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ADB:Schadow, Gottfried

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Artikel „Schadow, Johann Gottfried“ von Lionel von Donop in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 498–512, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schadow,_Gottfried&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 12:56 Uhr UTC)
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Schadow: Johann Gottfried S., Bildhauer von hervorragend kunstgeschichtlicher Bedeutung. Als nach dem ruhmvollen Auftreten Schlüter’s, dem Architektur und Plastik in Berlin eine neue Blüthe verdankten, die künstlerischen Bestrebungen sich gelockert hatten, war S. einer der Ersten, welche durch die Rückkehr zur Natur und den antiken Vorbildern der deutschen Kunst eine glänzende Entwicklung verhießen. Das Andenken des Meisters ist, von trefflichen Vorarbeiten abgesehen, bisher noch durch keine erschöpfende Monographie gewürdigt.

Gottfried S. ist aus dem Handwerkerstande hervorgegangen und wurde am 20. Mai 1764 in Berlin als der älteste Sohn des Schneidermeisters Hans S. geboren, der nach Abschluß des Hubertsburger Friedens aus dem benachbarten Zossen nach Berlin übergesiedelt war. Seiner aufgeweckten Mutter, die auf dem Lande geboren, ihre Erziehung im Hause eines Oheims in Berlin genossen hatte, verdankte der Knabe die ersten gemüthsbestimmenden und geistigen Anregungen. Früh erwachte in ihm Lust und Talent zum Zeichnen. Der Erwerbsfleiß des Vaters ermöglichte eine angemessene Ausbildung seiner vier Kinder, doch mit Verzicht auf den als Luxus angesehenen Zeichenunterricht. Das Glück sorgte rechtzeitig für die Ausfüllung dieser Lücke. Selvino, ein Gehülfe des Hofbildhauers Jean Pierre Antoine Tassaert (1729–1788), der durch Friedrich d. Gr. nach Berlin berufen war, wurde dem jungen S. im Zeichnen behülflich, um dadurch seine beim Vater S. gemachten Kleiderschulden zu tilgen. Er und Godecharles, ein zweiter Gehülfe des Meisters, führten den vielversprechenden Knaben in das Haus Tassaert’s ein. Frau Marie T., geb. de Morau aus Paris, (nicht Félicité Henriette T., die als Pastellmalerin bekannt gewordene älteste Tochter Tassaert’s) hieß den jungen S. als Genossen ihrer Kinder, die er in der Uebung der deutschen Sprache fördern sollte, willkommen. Er selbst erlernte damals spielend die französische Sprache, deren Kenntniß in den Friedericianischen Tagen als Zeichen höherer Bildung galt und gewann die Zuneigung seiner Wohlthäterin in dem Maaße, daß sie ihn im Zeichnen unterwies. Kupferstiche nach Rubens und Boucher, den die Lehrerin als den größten Künstler aller Zeiten pries, waren die Vorlagen, nach welchen er über Jahr und Tag eifrig zeichnete. Als S. auch in der Werkstatt Tassaert’s heimisch wurde und die Arbeiten näher zu beobachten Gelegenheit fand, entschloß er sich, die Ausübung der Bildhauerkunst als seinen Lebensberuf zu wählen und trat im J. 1776 als Schüler jenes Meisters ein. Tassaert war ein angesehener Vertreter der damals vorherrschenden französischen Kunst, der die Grazie der Formgebung höher stellte, als die einfache und natürliche Schönheit der Antike. Andererseits erwarb er sich durch wegweisende Lehre und Beispiel auf dem Gebiete der Porträtplastik um die fernere Entwicklung ein nicht zu unterschätzendes Verdienst. In seinen Marmorstandbildern von Friedrich’s Feldherren Seidlitz und Keith (die Originalwerke im Kadettenhause zu Lichterfelde, von Kiß nachgebildete Broncestatuen auf dem Wilhelmsplatze zu Berlin) suchte er mit echt monumentalem Sinne das Charakteristische der Erscheinung zu wahren und dadurch, wenn auch unbewußt, dem Rococo entgegen zu arbeiten. Er machte auch bereits mit bestem Erfolg den Versuch, seine Helden in ihrer vollen Zeittracht darzustellen, so daß S. mit Vertrauen seiner Kunstrichtung sich anschließen konnte. Des feineren Geschmacks zwar und der freieren Behandlung, wie sie dieser später in seinen Werken bethätigte, entbehrte Tassaert. Für die Entwicklung des Schülers war indeß die Lehrzeit bei diesem tüchtigen Meister von entscheidender Bedeutung, denn das Handwerkliche seiner Kunst erlernte er auf das gründlichste. Es war nach eigner Aussage seine tägliche Aufgabe, „nach Gips zu zeichnen, Thon zu kneten, zu bossiren, Formen in Gips auszugießen, zu repariren, in Marmor zu ebauchiren, zu schleifen u. s. w.“ Daneben betrieb [499] er emsig die Zeichnenstudien auf der vom Maler Le Sueur geleiteten Akademie. Als während dieser Lehrzeit der im Bau begriffene Thurm der deutschen Gensd’armenmarktkirche am 28. Juli 1781 einstürzte, veranlaßte Tassaert seinen Schüler zu einer Zeichnung nach jener Ruine (in der Nationalgalerie), die er als seine erste Leistung vor der Oeffentlichkeit ausdrücklich erwähnt. Durch Fleiß und Gelehrigkeit erwarb er sich die volle Anerkennung seines Lehrers; so daß dieser dem 19jährigen Jünglinge nach Godecharles’ Abgange eine Jahrespension von 300 Thalern erwirkte. Die Fürsprache seines Wohlthäters ermöglichte S. zu Gunsten seiner weiteren geistigen Ausbildung den Zutritt in einige der angesehensten Häuser Berlins, so beim Hofmaler Frisch und beim Hofrath Dr. Marcus Herz, dessen geistvolle Frau Henriette geb. Lemos in einer vortrefflichen Büste im J. 1783 von ihm modellirt wurde. Aus diesen frühen Tagen stammen die kleinen Porträts von Tassaert und Selvino im sogen. Schadow-Album (Eigenthum der Frau Eugenie Schadow in Berlin), welche die auf sichere Nachbildung der Natur gerichtete Veranlagung des jugendlichen Künstlers bezeugen. Den Wunsch Tassaert’s, ihn als Schwiegersohn an sein Haus zu fesseln, durchkreuzte S. dadurch, daß er sich im J. 1785 mit Marianne Devidels, der schönen Tochter eines wohlhabenden Hofjuweliers in Wien, verlobte und unter Verzichtleistung auf alle günstigen Aussichten in der Heimath, mit ihr aus Berlin nach dem Süden entfloh und in Triest unter nachträglicher Genehmigung der Eltern im Alter von 21 Jahren den Ehebund schloß. Indem der Schwiegervater die Mittel zu einer mehrjährigen Studienreise (im Mai 1785) nach Italien bewilligte, trat für S. eine überaus glückliche Wendung in seinem Künstlerleben ein.

