„Außerordentliche Kündigung im Arbeitsrecht“ – Versionsunterschied

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Die '''außerordentliche Kündigung im Arbeitsrecht''' ist eine [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]], die ein [[Arbeitsverhältnis]] ohne Einhaltung einer Kündigunsfrist beendet.
Die '''außerordentliche Kündigung im Arbeitsrecht''' ist eine [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]], die ein [[Arbeitsverhältnis]] ohne Einhaltung einer [[Kündigungsfristen im Arbeitsrecht|Kündigungsfrist]] beendet.


== Allgemeines ==
== Allgemeines ==
Nach dem [[Arbeitsrecht (Deutschland)|Arbeitsrecht]] kann das unbefristete Arbeitsverhältnis durch die [[Vertragspartei|Vertragsparteien]] nur durch eine einseitig, [[Empfangsbedürftige Willenserklärung|empfangsbedürftige]], rechtsgestaltende, [[Bedingungsfeindlichkeit|bedingungsfeindliche]], unwiderrufliche [[Willenserklärung]]<ref>{{Literatur |Autor=Schaub/Koch |Hrsg=Prof. Dr. Ulrich Koch |Titel=Arbeitsrecht von A-Z |Auflage=25 |Verlag=dtv |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75415-9}}</ref> und demnach nur durch eine [[Kündigungserklärung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigungserklärung]] wirksam beendet werden. Dies resultiert zum einen aus dem Grundsatz: "[[pacta sunt servanda]]" (Verträge sind zu bedienen, d. h. zu erfüllen) und dem Grundsatz der [[Privatautonomie]], wonach jede Person ihre [[Rechtsverhältnis|Rechtsbeziehungen]] selbständig und demnach nach ihrem freien Willen ohne Beteiligung des Staates gestalten kann. Eine [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] des [[Arbeitsverhältnis|Arbeitsverhältnisses]] kann dabei sowohl als [[Ordentliche Kündigung|ordentliche]] als auch als außerordentliche [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] erklärt werden. In beiden Fällen gilt, dass die [[Kündigung]] gem. §§ 4,7 [[Kündigungsschutzgesetz]] als [[rechtswirksam]] angesehen wird, wenn der [[Arbeitnehmer]] nicht innerhalb von drei Wochen nach [[Zugang]] der [[Schriftform|schriftlichen]] [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] [[Klage]] beim [[Arbeitsgericht]] auf Feststellung erhoben hat, dass das [[Arbeitsverhältnis]] nicht durch die [[Kündigung]] aufgelöst wurde.
Im deutschen [[Arbeitsrecht (Deutschland)|Arbeitsrecht]] kann sowohl das unbefristete als auch das [[Befristung|befristete]] Arbeitsverhältnis durch eine einseitige, [[Empfangsbedürftige Willenserklärung|empfangsbedürftige]] [[Willenserklärung]] einer [[Vertragspartei]] beendet werden.<ref>{{Literatur |Autor=Schaub/Koch |Hrsg=Prof. Dr. Ulrich Koch |Titel=Arbeitsrecht von A-Z |Auflage=25 |Verlag=dtv |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75415-9}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Backhaus |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 15 TzBfG |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.18}}</ref> Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann dabei entweder als [[Ordentliche Kündigung|ordentliche]] oder als außerordentliche Kündigung erfolgen. Im Unterschied zur ordentlichen Kündigung muss bei der außerordentlichen ein [[wichtiger Grund]] vorliegen, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist oder bis zu einem vereinbarten Beendigungszeitpunkt [[Zumutbarkeit|unzumutbar]] macht. Das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung kann im [[Arbeitsvertrag (Deutschland)|Arbeitsvertrag]] weder für den Arbeitnehmer noch für den Arbeitgeber ausgeschlossen oder beschränkt werden.<ref>{{Literatur |Autor=Vossen |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.7}}</ref>


== Voraussetzungen einer wirksamen außerordentlichen Kündigung ==
== Voraussetzungen ==
Grundsätzlich besteht das Recht der außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach [https://dejure.org/gesetze/BGB/626.html § 626 BGB] unabhängig von einer [[Befristung]] des Arbeitsverhältnisses.

