Attentat von Anagni
Das sogenannte Attentat von Anagni, auch Ohrfeige von Anagni, am 7. September 1303 war der Endpunkt einer langen Auseinandersetzung zwischen Papst Bonifatius VIII. und dem französischen König Philipp IV.
Der Konflikt zwischen Papst und König hatte sich schon Jahre vorher abgezeichnet. Hintergrund war die Politik Philipps, der 1296 den Klerus besteuern wollte, um damit den Krieg gegen England zu finanzieren, was erheblichen Widerstand der Kurie zur Folge hatte. Als Reaktion darauf verbot Philipp 1296 die Ausfuhr von Wertsachen aus Frankreich, was den Papsthof von den Abgaben der französischen Pfründen abschnitt. 1301 unterstützte der Papst Bernard Saisset, den Bischof von Pamiers, den Philipp wegen Kritik an seiner Herrschaft festgenommen hatte. Offenbar überschätzte der Papst allerdings auch seine Macht: In der Bulle Unam Sanctam formulierte er 1302 den päpstlichen Machtanspruch in bisher nie dagewesener Form, worauf man am Pariser Hof mit mehreren Gegenschriften antwortete (siehe etwa Johannes Quidort von Paris). Bonifatius drohte Philipp IV. mit der Exkommunikation.
Philipps Vizekanzler Guillaume de Nogaret gelang es, ein Bündnis mit dem einflussreichen Sciarra Colonna zu schließen, der ebenfalls in Gegnerschaft zum Papst stand. Einer Truppe Bewaffneter gelang es in den Morgenstunden des 7. September 1303, in den Palast des Papstes in Anagni einzudringen. Sie bedrohten Bonifatius und forderten ihn auf, von seinem Amt zurückzutreten. Als er dies ablehnte, schlugen sie ihn und hielten ihn in seinem eigenen Palast gefangen. Am 9. September befreiten die Bürger Anagnis den Papst und vertrieben die Angreifer. Gleichwohl wurde der bereits 68-jährige Papst durch die Ereignisse so mitgenommen, dass er vier Wochen später, inzwischen nach Rom zurückgekehrt, verstarb.
Das Papsttum, das durch diesen Akt eine tiefe Demütigung erfuhr, geriet in der Folgezeit in eine immer stärker werdende Abhängigkeit zum französischen König, so dass 1309 sogar für mehrere Jahrzehnte der Papstsitz in die Stadt Avignon verlegt wurde, welche damals zwar offiziell Teil des Heiligen Römischen Reiches war, aber im Einflussbereich des Königreichs Frankreich lag (siehe Avignonesisches Papsttum).
Literatur
- Joachim Ehlers: Die Kapetinger. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2000, S. 203ff.
- Johannes Haller: Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit. Bd. 5: Der Einsturz. Stuttgart 1965, S. 154–159.
- Martin Kaufhold: Wendepunkte des Mittelalters. Ostfildern 2004, S. 144–151.
- André Vauchez: Konzeptionen von Kirche. In: Geschichte des Christentums. Bd. 6. Hrsg. von Michel Mollat du Jourdin und André Vauchez, bearbeitet von Bernhard Schimmelpfennig. Herder, Freiburg i. Br. 1991, Sonderausgabe 2007, S. 264–314, speziell S. 268f.