Er reifte in dieser Zeit zum selbständigen Künstler heran. Bereits in Florenz glaubte er durch den Anblick der Werke Michelangelo’s und Giovanni da Bologna’s einen befreienden Einfluß auf sich zu verspüren. Vollends öffneten ihm in Rom die Antike und Renaissance die Augen. Vorübergehend schloß er sich an Trippel an, während der Umgang mit Canova ihm lehrreicher schien. Mit unermüdlicher Beharrlichkeit studirte er die Gipsabdrücke in der französischen Akademie und die antiken Bildwerke in den Sammlungen des Vaticans und Capitols. Die römische Porträtbildnerei und namentlich die Reliefplastik mit ihrem geschichtlich realen Charakter waren für ihn von gleicher Bedeutung, wie das lebende Modell. Die zahlreichen Zeichnungen aus seinen italienischen Lehrjahren nach der Natur, nach Statuen, Reliefs und Gemälden der großen Meister des 15. und 16. Jahrhunderts, u. a. die aus dem Gedächtniß gezeichnete „Kreuzigung“ nach Daniel da Volterra, sowie eigene Compositionsentwürfe nach classischen Motiven beweisen die Schärfe seines Künstlerblicks und die Sicherheit der Hand. Dabei schützte ihn sein selbständiges, autodidaktisches Verfahren beim Naturstudium vor jeder äußerlichen Nachahmung der Antike, vor dem leeren Idealismus. Die Reinheit und Vollkommenheit der alten Kunst galt in seinem Auge nur als läuterndes Mittel und Correctiv. Von plastischen Arbeiten aus diesen Jahren ist eine Copie der bekannten Gruppe von Amor und Psyche und der Flora, beide im Capitolinischen Museum, zu erwähnen. Im Concorso di Balestra, benannt nach dem Stifter des Preises, dem Marchese di Balestra, errang er am 18. October 1786 den ersten Preis durch eine in Thon gebrannte, halblebensgroße Gruppe „die Befreiung der Andromeda durch Perseus“ (in der Academia di S. Luca in Rom, kleine Originalskizze in der Akademie der Künste zu Berlin), welche 1834 zu Ehren des Meisters als Medaillerelief gegossen ist. – Noch in Rom traf ihn die Kunde von dem Ableben des großen Friedrich, der zu Lebzeiten die Errichtung seines Denkmals versagt hatte. S. faßte sofort diese Aufgabe in’s Auge und sandte für die [500] akademische Kunstausstellung im J. 1787 zwei Entwürfe ein. Die in Gemeinschaft mit dem damals in Rom verweilenden Architekten Hans Christian Genelli entworfene Zeichnung stellt den König in halbaufgerichteter Stellung auf einem Sarkophag ruhend dar, um welchen die neun trauernden Musen sitzen. Für die zweite in Wachs modellirte Skizze der Reiterstatue des Monarchen hatte S. das römische Costüm gewählt und für die Anlage des Ganzen das Studium der Marc-Aurel-Statue auf dem Capitol verwerthet. – Im übrigen bildet Schadow’s Römerfahrt, wie H. Grimm treffend bemerkt, „gleichsam den Abschluß seiner Entwicklung im Weltverkehr“.

In die Heimath zurückgekehrt, wo er bis in sein hohes Greisenalter arbeitsfreudig wirkte, wurde der erst 24jährige Künstler am 26. Jan. 1788 zum ordentlichen Mitgliede und als einer der damaligen vier Rectoren der Akademie der Künste gewählt und in demselben Jahre zum Hofbildhauer und Vorsteher der königl. Bildhauerwerkstatt als Nachfolger seines am 21. Januar d. J. verstorbenen Lehrers ernannt. Die bedeutenderen Arbeiten Schadow’s, welche seine Stellung in der Geschichte der Plastik kennzeichnen, fallen zum großen Theil in die beiden nächsten Jahrzehnte seines Lebens. Man wird stets rühmend von ihm auszusagen haben, daß er für die Wiedergabe der Naturwirklichkeit ein scharfes Auge und verständnißvollen, frischen Sinn behielt, sowie eine auf Sicherheit beruhende Meisterschaft in der Ausführung seiner Werke. In ähnlichem, beschränkterem Sinne hatte sein älterer Zeitgenosse, der Kupferstecher und Zeichner D. Chodowiecki gewirkt, dem er zweifellos manches zu danken gehabt. Auch Schadow’s künstlerisches Naturell war im allgemeinen schlicht und einfach. Die Wurzeln seiner Kraft lagen nicht in der Phantasie oder schöpferischen Productivität, sondern in der glücklichen Handhabe seiner Technik. Die Composition zu vielen Werken hatte er den Vorarbeiten oder Anregungen Anderer zu danken. Die Anschauungen seiner Zeit, unter denen er aufgewachsen, die Einflüsse, welche für seine Entwicklung und seinen Bildungsgang von vornherein maßgebend waren, bestimmten die Grenzen seines künstlerischen Schaffens. Er gehörte zu den Naturen, die man nach Fontane’s Deutung „als doppellebig, als eine Verquickung von Derbheit und Schönheit, von Gamasche und Toga, von preußischem Militarismus und classischem Idealismus ansehen kann. Die Seele griechisch, der Geist altenfritzig, der Charakter märkisch u. s. w.“ Es gelang ihm nicht, diese Gegensätze zum Ausgleich zu bringen. Er war durchaus der Künstler der Uebergangszeit, welcher unbefangen die verschiedenen Kunststile ohne Rücksicht auf ihre Gebundenheit an bestimmte Zeiten nebeneinander zur Anwendung brachte. Je nach Auftrag oder Einsicht arbeitete er bald im ideal-classischen Stile, bald im modern-realistischen oder vermischte beide mit dem Zopfstil. Hieraus mag sich zum Theil die stabile Weise seines Schaffens erklären. Störend wirkte auf seine Entwicklung vor allem der Niedergang Preußens, und als die Künste des Friedens neu erwachten, da trat Rauch auf mit höheren Zielen.

Die ersten Werke, welche S. bald nach seiner Berufung 1788 vollendete, lassen naturgemäß eine Nachwirkung der italienischen Studien am deutlichsten erkennen. Man gewahrt den läuternden und beruhigenden Einfluß der Antike, doch Empfindung und Behandlung athmen noch stark den Geist des Rococo. So bei den fünf figürlichen Modellen zu einem Tafelaufsatze, welchen die königl. Porcellanmanufactur nach Zeichnungen des Architekten Hans Christian Genelli ausführen ließ: Jupiter als Beherrscher der durch Neptun, Vulkan, Cybele und Iris dargestellten Elemente. – Einige Gipsreliefs im Parolesaale des königl. Schlosses zu Berlin mit römischen Fahnenträgern und Siegesgöttinnen in Medaillions über den Thüren daselbst reihen sich an. – Die in Marmor ausgeführte, auf kreisförmiger Plinthe stehende anmuthige Statuettengruppe „Freundschaft [501] und Liebe“ (im Besitze der Erben E. Bendemann’s in Düsseldorf) war ursprünglich als Tafelaufsatz bestimmt. – In demselben Jahre lieferte S. das Modell zu der großen Sandsteingruppe „Herkules, der den Centauren Eurytion erschlägt“ für die von Langhans erbaute, vor kurzem beseitigte Herkulesbrücke in Berlin. Auf Veranlassung des Architekten legte er der Composition einen Kupferstich nach der Gruppe des Giovanni da Bologna zu Grunde.

In dem kurzen Zeitraum von drei Jahren (1789–1791) stellte S. auf Befehl des Königs Friedrich Wilhelm II. das Marmordenkmal seines im neunten Lebensjahre entschlafenen Sohnes, des Grafen Alexander von der Mark in der Dorotheenstädtischen Kirche her. Die leitenden Ideen zu diesem Werke hatte der Galeriedirector Puhlmann in Potsdam gegeben, doch verwarf S. den Aufbau nach der hergebrachten malerischen Auffassung und erhob sein Werk durch die Ruhe plastischer Anschauung zu einem monumentalen Kunstwerke ersten Ranges, das seinen Ruhm begründet hat. In der Rundbogennische des oberen Theiles einer einfachen, architektonisch gegliederten Wand, die mit einem flachen Giebel gekrönt ist, vereinigte er zu einer geschlossenen plastischen Gruppe die Figuren der drei Parzen, zu welchen er sein Studium der Sibyllen Michelangelo’s verwerthete. Freistehend tritt unten der Sarkophag vor, auf welchem im Todesschlummer hingestreckt, nur leicht mit der Tunika bekleidet, der Knabe ruht mit seinen Waffen, ein rührendes Abbild jugendlicher Schönheit, in der die feinere künstlerische Empfindung des vorigen Jahrhunderts nachklingt. Das räumlich untergeordnete Relief an der vorderen Langseite des Sarkophags zeigt im Anschluß an die Abschiedsscenen auf römischen Darstellungen die vorgeschriebene Composition, wie Saturn den sich sträubenden Knaben der Minerva entreißt. Der Genius des Todes mit der gesenkten Fackel steht an der rechten Schmalseite des Sarkophags, links sein Zwillingsbruder, der Genius des Schlafes an eine Ara gelehnt. Eine sorgfältige Zeichnung auf Pergament von S., nach welcher H. Sintzenich 1793 ein Schabblatt gestochen, befindet sich in der Nationalgalerie. Die Sculpturen des Denkmals sind in Gips abgeformt worden. – Darnach modellirte S. die Reliefs über den Thüren im gelben Pfeilersaale des Berliner Schlosses und zwar nach Angaben des Architekten v. Erdmannsdorf mit lebhaft bewegten, auf malerische Wirkung abzielenden Darstellungen aus dem Leben Alexander’s des Großen, welche im Stile der späteren griechisch-römischen Sculptur die Beziehungen des Helden zu den Künsten verdeutlichen. – Für die auf blauem Grunde ausgeführten Reliefs im ovalen Saale des Schlosses zeichnete er im Einvernehmen mit dem leitenden Baumeister Langhans vier Entwürfe, Motive aus der Vermählung Amor’s mit Psyche und aus dem Triumphzug des Bacchus und der Ariadne. – Für den Schmuck des Marmorpalais zu Potsdam lieferte S. eine Reihe von Compositionen, zum Theil ähnlichen mythologischen Inhalts (in der Akademie der Künste zu Berlin). – Noch dem Jahre 1791 gehören sieben, nach antiken Motiven componirte Reliefs in ovalen Medaillons an, welche für die 1870 niedergelegte Villa der Gräfin Lichtenau zu Charlottenburg zum Gedächtniß des frühverstorbenen Grafen von der Mark in Gips ausgeführt waren. Die länglichen Reliefs stellen Glaube, Liebe und Hoffnung dar, die hohen dagegen den Todesengel mit dem Kinde emporschwebend, den guten Hirten mit dem Lamm, die Ewigkeit und die Mutterliebe. –