=== Arbeitsverhältnis ===
Das [[Arbeitsverhältnis]] ist ein besonders ausgestaltetes [[Dienstverhältnis]] und wird grundsätzlich durch einen [[Arbeitsvertrag (Deutschland)|Arbeitsvertrag]] gem. § 611a BGB und ausnahmsweise ohne einen wirksamen [[Arbeitsvertrag (Deutschland)|Arbeitsvertrag]] (sog. faktisches [[Arbeitsverhältnis]]; z.B. bloße Schwarzgeldabrede oder die Beschäftigung von Ausländern ohne die erforderliche Genehmigung) geschlossen.<ref>{{Literatur |Autor=Weidenkaff |Hrsg=Gerd Brudermüller, Jürgen Ellenberger, Isabell Götz, Christian Grüneberg |Titel=Palandt Bürgerliches Gesetzbuch |Auflage=79 |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2019 |ISBN=978-3-406-73800-5 |Seiten=929, Rn.29.}}</ref> Grundsätzlich besteht das Recht der außerordentlichen [[Kündigung]] bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach [https://dejure.org/gesetze/BGB/626.html § 626 BGB] unabhängig von einer [[Befristung]] des Arbeitsverhältnisses.<ref>{{Literatur |Autor=Backhaus |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 15 TzBfG |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.18}}</ref> Die außerordentliche [[Kündigung]] gem. [https://dejure.org/gesetze/BGB/626.html § 626 BGB] ist sowohl für den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber zwingendes Recht und kann im [[Arbeitsvertrag (Deutschland)|Arbeitsvertrag]] weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.<ref>{{Literatur |Autor=Vossen |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.7}}</ref>


=== Kündigungserklärung ===
=== Kündigungserklärung ===
Voraussetzung für eine wirksame außerordentliche Kündigung des [[Arbeitsverhältnis|Arbeitsverhältnisses]] ist eine [[Kündigungserklärung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigungserklärung]]. Das Gesetz sieht für die [[Kündigungserklärung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigungserklärung]] nach [https://dejure.org/gesetze/BGB/623.html § 623] BGB zwingend die [[Schriftform]] voraus (sog. [[Konstitutiv|konstitutives]] Wirksamkeitserfordernis).<ref>BT-Drs. 14/626, 11.</ref> Die [[Kündigungserklärung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigungserklärung]] muss demnach nach [https://dejure.org/gesetze/BGB/126.html § 126 BGB] vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet sein. Für die Namensunterschrift genügt eine Unterschrift mit dem [[Familienname|Familiennamen]] ohne das Beifügen des [[Vorname|Vornamens]]. Auf die [[Lesbarkeit]] kommt es nicht an.<ref>{{Literatur |Autor=Ellenberger |Hrsg=Gerd Brudermüller, Jürgen Ellenberger, Isabell Götz, Christian Grüneberg |Titel=Palandt Bürgerliches Gesetzbuch |Auflage=79 |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2019 |ISBN=978-3-406-73800-5 |Seiten=116, Rn.10.}}</ref> Kündigungsberechtigt sind sowohl [[Arbeitgeber]] als auch [[Arbeitnehmer]]. Handeln für den Kündigenden mehrere Personen (z.B. Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) so haben - soweit keine wirksame [[Stellvertretung]] besteht - alle Parteien zu unterschreiben.<ref>{{Literatur |Autor=Greiner |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 623 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.16}}</ref> Das Wort "Kündigung" muss in der schriftlichen [[Kündigungserklärung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigungserklärung]] nicht zwingend enthalten sein. Es genügt, wenn der Wille des Kündigenden, dass das Arbeitsverhältnis ohne Bindung an eine [[Kündigungsfristen im Arbeitsrecht|Kündigungsfrist]] durch einseitige Gestaltungserklärung für die Zukunft beendet werden soll, ohne Zweifel zum Ausdruck kommt.<ref>{{Literatur |Autor=Greiner |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 623 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.18}}</ref>
Das Gesetz sieht für die [[Kündigungserklärung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigungserklärung]] nach {{§|623|bgb|juris}} BGB zwingend die [[Schriftform]] vor (sog. [[Konstitutiv|konstitutives]] Wirksamkeitserfordernis).<ref>BT-Drs. 14/626, 11.</ref> Die Kündigungserklärung muss demnach gem. {{§|126|bgb|juris}} BGB vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet sein. Für die Namensunterschrift genügt eine Unterschrift mit dem [[Familienname|Familiennamen]] ohne das Beifügen des [[Vorname|Vornamens]]. Auf die [[Lesbarkeit]] kommt es nicht an.<ref>{{Literatur |Autor=Ellenberger |Hrsg=Gerd Brudermüller, Jürgen Ellenberger, Isabell Götz, Christian Grüneberg |Titel=Palandt Bürgerliches Gesetzbuch |Auflage=79 |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2019 |ISBN=978-3-406-73800-5 |Seiten=116, Rn.10.}}</ref> Kündigungsberechtigt sind sowohl [[Arbeitgeber]] als auch [[Arbeitnehmer]]. Handeln für den Kündigenden mehrere Personen (z.B. Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) so haben - soweit keine wirksame [[Stellvertretung]] besteht - alle Parteien zu unterschreiben.<ref>{{Literatur |Autor=Greiner |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 623 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.16}}</ref> Das Wort „Kündigung“ muss in der schriftlichen Erklärung nicht zwingend enthalten sein. Es genügt, wenn der Wille des Kündigenden, das Arbeitsverhältnis ohne Bindung an eine Kündigungsfrist durch einseitige Gestaltungserklärung für die Zukunft zu beenden, ohne Zweifel zum Ausdruck kommt.<ref>{{Literatur |Autor=Greiner |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 623 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.18}}</ref>

