Verschiedene: Die Gartenlaube (1889) | |
|
Erzählungen bietet Stefanie Keyser in der Hofgeschichte „Deutsche Art, treu gewahrt“ eine von feinem Humor durchwebte Dichtung, die im 17. Jahrhundert und am Hofe von Weimar spielt. Von Frankreich herüber drang damals das tändelnde Alamode-Unwesen, dem gegenüber aber der mannhafte Herzog Albrecht von Weimar die kernhafte deutsche Art hoch hielt. Eine reizvolle Liebesgeschichte ist Stefanie Keysers Erzählung „Ein deutscher Liebesgott“, deren Hauptfigur Sif als eines der schönsten Vorbilder holder Weiblichkeit erscheint. – Mit kräftigeren, südliche lebhaften, ja glühenden Farben malt A. Schneegans, von dem ein Band italienischer Geschichten, enthaltend Romeos Tochter, Lenz im Herbst, Speranza, vorliegt. „Speranza“ und „Romeos Tochter“ erschienen (letztere unter dem Titel „Sicilische Rache“) in der „Gartenlaube“ und fanden reichen, wohlverdienten Beifall, dessen auch die hinzugefügte eigenartige Novelle „Lenz im Herbst“ gewiß sein darf. – Ein wohlbekannter Erzähler ist den Lesern der „Gartenlaube“ Balduin Möllhausen, von dem ein neuer großer Roman „Die Familie Melville“ vorliegt. Derselbe spielt, wie fast alle Romane des Verfassers, in Nordamerika, und zwar zur Zeit des Bürgerkriegs und kurz nach demselben. Das bis dahin ungetrübte Glück der Familie Melville wird durch den Krieg jäh unterbrochen; ein Theil der Familie sieht die Sache der Südstaaten als die geheiligte an, der andere kämpft mit ernster Begeisterung für die Union. Die tragischen Konflikte sind ergreifend gezeichnet, Land und Leute anschaulich geschildert. Wer mit der Lebensgeschichte Möllhausens bekannt ist, wird sich seine Vorliebe für amerikanische Stoffe zu erklären wissen. Der Erzähler hat dreimal weite Reisen in Nordamerika gemacht und ist mit Land und Leuten wohl vertraut. Wer den Jahrgang 1862 der „Gartenlaube“ zur Hand hat, kann auf S. 453 ein interessantes Bildniß Möllhausens nachschlagen, das den kühnen Jäger und Reisenden in der Tracht eines nordamerikanischen Trappers darstellt. – Mit dem Romane „Ora et labora“ führt sich ein neuer Erzähler, Friedrich Boettcher, aufs glücklichste ein. Es ist ein Bild aus dem socialen Leben der Gegenwart, das er mit packender Wahrheit vor dem Leser entrollt, zu inhaltreich, um flüchtig durchblättert zu werden, aber ein aufmerksames Studium aufs reichste lohnend.
Von beliebten Mitarbeitern unseres Blattes stammen auch die folgenden Erzählungen her: „Der Nordstern und Anderes“, acht Seenovellen von Helene Pichler (München, Georg D. W. Callwey), wohl die ausgezeichnetsten novellistischen Schilderungen des Seelebens, das die Verfasserin als Gattin eines Schiffskapitäns, den sie jahrelang auf allen seinen Reisen begleitete, gründlich kennen lernte; „Im kühlen Grund und andere Geschichten“ von Julie Ludwig (Minden in Westf., J. C. C. Bruns’ Verlag), der Verfasserin der im vorigen Jahre in der „Gartenlaube“ erschienenen und in das Buch mit aufgenommenen reizenden Weihnachtserzählung „Waldemars Brautfahrt“; „Kasino-Geschichten“ von Carl Hecker, illustrirt von H. Schlittgen (Stuttgart, Carl Krabbe), launige, anziehende Erzählungen aus dem Soldatenleben, von einem feinen, glücklichen Humor durchweht; „Dämon ‚Ruhm‘“, Roman von Anton von Perfall (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt), eine markige, kraftvolle Schilderung der in der That dämonischen Gewalt des „Ruhms“, der den Schlaf von brennenden Augen verscheucht und dessen erträumter Glanz jeden Nerv aufstachelt bis zum Wahnsinn; „Vom deutschen Stamme“, Roman von Ferdinand Schifkorn (Dresden, Heinrich Minden), die ergreifende Leidensgeschichte der Siebenbürger Sachsen, jenes deutschen Volksstammes, der, losgelöst vom großen Mutterlande und umstritten von feindlich gesinnten Nationalitäten, doch durch Jahrhunderte seine deutsche Eigenart auf gefährdeter Scholle treu gewahrt hat – ein Tendenzroman wie desselben Verfassers „Rufer im Streite“ (ebenda), aber ein lesenswerther warmer Appell zu Gunsten der unterdrückten deutschen Stammesbrüder.