Inzwischen war die Frage nach der Herstellung eines würdigen Denkmals Friedrich’s des Großen in Anregung gebracht, welches auf Wunsch des Königs als Reiterstatue im römischen Costüme ausgeführt werden sollte. S. entwarf eine in Wachs bossirte Skizze mit einem stattlichen Apparate mythologischer und allegorischer Figuren am Piedestal. Doch ungeachtet der zahlreichen [502] malerischen, architektonischen und plastischen Entwürfe auf der akademischen Kunstausstellung von 1791 kam es zu keiner Entscheidung. S. erzielte wenigstens den Erfolg, daß er beauftragt wurde, in Kopenhagen und Stockholm mit der Technik des Broncegusses, die seit einem Jahrhundert in Preußen nicht gepflegt war, sich vertraut zu machen. Die mit Gefährnissen verbundene Reise, worüber einige gemüthvolle Briefe des Künstlers an seine Mutter Auskunft geben, währte vom August 1791 bis in den Januar 1792 und ging über Stockholm nach Petersburg, von dort zurück nach der schwedischen Hauptstadt und endlich nach Kopenhagen. Das wichtigste Ergebniß der Reise lag darin, daß S. durch die Anschauung moderner Denkmäler von L’Archevèque, Sergel und Saly, bei welchen die zeitgeschichtlichen Trachten mit dem Charakter und der Persönlichkeit der dargestellten Männer in vollem Einklang standen, über das Wesen und die Anforderungen des historischen Denkmals klar wurde und in seinen auf Naturwirklichkeit gerichteten Bestrebungen sich bestärkt fühlte. Er brachte auch eine Fülle der verschiedenartigsten Naturstudien und Aufnahmen nach hervorragenden Kunstwerken mit heimwärts. Doch der eigentliche Zweck der Reise blieb unerfüllt. Bezüglich der Technik des Erzgusses sah sich S. auf Paris als den einzigen Ort für das erwünschte Studium hingewiesen, das aber infolge der Schreckenszeit und des mit Frankreich ausgebrochenen Krieges unterbleiben mußte. Das Denkmalproject wurde abermals vertagt. Nach jener nordischen Reise hat S. während seines langen Lebens auf Ausflüge in Norddeutschland sich beschränkt. Der originelle Märker saß am liebsten daheim in Berlin. –

Was der Hauptstadt nicht so bald gelingen sollte, verwirklichte zuerst die Provinzialhauptstadt Stettin, indem die pommerschen Stände 1793 die Statue Friedrich’s des Großen von S. in Stettin errichten ließen (das Marmorstandbild im Ständehause, die broncene Nachbildung auf dem Königsplatze zu Stettin). Er stellte den Monarchen in seiner Zeittracht dar, glaubte aber zur näheren Charakteristik und mit Rücksicht auf die Monumentalgröße des über die Schultern geworfenen Hermelinmantels und des Commandostabes, den die Rechte bedeutsam auf die Gesetzesbücher stützt, nicht entrathen zu können. Der Künstler selbst war von seiner Arbeit nicht ganz befriedigt, doch ist sie ebenso sehr durch die Natürlichkeit der Haltung wie durch monumentale Würde ausgezeichnet. – Frei von jeder allegorischen Zuthat entstand fast gleichzeitig (1794) das populäre Standbild des Husarengenerals v. Zieten. Das Marmororiginal steht im Cadettenhause zu Lichterfelde bei Berlin, den Wilhelmsplatz schmückt eine Nachbildung in Bronce. Die vortreffliche Charakteristik des Kopfes und das Zeitcostüm rufen unleugbar den Eindruck wirklichkeitsgetreuer Darstellung hervor. Achtet man indeß mit H. Grimm auf die elegisch nachsinnende Haltung, so wird man sofort an die antikisirende Art erinnert, welche nach dem Vorgange französischer Meister des 18. Jahrhunderts Idealstellungen in moderner Gewandung liebte. Der enge Zusammenhang von Schadow’s Kunst mit der seiner Jugendzeit, namentlich mit Chodowiecki’s Darstellungen aus Friedericianischer Zeit, erhellt recht deutlich aus der Betrachtung der realistischen Reliefs am Zietendenkmal, welche bei ungebunden malerischer Absicht modernen Genrebildern gleichen (Tuschzeichnung und kleines, nicht ausgeführtes Modell in der Nationalgalerie). – Das künstlerische Gegenstück ist die Statue des Fürsten Leopold von Dessau, mit welcher S. bald nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelm’s III. beauftragt wurde. Im J. 1800 im Lustgarten beim Schlosse aufgestellt, dann 1828 auf den Wilhelmsplatz übergeführt, fand die Marmorstatue später ebenfalls im Cadettenhause zu Lichterfelde Aufnahme und wurde auf dem Wilhelmsplatze durch eine Broncecopie ersetzt. S. schuf sein Meisterwerk, [503] wie jenes Zietendenkmal, nach mehrfach entworfenen Modellstudien. Es ist ein Charakterbild des alten Dessauer in seiner natürlich wahren Erscheinung, der energische Feldherr und Zuchtmeister aus Friedrich’s Zeit. (Kleine Gipsmodelle in der Nationalgalerie und in der Akademie der Künste.) Von der lebensvollen Studie zum Kopf findet sich ein Gipsabguß im Schlosse Monbijou zu Berlin.

Der Antike näherte sich S., als er die Bekrönungsgruppe des Brandenburger Thores modellirte. Da man von einer Verwendung des Erzgusses aus Unkenntniß der Technik Abstand nehmen mußte, wurde das bei Beginn des Langhans’schen Baues (1789) entworfene Viergespann vergrößert von den Gebrüdern Wohler in ein Eichenholzmodell übertragen und hiernach von Jury in Kupferblech getrieben. In gleicher Weise ließ S. seine Victoria (1794) durch den Klempnermeister Gerike in Potsdam ausführen. Ursprünglich dem Thiergarten zugekehrt, wurde die Gruppe im J. 1806 auf Napoleon’s Befehl von Denon nach Paris geschleppt, alsdann nach ihrer Rückkehr der Stadt zugewendet. Auf dem das Kreuz umschließenden Kranze breitet jetzt ein Adler seine Schwingen aus. Vorzüglich im Umriß der Silhouette und wohlberechnet auf die Ansicht aus der Entfernung ist die Gruppe von einer Strenge und Einfachheit, die dem Charakter der Architektur sich passend anschmiegt. – Als ebenbürtiges Werk steht die Statue des Mars in einer Seitennische des Brandenburger Thores, welche nach Schadow’s kleinerem Modell (im Besitze der Frau Eugenie Schadow in Berlin) in Sandstein ausgeführt ist. Die Wachsamkeit des kampfbereiten jugendlichen Kriegsgottes spricht sich lebendig in der bewegten Haltung der Glieder aus. – Engen Anschluß an antike Vorbilder lassen ferner die 16 Sandsteinmetopen an der Thiergartenseite des Brandenburger Thores erkennen, welche von S. gleichzeitig mit der Victoria modellirt, in freier Umbildung classischer Motive den Kampf der Centauren mit den Lapithen veranschaulichen.