=== Wichtiger Grund ===
Die außerordentliche Kündigung kann nur aus wichtigem Grund erfolgen. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn [[Tatsache|Tatsachen]] vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des [[Einzelfall|Einzelfalles]] und unter [[Abwägung]] der Interessen beider [[Vertragspartei|Vertragsparteien]] die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann ({{§|626|bgb|juris}} Abs. 1 BGB).

Das Gesetz definiert nicht, wann ein „wichtiger Grund“ vorliegt. Es handelt sich um einen [[Unbestimmter Rechtsbegriff|unbestimmten Rechtsbegriff]], der durch die [[Arbeitsgericht|Arbeitsgerichte]] auszufüllen ist.<ref>{{Literatur |Autor=Vossen |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.21}}</ref> Aus dem Wortlaut des § 626 BGB ergibt sich insoweit, dass die außerordentliche Kündigung das letzte Mittel (sog. [[Ultima Ratio|ultima ratio]]) für den Kündigenden sein muss. Für den Arbeitgeber kann z.B. anstelle einer Kündigung eine [[Abmahnung (deutsches Arbeitsrecht)|Abmahnung]] des Arbeitnehmers ein milderes Mittel sein, um ein arbeitsvertragswidriges Fehlverhalten zu beanstanden.

Das [[Bundesarbeitsgericht]] prüft die Wirksamkeit in zwei Stufen. Innerhalb der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Kündigungsgrund „an sich“ ohne Berücksichtigung des [[Einzelfall]]s eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde (sog. Negativfilter). Die persönlichen Umstände des Gekündigten sind hier irrelevant. In der zweiten Stufe prüft es, ob die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund der persönlichen Umstände des Gekündigten unzumutbar ist.<ref>{{Literatur |Autor=Vossen |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.28-33}}</ref>

==== Fallgruppen ====
Eine außerordentliche Arbeitgeberkündigung kommt ebenso wie eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Gründen in Betracht.
Die Arbeitsgerichte haben dazu Fallgruppen entwickelt, wann ein wichtigen Kündigungsgrund „an sich“ anzunehmen ist.

Ein wichtiger Grund wurde von der Rechtsprechung etwa im Falle einer dauernden, unberechtigten und schuldhaften Nichterbringung der [[Arbeitsleistung]] angesehen. Hierunter fallen unter anderem der vermehrte „Pausenbummel,“ die vertragswidrige private [[Internetnutzung am Arbeitsplatz|Internetnutzung]] während der [[Arbeitszeit]] und die eigenmächtige Einlegung von Raucherpausen trotz einer vorherigen Abmahnung durch den Arbeitgeber.<ref>vgl. [https://bgb.kommentar.de/Buch-2/Abschnitt-8/Titel-8/Untertitel-1/Fristlose-Kuendigung-aus-wichtigem-Grund/Abgrenzungen-Kasuistik#expertenhinweise ''§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund''] online BGB-Kommentar, Rz. 43 ff.</ref>

