litteratur mit großer Uebersichtlichkeit zur Darstellung, werden besonders die hervorragenden Erscheinungen in geistvoller Weise geschildert. Weniger gründlich und übersichtlich ist Mundt’s „Allgemeine Litteraturgeschichte“ (III, 1846), während seine „Dramaturgie oder Theorie und Geschichte der dramatischen Kunst“ (II, 1849) den Stoff gewandt gruppirt, sonst aber wenig Neues bietet. Das letztere gilt auch von der „Götterwelt der alten Völker“ (1846), der „Staatsberedsamkeit der neueren Völker“ (1848) und dem „Katechismus der Politik“ (1848), die mehr für den Bildungsbedarf des Publicums geschrieben sind. Wo M. größere wissenschaftliche Anläufe zu nehmen scheint, wie in der „Aesthetik“ (1845), der „Geschichte der Gesellschaft“ (1844), der „Geschichte der deutschen Stände“ (1853), bringt er doch nur alte Gedanken in neuer Form; ihm fehlt das organisatorische Denken, das er durch Reflexionen zu verbergen sucht, so daß seine Darstellung oft in Schönrednerei verläuft. Großes Interesse dagegen gewähren diejenigen Schriften Mundt’s, welche die [12] Charakteristik der Zeit und der in ihr besonders hervortretenden Persönlichkeiten zum Gegenstande haben. Schon in seinem „Macchiavelli“ (1851) beweist er, daß er in der Entwickelung eines gegebenen politischen Systems und in der Charakteristik einer bestimmten historischen Persönlichkeit ungemein glücklich ist. Mehr noch tritt dies in den Schriften „Der Kampf um das schwarze Meer“ (1855), „Krim Girai, ein Bundesgenosse Friedrichs des Großen“ (1855), „Italienische Skizzen“ (IV, 1858–60), „Pariser Skizzen“ (II, 1857), „Paris und Louis Napoleon“ (II, 1858) hervor. Der Held und Mittelpunct fast aller dieser Bilder ist der dritte Napoleon, und keinem andern deutschen Schriftsteller verdanken wir so gründliche Studien des zweiten Napoleonischen Kaiserreichs, seiner äußeren Politik und seiner inneren gesellschaftlichen Zustände, wie gerade M. „Seine Pariser Culturbilder sind von graciöser Lebendigkeit, die Porträts eines Pius IX., Victor Emanuel, Cavour, Mazzini, Garibaldi u. a. gehören zu den gelungensten Brustbildern von Zeitgenossen und zeichnen sich gleichmäßig durch warmes Colorit und geistvolle Auffassung aus“. Den poetischen Productionen Mundt’s kann man gleiche Anerkennung nicht zollen. Seine historischen Romane „Thomas Münzer“ (III, 1841), „Graf Mirabeau“ (IV, 1858), „Robespierre“ (III, 1859) bekunden zwar ein gründliches Studium der einschläglichen Litteratur und geben uns ein wohlgelungenes Bild von den Zeiten des Bauernkrieges und der französischen Revolution; aber die Fülle historischen Materials drückt die poetische Gestaltung vollständig nieder, und letzterer kann auch weder durch die geistreichen und blendenden Gedanken noch durch den blumenreichen und phrasenhaften Stil aufgeholfen werden. Noch unbedeutender ist „Mendoza, der Vater der Schelme“ (II, 1847). Der Roman „Die Matadore“ (II, 1850) behandelt den Grundgedanken, daß unsere Zeit keine großen Männer und Helden mehr hervorbringt, sondern nur Matadore; aber die dichterische Verwirklichung dieses Gedankens fehlt und wird am allerwenigsten durch das Heranziehen aller möglichen Verhältnisse und das Besprechen aller auf der Tagesordnung stehenden Fragen erreicht. Viel ansprechender sind Mundt’s kleinere Romane und Novellen, von denen besonders „Carmela oder die Wiedertaufe“ (1844) hervorzuheben ist; in diesem kleinen Roman ist es dem Dichter gelungen, Bild und Idee künstlerisch zu verknüpfen.

Männer der Zeit, (Leipzig 1862) I, S. 427. – H. Kurz, Geschichte der deutschen Litteratur, IV, S. 671. – R. Gottschall, Die deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrhunderts, II, S. 104 ff. – Koner, Gelehrtes Berlin im Jahre 1845, S. 252.