Daß ihm die Darstellung liebreizender, naiver Anmuth und Schönheit in hohem Grade erreichbar war, bewies S. (1795–1797) durch eines seiner Hauptwerke, die Marmorgruppe der Kronprinzessin Louise und ihrer Schwester, der Prinzessin Louis (im königl. Schlosse zu Berlin). Ein Jahr zuvor hatte er die Büsten Beider modellirt (in Babelsberg und im Hohenzollern-Museum), welche dem Minister v. Heinitz die Veranlassung zum Auftrage der Doppelstatue gaben. Die wohlabgerundete Genregruppe der beiden in frischer Jugend blühenden Gestalten ist ein tiefempfundenes Abbild innigster Schwesterliebe. Das malerisch und reich drapirte Costüm der Zeit harmonirt mit der Idealstellung, welche der antikisirenden Grazie der früheren Kunstperiode nahe kommt. S. hatte nach seinen eigenen Worten in stiller Begeisterung an dem Modelle gearbeitet (das Originalgipsmodell in der Nationalgalerie). Eine kleine Nachbildung in Biscuit ließ die königliche Porcellanmanufactur 1796 unter des Künstlers Mitwirkung anfertigen. – Hier ist auch eine der schönsten Zeichnungen Schadow’s, das Profilbildniß der Königin Luise mit der Unterschrift „La Regina 1802 d’al vero a Potsdam“ zu erwähnen. – Später verherrlichte er das Andenken der Königin durch eine Apotheose. Das im J. 1811 entstandene Relief, von Feilner in Thon gebrannt, ist im sogenannten Königsstuhle der Kirche zu Paretz als Wanddecoration verwendet. Die Inschrift: „Hohen Zieritz den 19. Juli 1810 vertauschte Sie die irdische Krone mit der himmlischen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und Treue und in tiefe Trauer versanken Brennus und Borussia“, auf Wunsch des ersten Bestellers Pilegard in Frankfurt a./O. angebracht, gibt die Erklärung der Darstellung. Unten sieht man den Todesengel seine Fackel zur Erde senken. Brennus ist als Ahnherr des [504] brandenburgischen Hauses aufgefaßt. Den Federumriß der im allgemeinen unbefriedigenden Composition besitzt die Akademie der Künste. – Schwer mag S. das Mißgeschick beklagt haben, als späterhin der Auftrag zum Grabdenkmal der Königin Luise nicht ihm, sondern Rauch ertheilt wurde.

Gleichzeitig mit der Marmorgruppe der beiden Schwestern hatte S. nach Angabe des Oberbaudirectors Langhans die Arbeiten am Monument des Generals v. Tauentzien in Breslau in Angriff genommen. Bellona, halb ausgerichtet auf dem Sarkophag ruhend, ist in Sandstein ausgeführt; die beiden verwitterten naturalistischen Marmorreliefs an den Langseiten des Postaments stellen in bildmäßiger Auffassung einen siegreichen Ausfall des Generals aus Breslau, sowie die Uebergabe der Festung Schweidnitz an die Preußen dar.

Als wiederum die Frage des Friedrich-Denkmals in den Vordergrund trat, beschickte S. die akademische Kunstausstellung von 1797 mit nicht weniger als sieben Entwürfen, von welchen zwei aus Zeichnungen, die übrigen nur noch aus der Beschreibung des Verzeichnisses ersichtlich sind. Um der traditionellen Auffassung zu genügen, an der Friedrich Wilhelm II. mit Beharrlichkeit festhielt, hatte S. bei einigen Entwürfen das antike Costüm gewählt. Charakteristisch für die Lösung der Aufgabe im idealisirenden Zopfstil und voll sprühenden Lebens ist ein aquarellirter Entwurf, auf welchen Falconet’s Reiterdenkmal Peter’s des Großen eingewirkt haben mag (in der Akademie der Künste). Der König mit dem Marschallstabe in der Rechten ist in römischer Imperatorentracht dargestellt auf feurig einhersprengendem Rosse, vor ihm her eilt die Siegesgöttin mit dem Lorbeer und den errungenen Kränzen. Der Marmorboden der Reiterstatue ruht auf vier dorischen Säulen, innerhalb deren Borussia am flammenden Altar von Schlesien und Westpreußen den Eid der Treue entgegennimmt. Vor den Säulen entbietet Minerva den Mars zum Kampfe, während an der Rückseite Apollo auf den eroberten Waffen verweilt und in die Lyra greift. – Ein anderer farbiger Entwurf gab seiner eigenen künstlerischen Ueberzeugung, seinem Einspruche gegen die antikisirende Behandlung Ausdruck. Er vergegenwärtigt den König ruhig zu Pferde in seiner schlichten, alltäglichen Erscheinung, in der bekannten Uniform mit dem dreieckigen Hute auf dem Haupte, so wie ihn das Volk gesehen, ganz der alte Fritz. Diese Auffassung einer vollkommen wahrheitsgetreuen Darstellung theilte auch Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise. Doch drängten die politischen Zustände weitere Verhandlungen zurück und während der unglücklichen Franzosenzeit konnte das Unternehmen vollends nicht zur Reife gelangen. – Noch einmal modellirte S. im J. 1816 die Statue Friedrich’s des Großen in halber Lebensgröße mit seinen beiden Windspielen, wie er auf der Terrasse von Sanssouci spazieren geht, den gallonirten Hut aus dem Kopfe und mit dem Stocke in der Hand. Rauch bezeichnete diese kleine Broncegruppe (in Sanssouci) als ein „naiv wahres und treffliches Werk“, dem besonders der intimere Charakter nachzurühmen ist. – Als in späteren Jahren die Errichtung eines Friedrich-Denkmals mit besserem Erfolge als zuvor geplant wurde, war es naturgemäß, daß die große und herrliche Aufgabe nicht dem allmählich gealterten S., sondern der mächtig aufstrebenden Kraft seines Schülers Rauch zufiel.

Derartige Enttäuschungen vermochten indeß niemals, den Muth zu seinem künstlerischen Schaffen abzuschwächen. Bis weit in das dritte Zehent des Jahrhunderts war er als Bildhauer unaufhörlich thätig. – Eine besondere Gattung von Arbeiten sind seine zahlreichen Grabmonumente mit allegorisch-symbolischen Gestalten oder mit Aschenkrügen, Urnen und ähnlichem Schmuck. Während die figürlichen Bestandtheile dieser in der Mehrzahl von Privaten bestellten Denkmäler in der Stellung und Gewandung antike Art zeigen, ruft die Composition [505] und Verbindung mit dem allegorischen Element wiederum vielfach die Erinnerung an den Zopfstil wach. – Hierher gehört der in der Akademie der Künste aufbewahrte, 1797 gezeichnete Entwurf Schadow’s zu einem Reliefdenkmal des Prinzen Louis von Preußen, dessen Ausführung unterblieben ist. Die trauernde Wittwe kniet neben ihren Kindern und faltet, dem der Erde entschwebenden Gatten nachblickend, ihre Hände zum Gebet. – Das Marmorrelief für den Commercienrath Schütze in der Kirche zu Schöneiche entstand im folgenden Jahre. An einer Urne, welche mit dem Medaillonbildniß des Entschlafenen geschmückt ist, steht die Hoffnung, Embleme des Handels und Ackerbaues liegen am Sockel. – Dann lieferte S. das Monument für den Rector Darjes und dessen Gattin auf dem Anger, dem ehemaligen Friedhofe zu Frankfurt a. O., welches neben dem Grabe des Dichters E. v. Kleist sich erhebt. Auf rundem Postamente steht die Gewandfigur der Wissenschaft, während die Mutterliebe zur Seite eines erhöht aufgestellten Aschenkruges sitzt, welcher die Medaillonporträts der Abgeschiedenen trägt. – In der Grabcapelle zu Boitzenburg befindet sich das Marmordenkmal des Staatsministers Grafen v. Arnim in lebensgroßen Figuren. Die Wittwe sitzt als römische Matrone mit einem Myrthenkranze in der Hand neben der Urne, die sie umfaßt hält. Als Sinnbild ehelicher Treue verweilt ihr Hund zu den Füßen. – Das Marmordenkmal für den Reichsgrafen v. Lieven in Curland aus dem Jahre 1803 besteht aus einer von einer Ara getragenen Urne mit den Reliefs des Todesgenius und der sich aufwärts schwingenden Psyche. – Ferner sei das Denkmal der Familie v. Grünfeld auf dem Gute Lehnhaus in Schlesien erwähnt (1805). Es ist ein freistehender Denkstein mit den Reliefs der „Religion“ und des „Todesengels“, neben welchem das zerbrochene Wappenschild der ausgestorbenen Adelsfamilie liegt. – Nach Art altrömischer Kunst ist das Hochrelief (1801) ausgeführt, welches den Fürsten v. Hohenlohe-Oehringen und dessen Gemahlin darstellt. Die Halbfiguren beider Gatten reichen einander die Hand. – Eigenartig ist das im J. 1803 vom Grafen Hochberg seiner verstorbenen Schwester der Gräfin Rohnstöck im Schlosse Fürstenstein in Schlesien geweihte Denkmal. Die Gesichtszüge der Büste sind von einem Schleier umflort, zu ihrer Seite stehen die allegorischen Gestalten der Patientia mit dem Lamm (Gipsmodell in der Nationalgalerie) und der emporblickenden Religion mit gefalteten Händen. – Man begnügte sich auch mit einfachen, nur plastisch verzierten Urnen, wie beim Denkmal für den Schauspieler Fleck auf dem alten Jerusalemer Kirchhof vor dem Halleschen Thore zu Berlin, eine Marmorvase mit der Maske des Lust- und Trauerspiels.