Dagegen kann außerdienstliches Verhalten regelmäßig zu keiner außerordentlichen Kündigung führen. Straftaten gegen den [[Arbeitgeber]] begründen regelmäßig einen an sich geeigneten Grund. Straftaten, welche sich nicht gegen den Arbeitgeber oder [[Kollege|Arbeitskollegen]] richten, können nur dann einen an sich geeigneten Grund darstellen, wenn sie das Arbeitsverhältnis beeinträchtigen (z.B. [[Vermögensdelikt (Deutschland)|Vermögensdelikte]] eines [[Kassierer]]s gegen Dritte).<ref>{{Literatur |Autor=Niemann |Hrsg=Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB |Auflage=21 |Verlag=C. H. Beck |Datum=2021 |ISBN=978-3-406-75700-6 |Seiten=Rn.69, 70b, 82, 85.}}</ref> Das Arbeitsgericht Bochum hat in einem Beschluss vom 27. Mai 2020<ref>Az. 1 Ca 741/20</ref> deutlich gemacht, dass eine nicht vorhandene Verwendungsmöglichkeit der Arbeitskraft aufgrund der wirtschaftlichen Situation wegen der [[COVID-19-Pandemie in Deutschland|Corona-Krise]] eine außerordentliche Kündigung nicht trägt.<ref>Matthias Baring: ''Die Corona-Pandemie als Grund für eine außerordentliche Kündigung?'' 5. Juni 2020.</ref>

==== Unzumutbarkeit ====
Liegt ein an sich tauglicher wichtiger Grund vor, muss die Fortführung des Arbeitsverhältnisses für den Kündigenden unzumutbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn sich im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ergibt, dass die Interessen des Kündigenden an der Kündigung gegenüber den Interessen des Gekündigten am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn dem Arbeitgeber mildere Mittel in Form der Abmahnung, [[Versetzung (Arbeitsrecht)|Versetzung]] oder [[Ordentliche Kündigung|ordentlichen Kündigung]] zu Verfügung stehen. Die außerordentliche Kündigung muss daher aufgrund der erheblichen Störung des [[Vertragsverhältnis]]ses unausweichlich das [[Ultima Ratio|letzte Mittel]] darstellen.<ref>{{Literatur |Autor=Niemann |Hrsg=Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB |Auflage=21 |Verlag=C. H. Beck |Datum=2021 |ISBN=978-3-406-75700-6 |Seiten=Rn.25, 25a.}}</ref>


=== Angabe des Kündigungsgrundes ===
=== Angabe des Kündigungsgrundes ===
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Die außerordentliche [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] kann jedoch an weitere Voraussetzungen aufgrund eines besonderen [[Kündigungsschutz|Kündigungsschutzes]] genknüpft sein. Ist eine [[Arbeitnehmer|Arbeitnehmerin]] im [[Mutterschutz]] so ist die [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] nach § [https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/__17.html 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG] unzulässig. Es bedarf in diesem Fall eines Antrages bei der obersten Landesbehörde. Die oberste Landesbehörde kann die [[Kündigung]] nach [https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/__17.html § 17 Abs. 2 S.1 MuSchG] ausnahmsweise für zulässig erklären. Ebenfalls hat der [[Arbeitgeber]] im Falle eines schwerstbehinderten [[Arbeitnehmer|Arbeitnehmers]] nach §§ [https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__168.html 168], [https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__174.html 174 Abs. 1 SGB IX] die vorherige Zustimmung des [[Integrationsamt|Integrationsamtes]] vor der Kündigung einzuholen.
Die außerordentliche [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] kann jedoch an weitere Voraussetzungen aufgrund eines besonderen [[Kündigungsschutz|Kündigungsschutzes]] genknüpft sein. Ist eine [[Arbeitnehmer|Arbeitnehmerin]] im [[Mutterschutz]] so ist die [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] nach § [https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/__17.html 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG] unzulässig. Es bedarf in diesem Fall eines Antrages bei der obersten Landesbehörde. Die oberste Landesbehörde kann die [[Kündigung]] nach [https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/__17.html § 17 Abs. 2 S.1 MuSchG] ausnahmsweise für zulässig erklären. Ebenfalls hat der [[Arbeitgeber]] im Falle eines schwerstbehinderten [[Arbeitnehmer|Arbeitnehmers]] nach §§ [https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__168.html 168], [https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__174.html 174 Abs. 1 SGB IX] die vorherige Zustimmung des [[Integrationsamt|Integrationsamtes]] vor der Kündigung einzuholen.