„Camilla“ heißt ein neuer Roman von Ernst Eckstein (Leipzig, Carl Reißner); derselbe ist jedoch keineswegs ein Römerroman, wie nach dem Titel und bei der Vorliebe des Dichters für römische Stoffe geschlossen werden könnte, sondern spielt in unserer modernen deutschen Gesellschaft und behandelt, zum Theil mit lustspielartigen Wendungen, das Schicksal eines Mädchens, dessen Verhängniß der Reichthum ist. Dieser läßt sie an aufrichtige Liebe bei keinem ihrer vielen Bewerber glauben, bis die endliche Lösung doch eine glückliche ist. – Die alte Frage „Was ist Glück?“ sucht Oskar von Redwitz in seinem hochbedeutsamen Roman „Glück“ (Berlin, Wilhelm Hertz) zu beantworten, und seine gedankentiefe Dichtung, an welcher er fast zwei Jahre gearbeitet hat, ist ein Beleg für den Erfahrungssatz, daß Lebensgüter und Reichthümer nur da zu beglücken vermögen, wo der innere Mensch geläutert ist, diese Läuterung aber das Glück in sich trägt und bedingt. – Rudolf von Gottschalls Roman „Die Tochter Rübezahls“ (Breslau, S. Schottlaender) zeigt geschichtlichen Hintergrund und spielt zur Zeit der Napoleonischen Zwingherrschaft kurz vor und während der Errichtung des Königreiches Westfalen; der Schauplatz ist zum theil Schlesien, zum theil Kassel. Zeitfärbung und Stimmung jener gährenden Jahre sind vortrefflich wiedergegeben, namentlich in der Erhebung des Volkes zu seiner Befreiung von der französischen Gewaltherrschaft. Die Titelheldin ist die Tochter eines schlesischen Großgrundbesitzers, der seiner Eigenart, mystischen Neigungen und Weltabgeschiedenheit wegen im Volksmunde den Beinamen des Rübezahl führt. – Der Dichter von „Waldmeisters Brautfahrt“, Otto Roquette, legt einen neuen Band anmuthsvoller Novellen „Frühlingsstimmen“ (ebenda) auf den Weihnachtstisch, P. K. Rosegger eine tief ergreifende, tragische Erzählung „Martin der Mann“ (Wien, A. Hartleben), in der er die Liebe einer jungen Fürstin schildert, die in einem Waldarbeiter, aber keinem Bauern, sondern einem politischen Flüchtling, ihr Ideal findet und an seiner Seite die Erhabenheit und die Schrecken der Waldwildniß kennen lernt. * *
Der Werth der Milchzähne. Man begegnet noch immer und besonders in den unteren Volksschichten vielen Eltern, denen an der Erhaltung der Milchzähne ihrer Kinder wenig oder gar nichts gelegen ist und die, wenn man sie auf das Unrecht aufmerksam macht, das sie begehen, sich einfach damit entschuldigen, daß diese Zähne ja nur eine verhältnißmäßig kurze Zeit Dienste thun und dann von selbst ausfallen und durch bleibende ersetzt werden.
Wenn diese Leute Gelegenheit hätten, die vielen Schäden, welche durch Vernachlässigung der Milchzähne entstehen, zu beobachten, so würden sie vielleicht von der Wichtigkeit einer aufmerksamen Zahnpflege bei den Kindern besser zu überzeugen sein, als alle wohlgemeinten Ermahnungen des Zahnarztes dies vermögen. Schon die Thatsache, daß zu frühes Ausziehen eines oder mehrerer Milchzähne fast immer Unregelmäßigkeit in der Stellung der nachfolgenden bleibenden Zähne bedingt, ja daß aus demselben Grunde zuweilen diese zweiten Zähne infolge Verengerung des Zahnfaches ganz ausbleiben, sollte Grund genug sein, mehr Sorgfalt auf die Milchzähne zu verwenden.
Das Ausziehen eines Milchzahnes sollte nur im äußersten Nothfalle vorgenommen werden; in den meisten Fällen, wo das Kind über Schmerzen in einem Zahne klagt, liegt gar kein Grund vor, diesen Zahn nun ohne weiteres herausnehmen zu lassen. Die Ursache liegt gewöhnlich im Hohlsein (Caries), und man kann einen Milchzahn ebenso gut mit einer Masse ausfüllen, „plombiren“, wie einen bleibenden Zahn. Ein so gefüllter Milchzahn wird dann seine Bestimmung erfüllen, bis seine Zeit gekommen ist und er durch seinen Nachfolger ersetzt wird; und dann wird auch nicht zu befürchten sein, daß der bleibende Zahn an einer Stelle erscheint, wo er nicht hingehört.
Ist durch unzeitiges Ausziehen von Milchzähnen eine Unregelmäßigkeit in der Stellung der bleibenden Zähne entstanden, so läßt sich dieser Fehler durch orthopädische Vorrichtungen und entsprechende Behandlung seitens des Zahnarztes oftmals wieder gutmachen; aber in manchen Fällen bleibt der Erfolg aus, und jedenfalls ist die Behandlung, da sie mit viel Mühe und Zeitverlust verbunden ist, nicht so wohlfeil, als wenn man zur rechten Zeit den Milchzahn hätte füllen lassen.