Während der Ausführung solcher Brodarbeiten reizte ihn wiederholt die künstlerische Nachbildung der unverhüllten Natur. So entstand „aus innerem Behagen und häuslichem Glück“ 1797 die geraume Zeit hindurch fälschlich „la nymphe Salmacis de Thorwaldsen“ bezeichnete liegende Figur, ein aus üppigem Traume erwachendes Weib in Lebensgröße. „Man wird auch hierbei“, bemerkt S. selbstbewußt, „unter dem Einflusse der Natur, nicht wie Thorwaldsen in einer Imitation des Idealstils der Antike verbleiben, sondern seine Originalität darbieten.“ Die aus carrarischem Marmor hergestellte Figur gelangte durch den General Rapp im J. 1810 nach Straßburg und gerieth später unter jener falschen Benennung in die Sammlung des Banquiers Aguado nach Paris, wo sie der Maler Wach 1845 als Schadow’s Arbeit erkannte.

Das Princip möglichst getreuer Nachbildung der natürlichen Erscheinung verkörperte S. in einem kleinen Meisterwerke, Natura, einer nackten, mit der Mauerkrone geschmückten Figur, welche die Hände an die Brüste legt (kleines Wachsmodell in der Nationalgalerie). – Außer fünf kleinen Modellen ist noch ein Hochrelief in Marmor daselbst zu erwähnen: Amor bekränzt steht schlummernd [506] mit rückwärts geneigtem Kopfe an einem Baumstamme, auf welchem der linke Arm mit dem Köcher ruht, während die rechte Hand herabhängend den Bogen hält. Bei Werken dieser Art scheint die Absicht des Künstlers weniger dem idealen Gehalte, als der treuen Nachbildung schöner Naturformen gegolten zu haben.

Die Sicherheit, mit der S. das Charakteristische erfaßte und überzeugend zum Ausdruck brachte, spricht vor allem aus seinen naturalistischen Porträtbüsten. Während seiner im wesentlichen nur zwei Jahrzehnte umfassenden Thätigkeit als Bildhauer hat er gegen 100 Büsten gearbeitet, die hier nur zum Theil nach ihrem künstlerischen Werthe und der historischen Bedeutung der Persönlichkeiten genannt werden können. In erster Linie galt seine Kunst den Mitgliedern des preußischen Königshauses. – Der lebensgroße Studienkopf Friedrich d. Gr. ohne Hut aus dem Jahre 1792 ist nur im Gipsabguß vorhanden. Von den übrigen Darstellungen desselben kommt die Alabasterbüste von 1804, die Marmorbüste mit dem Lorbeerkranze von 1810 und eine Broncebüste von 1820 in Betracht. – In chronologischer Ordnung sind an Porträtbüsten von Mitgliedern des königl. Hauses zu nennen: 1793. König Friedrich Wilhelm II. Zwei Marmorbüsten. – 1794. Friedrich Wilhelm III. als Kronprinz in Uniform (königl. Schloß). – Kronprinzessin Louise von Preußen mit langem Haar und schmaler Binde unter dem Kinn, nach dem Leben modellirt (Gipsabguß im Schlosse Monbijou, Berlin). – Gleichzeitig mit Letzterer modellirt: Prinzessin Ludwig von Preußen („feu mon visage“). – 1797. Prinz Ludwig von Preußen, der zweite Sohn Friedrich Wilhelm’s II. Gips. – 1798. König Friedrich Wilhelm III. und Königin Louise. Marmorbüste. – 1799. Königin Louise mit Krause und Medaillonkette um den Hals. Gipsabguß (im Schloß Monbijou und im Schadowhause). – Prinzessin Wilhelmine von Oranien, nachmalige Königin der Niederlande. – 1802. König Friedrich Wilhelm III. und Königin Louise. Marmorbüste. – 1804. Königin Louise, Marmor unter Lebensgröße. – 1800, 1803 und 1806. König Friedrich Wilhelm III., drei Marmorbüsten, die letzte unter Lebensgröße. – 1811. Königin Louise. Marmorbüste, war im Besitze des Generals Rapp. – 1813. Prinz Ferdinand, Bruder Friedrich d. Gr. Gips. – 1814. König Friedrich Wilhelm III., in Lebensgröße mit freiem Hals und Nacken. Mehrfach wiederholt, ein Mal für Danzig. – Ders. Zwei Colossalbüsten mit und ohne Lorbeerkranz. Marmorbüsten (Abguß der ersteren im Schloß Monbijou). – 1815. Prinz Wilhelm, Bruder Friedrich Wilhelm III. Colossale Marmorbüste (Privatbesitz). – Prinz August Wilhelm, ältester Bruder Friedrich d. Gr. Marmorbüste (im Haag).

Von Büsten anderer hervorragender Persönlichkeiten sind nach der Folge ihrer Entstehung hauptsächlich zu erwähnen: 1794. Gräfin Lichtenau, geb. Rietz. Marmorbüste (im Besitz von W. Robert-tornow in Berlin). – 1798. Friedrich Nicolai, ursprünglich als Büste, dann in einen Hermenkopf umgeändert. Thonbüste in der Universitätsbibliothek zu Halle a. S. – 1800. Fürst Anton Radzivill. Marmorbüste. – 1802. Staatsminister v. Heinitz, Curator der Akademie der Künste. (Gipsabgüsse im Schloß Monbijou und in der Akademie der Künste.) – Architekt Fr. Gilly. Marmorbüste (Akademie der Künste). – Gymnasialdirector Meierotto. Marmorbüste (Joachimsthal’sches Gymnasium bei Berlin). – Karl Fasch, Gründer der Singakademie zu Berlin. Marmorbüste, daselbst. – Frau Händel-Schütz, Schauspielerin als Galathea im Moment des Erwachens (Gipsabguß im Schloß Monbijou, Berlin). – Der Dichter v. Göckingk. Gipsbüste, später 1817 auch in Bronce gegossen. – Wieland, nach dem Leben modellirt und in Marmor ausgeführt für das Haus Pearson in Riga (2 [507] kleine Zeichnungen in der Nationalgallerie). – 1803. Präsident Joh. Aug. v. Beyer. Marmorbüste. – Staatsminister v. Hertzberg. Marmorbüste (Kgl. Akademie der Wissenschaften, Berlin). – Iffland, Gipsbüste. – Die Schauspielerin Fleck. Gipsbüste. – Im Auftrage des Kronprinzen Ludwig von Baiern arbeitete S. in den Jahren 1807–1812 für die damals noch zu errichtende Walhalla bei Regensburg die folgenden Büsten in carrarischem Marmor: Friedrich d. Gr. mit Lorbeerkranz (Gipsabguß im Schloß Monbijou), Karl d. Gr., Otto d. Gr., Heinrich der Vogler, Konrad der Salier, Heinrich der Löwe, Herzog Ferdinand von Braunschweig, Feldmarschall Graf Ernst v. d. Lippe, Graf Christian zu Stolberg, Copernikus, O. v. Guerike, A. v. Haller, Leibnitz, Klopstock, Wieland, Joh. v. Müller. – 1811. Fürst Michael Radzivill. Thonbüste. – 1812. Generalchirurg Görcke (Gipsbüste im Königl. Friedrich-Wilhelms-Institut, Berlin). – Dr. Hufeland. Gipsbüste. – 1814. Staatskanzler Fürst Hardenberg. Kolossale Marmorbüste (Privatbesitz). – Capellmeister Righini (im Haag). – Joh. Gott. Fichte, Thon. Nach dem Tode 1814 modellirt. – 1815. Oberhofmeisterin Gräfin Voß. Gipsbüste, nach dem Tode. – 1816. W. v. Goethe, Marmorbüste, mit dem Stern des Falkenordens (Nationalgallerie). Hier sei auch ein Metallabguß der dem Leben entnommenen Maske Goethe’s erwähnt (Eigenthum von Dr. H. Müller, Berlin), sowie die seltene Schaumünze mit dem nach rechts gewendeten Kopfe und Umschrift Johann Wolfgang de Goethe aetatis suae LXVI Anno. Kehrseite mit linkshin aufsteigendem Pegasus und griechischer Inschrift. – 1817. Bischof Dr. Sack. Gips- und Metallabguß. – General Graf v. Nostitz. Gipsbüste. – 1820. Haendel. Kolossale Gipsbüste im Concertsaale des kgl. Schauspielhauses zu Berlin. – Capellmeister K. Fasch. Gipsbüste ebenda. – 1822. Bode, Astronom. Marmorbüste (Sternwarte zu Berlin). – 1824. Seb. Bach. Kolossale Gipsbüste im Concertsaale des Kgl. Schauspielhauses. – Graun. Desgl. – Naumann, Componist. Desgl. – Lessing. Desgl. – 1827. E. Bach. Desgl. – G. Benda, Componist. Desgl.