=== Wichtiger Grund ===
== Rechtsfolge ==
Das Arbeitsverhältnis wird mit [[Zugang]] der Kündigungserklärung fristlos beendet.
Die außerordentliche [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] kann nach [https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__626.html § 626 BGB] nur aus einem wichtigen Grund erfolgen. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn [[Tatsache|Tatsachen]] vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des [[Einzelfall|Einzelfalles]] und unter [[Abwägung]] der Interessen beider [[Vertragspartei|Vertragsparteien]] die Fortsetzung des [[Arbeitsverhältnis|Arbeitsverhältnisses]] bis zum Ablauf der [[Kündigungsfrist]] oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz definiert jedoch nicht ausdrücklich, wann ein "wichtiger Grund" vorliegt. Es handelt sich daher um einen [[Unbestimmter Rechtsbegriff|unbestimmten Rechtsbegriff]], welcher durch die [[Arbeitsgericht|Arbeitsgerichte]] auszufüllen ist.<ref>{{Literatur |Autor=Vossen |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.21}}</ref> Aus dem Wortlaut des [https://dejure.org/gesetze/BGB/626.html § 626 BGB] ergibt sich insoweit, dass die außerordentliche [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] das letzte Mittel (sog. [[Ultima Ratio|ultima ratio]]) sein muss. Das [[Bundesarbeitsgericht]] prüft die Wirksamkeit der außerordentlichen [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] insoweit in zwei Stufen. Innerhalb der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Kündigungsgrund "an sich" ohne Berücksichtigung des [[Einzelfall|Einzelfalles]] eine außerordentliche [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] rechtfertigen würde (sog. Negativfilter). Die persönlichen Umstände des Gekündigten sind hier irrelevant. In der zweiten Stufe wird geprüft ob die Weiterführung des [[Arbeitsverhältnis|Arbeitsverhältnisses]] - jedenfalls bis zum Ablauf der [[Kündigungsfristen im Arbeitsrecht|Kündigungsfrist]] - aufgrund der persönlichen Umstände des Gekündigten zumutbar ist.<ref>{{Literatur |Autor=Vossen |Hrsg=Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB |Auflage=6 |Verlag=C. H. Beck |Ort=Köln/Erfurt |Datum=2020 |ISBN=978-3-406-75687-0 |Seiten=Rn.28-33}}</ref>


Die Kündigung wird gem. {{§|4|kschg|juris}}, {{§|7|kschg|juris}} [[Kündigungsschutzgesetz]] )KSchG) als [[rechtswirksam]] angesehen, wenn der [[Arbeitnehmer]] nicht innerhalb von drei Wochen [[Kündigungsschutzklage]] beim [[Arbeitsgericht]] auf Feststellung erheb, dass das [[Arbeitsverhältnis]] nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde.
=== "An sich" wichtiger Grund ===
Ein an sich wichtiger Grund wurde von der [[Judikative|Rechtsprechung]] im Falle einer dauernden, unberechtigten und schuldhaften Nichterbringung der [[Arbeitsleistung]] angesehen. Hierunter fallen unter anderem der vermehrte "Pausenbummel" , die vertragswidrige private [[Internetnutzung am Arbeitsplatz|Internetnutzung]] in der [[Arbeitszeit]] und die eigenmächtige Einlegung von Raucherpausen trotz einer [[Abmahnung (deutsches Arbeitsrecht)|Abmahnung]] durch den [[Arbeitgeber]]. Die Nichterbringung der [[Arbeitsleistung]] oder die teilweise [[Arbeitsverweigerung]] sind regelmäßig tauglich einen an sich wichtigen Grund darzustellen. Dahingegen kann außerdienstliches Verhalten regelmäßig zu keiner außerordentlichen [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] führen. Straftaten gegen den [[Arbeitgeber]] begründen regelmäßig einen an sich geeigneten Grund. Straftaten welche sich nicht gegen den [[Arbeitgeber]] oder [[Kollege|Arbeitskollegen]] richten, können nur einen an sich geeigneten Grund darstellen, wenn sie das [[Arbeitsverhältnis]] beeinträchtigen (z.B. [[Vermögensdelikt (Deutschland)|Vermögensdelikte]] eines [[Kassierer|Kassierers]] gegen Dritte).<ref>{{Literatur |Autor=Niemann |Hrsg=Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB |Auflage=21 |Verlag=C. H. Beck |Datum=2021 |ISBN=978-3-406-75700-6 |Seiten=Rn.69, 70b, 82, 85.}}</ref> Ebenfalls ist eine COVID19-Erkrankung<ref>Corona als Kündigungsgrund? – Schröder Rechtsanwälte (ra-kanzlei-schroeder.de)</ref> oder die Anordnung von Kurzarbeit<ref>Kurzarbeit als Rettungsschirm des Arbeitnehmers? (Teil I) – Schröder Rechtsanwälte (ra-kanzlei-schroeder.de)</ref> regelmäßig kein wichtiger Grund.