Die Beschaffenheit der Knochen bestimmt auch die Güte der Zähne; ein Kind mit schwachen Knochen wird auch weiche Zähne haben, und da wird wohl der Arzt am besten entscheiden, was zur Kräftigung des Knochenbaues für das Kind räthlich ist. Aber deshalb muß auch den Zähnen knochenschwacher Kinder besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Auf eine Unsitte möchte ich noch aufmerksam machen, welche für die Milchzähne von unbedingtem Nachtheile ist. Dies ist das sogenannte „Schlotzen“ an einem Gummisauger, um den eine Hornscheibe gelegt ist, damit das Kind ihn nicht verschlucken kann. Man begegnet diesem „Schlotzer“ oder „Schnuller“ vorzugsweise in Süddeutschland und nicht selten im Munde von Kindern, bei denen man die Anwesenheit sämmtlicher Milchzähne voraussetzen darf. Ich habe Kinder gesehen, die bis zu ihrem dritten Jahre noch dieser geradezu ekelhaften Gewohnheit huldigen durften, nicht nur des Nachts im Schlafe, sondern auch am Tage auf offener Straße beim Spielen etc.
Abgesehen davon, daß diese Gummischlotzer meistens mit Zuckerwasser befeuchtet werden, wodurch der Magen geschwächt und der Appetit beeinträchtigt wird – es werden auch die Zähne, besonders die weicheren, durch die mechanische Reizung des Schlotzens so abgerieben, daß fast nur noch die Wurzeln übrig bleiben. Ich hatte einmal Gelegenheit, ein Kind vom Lande zu sehen, das mit 21/2 Jahren infolge schwacher Knochen noch nicht gehen konnte und dessen Zähne durch das fortgesetzte Schlotzen so abgenutzt waren, daß da, wo man Zähne hätte vermuthen sollen, nur schwarze Stellen am Zahnfleische sichtbar waren, die das Vorhandensein von Milchzahnwurzeln andeuteten.
Wenn man bedenkt, wie durch gesunde, gleichmäßige Zähne das Gesicht unserer Kleinen verschönt wird, so muß man die armen Kinder bedauern, die infolge der Unvernunft ihrer Eltern dieses Schmuckes entbehren und bei denen auch die Verdauung Noth leiden muß; demnach ist es unsere Pflicht, die Eltern auf die Wichtigkeit der Milchzähne und deren Erhaltung aufmerksam zu machen, damit sie ihren Kindern zu einem kräftigen und gesunden Kauapparat verhelfen. Dr. E. W.
Zimmerpflanzen im Dezember. In der allgemeinen Behandlung der beständig im Zimmer stehenden Pflanzen ist der Dezember nicht von den vorhergehenden Monaten verschieden; da aber mehr geheizt wird, so trocknen die Pflanzen mehr aus, müssen also sorgfältiger begossen werden. Ist ein Fenster mit Pflanzen gefüllt, so vergesse man nicht, wenn kalte Nächte zu erwarten sind, des Abends die inneren Fensterflügel zu öffnen. Bei großer Kälte ist es sogar nöthig, die Pflanzen nachts auf den Fußboden zu stellen, bis die größte Kälte vorüber ist.
Hierzu tritt die Pflege der Treibpflanzen und neues Einstellen von Hyazinthen, Tulpen etc., wozu noch Crocus, Narzissen und Jonquillen kommen. Diese stelle man sogleich in das Fenster, denn sie vertragen keine hohe Wärme. Sind die in Töpfen gezogenen japanischen Lilien, als Lilium lancifolium in mehreren Sorten, L. auratum, die schöne weiße Goldbandlilie, noch nicht umgepflanzt, so ist es die höchste Zeit. Man beseitigt die im Sommer aufgefüllte Erde, wobei die am Stengel neu entstandenen jungen Zwiebeln abgenommen und vereinigt in Samenschalen oder flache breite Töpfe gepflanzt werden; später im Frühjahr versetzt man sie vereinzelt in Töpfe oder ins Gartenland, auf welche Weise man nach drei Jahren schon schwache blühbare Zwiebeln erhält. Den untern Theil der Erde von alten Zwiebeln nimmt man aus den Töpfen. Haben die Zwiebeln schon neue Wurzeln, so lasse man den Erdballen ganz und setze ihn auf eine schwache Unterlage von neuer Erde, nicht viel höher als die Zwiebeln früher gestanden haben, so daß nur die Spitze der Zwiebeln schwach bedeckt ist; das allmähliche Auffüllen von Erde wird später nach und nach vorgenommen, sobald sich neue Wurzeln an den Rändern des Erdballens zeigen. Sind dagegen die alten Wurzeln schlecht oder gar verfault, so schneidet man sie ab, entfernt die alte Erde und pflanzt die ganze Zwiebel neu ein, aber nicht höher als bis zu einem Drittel der ganzen Tiefe der Töpfe. Die neu angewendete Erde muß sandiger Humusboden sein, also entweder reine Heideerde oder solche
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 855. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_855.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)