Daneben entstanden noch viele Büsten von Personen rein privaten Charakters. Besonderer Liebreiz ist seinen weiblichen Bildnissen eigen, in welchen sich gefällige Anmuth im Sinne des Rococo mit überraschendem Feingefühl für das natürliche Leben verbindet. Als Meisterwerk sei hier die anziehende Marmorbüste der kleinen Julie Mölter (im Besitz des Geh. Rath Dr. Roedenbeck in Halle a. S.) erwähnt, ca. 1793 entstanden, welche durch eine Handzeichnung Schadow’s nach dem Leben bestätigt ist. – Als S. die Büste der schönen Schauspielerin Friederike Unger modellirt hatte, wünschte die Dargestellte die Ergänzung der Arme und so entstand eine Halbfigur (1797), „gleichsam in einer Attitüde“, wie S. sagt, „als lehnte sie sich auf eine Brüstung und blickte freundlich umher in eine schöne Gegend“. Nach einigen Jahren (1802) vervollständigte der Meister die Halbfigur zu einer schön gewandeten Statue der Hoffnung (Gips im Schloß Monbijou, Berlin).

Einheitlich und von gleichmäßigem Streben nach treuer Wiedergabe des natürlichen Lebens beherrscht erscheint die Wirksamkeit Schadow’s in der Porträtplastik, wandelbar dagegen unter Anlehnung an vorhandene Werke in der Reliefbildnerei. Für die Darstellung moderner Gegenstände war ihm mit Beachtung der perspectivischen Gesetze die rein bildmäßige, malerische Wirkung erwünscht; bei antiken Motiven befolgte er den griechischen Reliefstil oder den in der besten römischen Zeit üblichen. Die Compositionen sind entweder selbständige Kunstwerke oder solche, mit welchen er die Postamente seiner Denkmäler, die Façaden von Bauwerken oder Innenräume decorirte.

[508] Außer den bereits genannten Arbeiten sind zwei Stuckreliefs im Saale des früher gräflich Schwerin’schen Palais in der Wilhelmstraße zu Berlin aus dem Jahre 1800 hervorzuheben mit der Darstellung einer Bacchusfeier. – Weniger befriedigend sind die beiden Arbeiten für den königl. Marstall in der Breitenstraße, nach Motiven auf antiken Vasenbildern ein Wagenrennen mit einem Unfall schildernd und wie Victoria dem Sieger eines Wettrennens den Kranz spendet (kleine Modelle in der Nationalgallerie). – In der Durcharbeitung der Details tadellos entbehren diese wie auch die an der Kaserne der reitenden Artillerie (Friedrichstraße 118–120, Berlin) angebrachten drei Reliefs Schadow’s mit Scenen aus dem modernen Soldatenleben völlig des alten strengen und gesetzmäßigen Stils. – Noch im Jahre 1800 entstand das Gipsrelief für die chirurgische Pepinière im Hause des Generalchirurgen Görcke zu Berlin, welches später im Hörsaal des Friedrich Wilhelms-Institutes Aufnahme gefunden hat. Der vier Fuß hohe Fries, welcher eine Schmalseite des Saales einnimmt, stellt in antikem Idealkostüm Kampfscenen und die Hülfe des Arztes dar. Das unter förderndem Beistande Schadow’s von seinem Schüler Rauch in starkem Hochrelief gearbeitete Werk zeigt sorgfältiges Naturstudium, doch in der Bewegung der Gestalten noch Befangenheit. – Ein Meisterwerk der Reliefsculptur im antik classischen Stil ist der in Sandstein ausgeführte Relieffries, welcher seit 1802 die Façade der von Gentz errichteten alten Münze und Bauakademie schmückte und mit einigen Zusätzen Anderer an das neue Münzgebäude zu Berlin übertragen worden ist. Schadow’s Antheil beschränkt sich auf die um Cybele, Diana von Ephesus, Ceres und Neptun gruppirten Figuren, deren Composition von Gilly, dem Lehrer Schinkel’s, herrührt. – Vorzüglich in der Composition und Vorbildern römischer Reliefplastik aus guter Zeit nachgeschaffen sind ferner die von 1805–1808 entstandenen Portalreliefs an der Façade des Schadow-Hauses zu Berlin, in welcher er unter Rauch’s Beihülfe die antike Kunstgeschichte vom Töpfer Dibutades bis zu den Zeiten Alexander’s des Großen und die neuere Kunst von den Medicäern bis auf Papst Julius II. in gedrängtem Auszuge darstellte. – Im Hausflur daselbst befindet sich noch eine Reihe vorzüglicher weiblicher Actfiguren und ein Gipsabguß des Parzenreliefs, welches 1808 für das Grabmal des Grafen v. Blumenthal wiederholt wurde (Entwurf und Thonrelief in der Akademie der Künste). – Die Zeichnungen zu den 1809 in Gips übertragenen vier Reliefs, welche die von den Vertretern der verschiedenen Stände dem damaligen Könige von Westfalen dargebrachten Huldigungen vor Augen führen, weisen in der Anwendung eines Planes auf antike Muster hin; durch Unruhe in der Bewegung und den Gebrauch gegensätzlicher Gewandung ist jedoch die einheitliche Wirkung gestört (Zeichnungen in der Akademie der Künste). – Dem Jahre 1812 gehört ein bunt bemaltes Relief nach Schinkel’s Zeichnung an, das den Sündenfall und das verlorene Paradies veranschaulicht (broncirtes Gipsmodell des Sündenfalls in der Nationalgalerie). – Auch die zehn in Zink gegossenen Relief-Victorien am Fries der Wache beim Zeughause sind von S. nach einem Entwurfe Schinkel’s im Jahre 1817 modellirt. – Zum Schluß sei das figurenreiche in Thon modellirte Relief in der Akademie der Künste „Theseus als Befreier Athens vom Minotaurus“ erwähnt, welches mit Benutzung der von S. gezeichneten Umrisse Dähling grau in grau gemalt hat.

S. beschloß seine plastische Thätigkeit mit zwei monumentalen Standbildern. Zur künstlerischen Verherrlichung der Helden in den Freiheitskriegen trug er durch seine Blücherstatue bei, die er unter Beirath Goethe’s im Jahre 1818 auszuführen hatte. Auf Grund des im Goethe-Archiv befindlichen Materials hat H. Grimm die Beziehungen Schadow’s zu Goethe in früheren Tagen auf’s neue geprüft und über den zeitweiligen, mißglückten Antagonismus des Künstlers [509] gegen den Dichter ein klärendes und endgültiges Urtheil gesprochen. H. Grimm hat auch das Maaß der Mitwirkung Goethe’s an Schadow’s Blücherstatue festgestellt, deren von S. gewähltes Phantasiecostüm und Mischung realistisch-allegorischer Reliefs eine bedenkliche Unentschiedenheit des Stils bewirkt haben. Das Bild steht nach Goethe’s Worten „wie auf dem Scheidepunkte älterer und neuerer Zeit, auf der Grenze einer gewissen conventionellen Idealität, welche an Erinnerung und Einbildungskraft ihre Forderungen richtet, und einer unbedingten Natürlichkeit, welche die Kunst, selbst wider Willen, an eine oft beschwerliche Wahrhaftigkeit bindet.“ Von Lequine gegossen und von Coüé ciselirt wurde das Denkmal im August 1819 zu Rostock errichtet (kl. Wachsskizze von 1816 in der Nationalgalerie).

Sein künstlerisches Princip verwirklichte S. wiederum vollgültig in dem charaktervollen Standbilde Luther’s zu Wittenberg (enthüllt am 31. October 1821), seinem letzten Meisterwerke. Der Reformator steht im faltenreichen Priestertalar voll Hoheit und persönlicher Würde unter einem gothischen Baldachin, für den Schinkel die Zeichnung gemacht hatte. Am Granitsockel sind drei Kernsprüche Luther’s und eine Votivtafel angebracht. Er hält dem Beschauer die aufgeschlagene Bibel entgegen, auf welche er mit der Rechten hinweist. Wie S. selbst sich seiner Enthaltsamkeit bezüglich der Composition des Standbildes rühmte, ebenso bewunderte Rauch den Muth seines Lehrers, das Ganze so sehr einfach genommen zu haben. Von den Vorarbeiten zu dieser Statue ist eine lebensgroße Gipsbüste Luther’s und ein in Wachs bossirter Entwurf, sowie eine große Zeichnung (ein Exemplar im Thorwaldsen-Museum zu Kopenhagen) zu einer figurenreichen Reliefcomposition zu erwähnen, das am Postament Verwendung finden sollte, aber bei Ausführung des Denkmals verworfen wurde. Broncirte Abgüsse des Gipsmodells „Luther schlägt seine Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg“ in halber Lebensgröße befinden sich im Schloß Monbijou und in der Dorotheenstädtischen Kirche zu Berlin. Außerdem ist eine Colossalbüste Luther’s von 1808 und eine Marmorbüste in Lebensgröße (1822) vorhanden. Als Gegenstück ließ König Friedrich Wilhelm III. von S. auch die Büste Melanchthon’s modelliren und schenkte beide, in Bronze gegossen, der Mansfelder Litterarischen Gesellschaft in Eisleben, welche das Lutherdenkmal in’s Leben gerufen hatte. – Als letzte Marmorarbeit Schadow’s aus dem Jahre 1826 ist ein nacktes „ruhendes Mädchen“ (Nationalgalerie) zu bezeichnen, das ausgestreckt auf der linken Seite ruhend ausschaut. Die Statuette ist nicht, wie Rosenberg vermuthet, identisch mit der sogenannten nymphe Salmacis.

Mit dem Jahre 1828 betrachtete S. selbst seine Wirksamkeit als Bildhauer als abgeschlossen. Er legte den Meißel aus der Hand. Sein vorurtheilsfreier Blick verhehlte ihm nicht, daß er als der gealterte Märker aus der Fridericianischen Zeit, deren künstlerische Empfindungsweise noch in der Mehrzahl seiner Werke nachklingt, der schöpferischen Kraft seines großen Schülers Rauch, dem er die Wege geebnet hatte, Raum schaffen müsse. Doch wie in der Kunst reichten sich beide Künstler auch im Leben die Hände. Sie wurden sogar verwandtschaftlich durch die Verheirathung von Schadow’s jüngstem Sohne Felix mit Rauch’s Enkelin, Eugenie d’Alton, mit einander verbunden.

Verzichtete S. auf weitere Beschäftigung als Bildhauer, so blieb doch seine Schaffenslust als Zeichner noch viele Jahre lang regsam, bis in seinem höchsten Lebensalter die vom grauen Staar geblendeten Augen den Dienst versagten. Die Akademie der Künste in Berlin besitzt allein ca. 1060 Zeichnungen, welche aus dem Nachlasse des Meisters stammen, die Nationalgalerie 35 Blatt, dazu kommen manche vorzügliche Porträts bei den Nachkommen oder in sonstigem Privatbesitz.

[510] Aus allen diesen Arbeiten spricht Schadow’s außerordentliche Begabung, die individuelle Erscheinung, das Charakteristische scharf und naturgetreu wiederzugeben. Er zeichnet leicht und gewandt, correct und sauber mit unfehlbarer Treffsicherheit und erreicht mit den einfachsten Mitteln oft eine überraschende Wirkung. Er ist als Zeichner den besten seiner Zeitgenossen, auch den Franzosen, ebenbürtig.

Die große Zahl der vorhandenen Zeichnungen gestattet hier nur die Erwähnung einer bescheidenen Auslese. Es finden sich Kreide- und Bleistiftzeichnungen nach antiken Bildwerken, wie nach dem Leben, Entwürfe zu seinen plastischen Arbeiten in Kreide, Röthel und Aquarell, Studien nach dem Nackten, nach dem Gewand und den Einzelgliedern des menschlichen Körpers. Der Vielseitigkeit dieser Darstellungen entspricht eine mannichfaltige zeichnerische Technik. – Von selbständigen Compositionen sei nur genannt „Der Tod des Sokrates im Gefängniß“ (Tuschzeichnung in der Nationalgalerie), „Der Apostel Paulus vor Festus“, „Der Raub der Sabinerinnen“, „Diana und Aktäon“ u. a. – Die unvollkommenen Stiche eines alten Quartbandes, erfunden und gezeichnet von J. F. v. Göz, gestochen von Brichet (im Besitz der Frau E. Schadow zu Berlin), begleitete S. mit zahlreichen kritischen Randglossen und veränderten, berichtigenden Compositionen. – Ein von 1798 datirtes Skizzenbuch enthält interessante Zeichnungen von Schauspielercostümen, theatralischen Stellungen und Rollencharakteristiken aus Leipzig. – Von einem späteren Ausfluge nach Hamburg und Lübeck brachte er eine Folge von Zeichnungen zurück, welche in feinsten Strichlagen Senatoren in ihrer Amtstracht und allerlei Volkstypen darstellen. – In der Akademie der Künste werden auch Studienblätter zu Darstellungen von Ballettänzen, ausgeführt von dem Tänzerpaare Vigano, gleichsam Momentaufnahmen, bewahrt, welche S. als Umrißradirungen 1796 veröffentlichte. – Für den Vorhang des im Jahre 1817 abgebrannten Schauspielhauses zeichnete er im Jahre 1807 die schwebenden Gestalten des Dramas, des Lustspiels und des Tanzes, sowie die farbigen Colossalköpfe dieser Figuren mit besonderer Rücksicht auf Theaterbeleuchtung. – Mit Hingebung und Eifer arbeitete S. vor allem die Porträts seiner lieben Berliner Zeitgenossen aus, bald in großen und kräftigen Zügen hingeschrieben, bald auf das feinste wie Stichvorlagen behandelt, immer lebensvoll und wahr, wie man glauben muß, von frappirender Aehnlichkeit. – Wohl der früheren Zeit gehört eine sorgfältige, weiß gehöhte Tuschzeichnung (in der Nationalgalerie) mit 11 gedrängten Kopfstudien aus dunklem Grunde an, darunter die Porträts der Königin Louise und des Königs Friedrich Wilhelm III. – Ungewöhnlich fein modellirt ist das Brustbildniß einer alten Frau Voitus (Bleistiftzeichnung in der Nationalgalerie) mit Hals- und Mützenkrause. – Von echt weiblicher Anmuth sind die Porträts der spanischen Tänzerin Frau Hieronyma Scholz, der Händel-Schütz und der Unger, der Profilkopf der Schauspielerin Frau Fleck-Schröck und die Bildnisse der Schwestern Schlegel, von welchen das der zehnjährigen Tochter des Münzdirectors Schlegel, der späteren Generalin v. Paulsdorf ideale Schönheit athmet. – Rauch’s Porträt zeichnete er im Jahre 1812 kurz vor dessen Abreise nach Rom, ein Meisterblatt, gestochen von E. Mandel. – Aus Gruppen von Freunden und Verwandten entstanden ansprechende Genrebilder, in welchen die altväterliche Zeit mit ihrer Steifheit, Biederkeit und Schlichtheit sich trefflich wiederspiegelt. – Als sein Sohn Wilhelm im Jahre 1826 nach Düsseldorf übersiedelte, versäumte der Vater nicht, die scheidende Familie als Erinnerungsblatt für sich zu zeichnen. – Das Gemälde desselben Sohnes „Die sieben klugen und sieben thörichten Jungfrauen“ gab er sich die Mühe, sorgfältig mit Blei zu copiren. – Ein ausgezeichnetes Selbstporträt des Künstlers in Kreide (Achteck), Brustbild [511] en face, aus seinem mittleren Lebensalter, mit etwas verdrossener Miene, befindet sich in der Nationalgalerie.

S. übte auch mit Geschick die Kunst des Radirens, aus der wir nur sein geistreiches, aus menschlichen Gestalten zusammengesetztes Alphabet und die Darstellungen des Tänzerpaares Vigano herausheben, ebenso häufig zeichnete er auf Stein. Friedländer’s treffliches Verzeichniß der Radirungen und Lithographieen entbehrt noch der Vollständigkeit. Die Laune seines derben Humors, der ungeschminkte Berliner Witz entlud sich mitunter in einer Fülle von Caricaturen, von welchen die auf Napoleon und die große Armee gemünzten als die schärfsten und ergötzlichsten genannt sein mögen.

Im Jahre 1805 als Vicedirector der königl. Akademie der Künste und im Februar 1816 zum Director ernannt, entfaltete S. eine erfolgreiche Lehrthätigkeit, in der ihm seit 1839 Tieck als Hülfskraft zur Seite stand. Bei tiefgehender Kenntniß aller menschlichen Bildungen und Meister in der Technik war er, mit seltenem Lehrtalent begabt, wie Wenige seines Gleichen für den Unterricht berufen, den er in seiner kernigen und humoristischen Weise bisweilen auch im Volksdialecte ertheilte. Der Nachwelt erscheint er als originelle Charakterfigur des alten Berlin, dem er mit Leib und Seele angehörte, ein Freund der Biederkeit und des gesunden Menschenverstandes.

Es ist bezeichnend für die Vielseitigkeit Schadow’s, daß er auch für die Wissenschaft den lebhaftesten Sinn bethätigte und auf Grund exacter, nüchterner Untersuchungen einige namhafte Werke herausgab. So erschien im J. 1830 die „Lehre von den Knochen und Muskeln, von den Verhältnissen des menschlichen Körpers, und von den Verkürzungen. In 30 Tafeln. Berlin.“ Eine Frucht langwieriger Vorstudien und Beobachtungen war das noch heute als werthvoll zu bezeichnende Werk „Polyclet oder von den Maaßen des Menschen nach dem Geschlecht und Alter, mit Angabe der wirklichen Naturgröße nach dem Rheinländischen Zollstocke, und Abhandlung von dem Unterschiede der Gesichtszüge und Kopfbildung der Völker des Erdbodens. Berlin 1834. Dazu Atlas in Großfolio von 29 nicht numerirten Tafeln mit Inhaltsverzeichniß.“ Als Ergänzung folgte dazu im nächsten Jahre das Werk „Nationalphysiognomien oder Beobachtungen über den Unterschied der Gesichtszüge und die äußere Gestaltung des Kopfes, in Umrissen dargestellt auf 29 Tafeln, als Fortsetzung des Polyclet oder Lehre von den Verhältnissen des menschlichen Körpers. Berlin 1835.“ Die Studien zu beiden Bilderwerken befinden sich im Nachlaß Schadow’s in der Akademie der Künste. – Unablässig beschäftigte ihn auch in den späteren Lebensjahren das Studium der Kunstdenkmäler alter und neuer Zeit. Sein kunstgeschichtliches Interesse bezeugt namentlich das Werk „Wittenberg Denkmäler der Bildnerei, Baukunst und Malerei, mit historischen und artistischen Erläuterungen, herausgegeben von Johann Gottfried Schadow, Wittenberg 1825“ (Text von Stiedemann und Fr. Förster).

Von untergeordneter Bedeutung sind Schadow’s schriftstellerische Leistungen, welche Friedländer S. 154–157 verzeichnet. Die unter dem Titel „Kunst-Werke und Kunst-Ansichten“ 1849 veröffentlichten Aufzeichnungen, Erinnerungen seit den letzten Regierungsjahren Friedrichs des Großen enthalten einige für die Geschichte des Berliner Kunst- und Culturlebens brauchbare Mittheilungen, entbehren aber der Zuverlässigkeit und geordneten Folge.

Es war ihm ein langes Leben beschieden, dem Glück und Anerkennung nicht gefehlt hat. Daneben traf ihn auch manches schwere Leid. Im J. 1815 starb seine Frau, 1822 verlor er seinen hochbegabten Sohn, den Bildhauer Rudolf Schadow in Rom und 1832 auch seine zweite Gattin, von der ihm zwei Kinder Felix und Lyda, die Gattin E. Bendemann’s, als Stützen seines Alters [512] blieben. – Kurz bevor sein Lebensabend durch ein Augenleiden sehr getrübt wurde, modellirte er noch eine kleine Arbeit für die königl. Porzellanmanufactur, die Weinsbergerin, welche ihren Mann auf dem Rücken trägt.

Am 26. Januar 1838 war es ihm vergönnt, unter allgemeiner Huldigung seine 50jährige Mitgliedschaft der Akademie zu feiern. Er war Ehrendoctor der Berliner philosophischen Facultät, Mitglied fast aller Akademieen, Ritter des Ordens pour le mérite und besaß zahlreiche andere Ehrenzeichen.

Im Alter von 86 Jahren erkrankte er an einem Lungenleiden und starb zu Berlin am 28. Januar 1850. Sein Grab auf dem alten Dorotheenstädtischen Friedhofe vor dem ehemaligen Oranienburger Thore zwischen den Ruhestätten seiner beiden Gattinnen ist durch seine Porträtstatuette mit Zirkel und Meißel von H. Kähler gekennzeichnet.

Die Bildnisse Schadow’s, Büsten, Gemälde u. s. w. sind von Friedländer S. 158–161 genannt. Die Nationalgalerie besitzt ein am 19. December 1844 nach dem Leben gezeichnetes vorzügliches Bildniß von Theodor Neu und die von E. Mandel nach J. Hübner’s Oelgemälde (1832) ausgeführte Stecherzeichnung.

Vgl. Erläuterungen der Abbildungen von den Bildhauerarbeiten des Johann Gottfried Schadow und seines Sohnes Ridolfo Schadow. Berlin 1849. – Neues Allgem. Künstlerlexikon von G. K. Nagler. München 1845. 15. Bd. – Dr. G. Schadow, Vortrag bei der am 27. Februar 1850 stattgefundenen Gedächtnißfeier (Abdruck aus dem Preuß. Staatsanzeiger Nr. 67). Berlin 1850. – Johann Gottfried Schadow und seine Werke von Fr. Eggers. Deutsches Kunstblatt 1850. Nr. 11–13. – Der moderne Vasari. Erinnerungen aus dem Künstlerleben. Novelle von Wilhelm v. Schadow. Berlin 1854. – Gottfried Schadow, Aufsätze und Briefe nebst einem Verzeichniß seiner Werke. Zur hundertjährigen Feier seiner Geburt – 20. Mai 1764 – herausgegeben von Dr. Julius Friedländer. Düsseldorf 1864. – Nachtrag: Gottfried Schadow über einige in den Propyläen abgedruckte Sätze Goethe’s, die Ausübung der Kunst in Berlin betreffend. Düsseldorf 1864. – Deutsche Kunststudien von Hermann Riegel. Hannover 1868. „Gottfried Schadow’s Polyklet“. S. 207. – W. Lübke, Die moderne Berliner Plastik. Westermann’s deutsche Monatshefte 1858. Kunsthistorische Studien 1869. S. 463 ff. – Christian Daniel Rauch von Friedrich und Karl Eggers. 4 Bde. Berlin 1873–1887. – Geschichte der deutschen Kunst seit Carstens und Gottfried Schadow von Hermann Riegel. 1. Theil. 1876. S. 200–220. – Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch von K. Eggers in „Kunst und Künstler des 19. Jahrhunderts“. Leipzig 1882. – Wanderungen durch die Mark Brandenburg von Theodor Fontane. 4. Theil. S. 336. Berlin 1882. – Zeitschrift für bildende Kunst, herausgeg. von C. v. Lützow. Leipzig 1882. 1887. – Gedenkblatt von Jean Pierre Antoine Tassaert von Karl Robert. Berlin 1884. – Geschichte der neueren deutschen Kunst von Franz v. Reber. 2. Aufl. 1. und 2. Bd. Leipzig 1884. – Handzeichnungen von Gottfried Schadow, herausgegeben von der königl. Akademie der Künste zu Berlin. Text von E. Dobbert. Vierzig Tafeln. Farbenlichtdruck von Albert Frisch. Berlin 1886. – Gottfried Schadow. Vortrag gehalten am Jahresfeste des Architektenvereins zu Berlin am 13. März 1887 von Eduard Dobbert. Sonderabdruck aus der Zeitschrift für Bauwesen. Berlin 1887. – Goethe und der Bildhauer Gottfried Schadow von Herman Grimm, in der Vierteljahtschrift für Litteraturgeschichte. Weimar 1888. – Aus den letzten fünf Jahren. Fünfzehn Esseys von Herman Grimm. S. 150 ff. Gütersloh 1890. – Geschichte der modernen Kunst von Adolf Rosenberg. Dritter Band. S. 403–408. Berlin 1890.