Hat der [[Arbeitnehmer]] die Klageerhebungsfrist versäumt oder hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und wurde kein [[Rechtsmittel]] eingelegt, so kann der [[Arbeitnehmer]] gegen die [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] nicht mehr vorgehen.
=== Unzumutbarkeit ===
Liegt ein an sich tauglicher wichtiger Grund vor, muss nun vom [[Arbeitsgericht]] entschieden werden, ob die Fortführung des [[Arbeitsverhältnis|Arbeitsverhältnisses]] unzumutbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ergibt, dass die [[Interesse (Psychologie)|Interessen]] des Kündigenden an der [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] des [[Arbeitsverhältnis|Arbeitsverhältnisses]] gegenüber den Interessen des Gekündigten am Fortbestand des [[Arbeitsverhältnis|Arbeitsverhältnisses]] überwiegen. Dies ist dann ausgeschlossen, wenn dem [[Arbeitgeber]] mildere Mittel in Form der [[Abmahnung (deutsches Arbeitsrecht)|Abmahnung]], [[Versetzung (Arbeitsrecht)|Versetzung]] oder [[Ordentliche Kündigung|ordentlichen Kündigung]] zu Verfügung stehen. Die außerordentliche Kündigung muss daher aufgrund der erheblichen Störung des [[Vertragsverhältnis|Vertragsverhältnisses]] unausweichlich das [[Ultima Ratio|letzte Mittel]] darstellen.<ref>{{Literatur |Autor=Niemann |Hrsg=Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt |Titel=Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB |Auflage=21 |Verlag=C. H. Beck |Datum=2021 |ISBN=978-3-406-75700-6 |Seiten=Rn.25, 25a.}}</ref>

=== Wahrung der Klagefrist ===
Im letzten Schritt prüft das [[Arbeitsgericht]], ob Klageerhebungsfrist gem. §§ [https://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__4.html 4], [https://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__7.html 7], [https://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__13.html 13 Abs. 1] [https://www.gesetze-im-internet.de/kschg/ KSchG] gewahrt wurde. Wurde gegen die [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] nicht innerhalb von drei Wochen nach [[Zugang]] gerichtlich vorgegangen, gilt diese als [[rechtswirksam]].

== Rechtsfolge der außerordentlichen Kündigung ==
Das [[Arbeitsverhältnis]] wird mit [[Zugang]] der [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] beendet. Hat der [[Arbeitnehmer]] die Klageerhebungsfrist versäumt oder hat das [[Arbeitsgericht]] die [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] für rechtswirksam erklärt und wurde kein [[Rechtsmittel]] eingelegt, so kann der [[Arbeitnehmer]] gegen die [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|Kündigung]] nicht mehr vorgehen.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references responsive />
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{{Rechtshinweis}}

[[Kategorie:Arbeitsrecht]]
[[Kategorie:Individualarbeitsrecht (Deutschland)]]

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Die außerordentliche Kündigung im Arbeitsrecht ist eine Kündigung, die ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet.

Allgemeines

Im deutschen Arbeitsrecht kann sowohl das unbefristete als auch das befristete Arbeitsverhältnis durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung einer Vertragspartei beendet werden.[1][2] Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann dabei entweder als ordentliche oder als außerordentliche Kündigung erfolgen. Im Unterschied zur ordentlichen Kündigung muss bei der außerordentlichen ein wichtiger Grund vorliegen, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist oder bis zu einem vereinbarten Beendigungszeitpunkt unzumutbar macht. Das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung kann im Arbeitsvertrag weder für den Arbeitnehmer noch für den Arbeitgeber ausgeschlossen oder beschränkt werden.[3]

Voraussetzungen

Grundsätzlich besteht das Recht der außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB unabhängig von einer Befristung des Arbeitsverhältnisses.

Kündigungserklärung

Das Gesetz sieht für die Kündigungserklärung nach § 623 BGB zwingend die Schriftform vor (sog. konstitutives Wirksamkeitserfordernis).[4] Die Kündigungserklärung muss demnach gem. § 126 BGB vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet sein. Für die Namensunterschrift genügt eine Unterschrift mit dem Familiennamen ohne das Beifügen des Vornamens. Auf die Lesbarkeit kommt es nicht an.[5] Kündigungsberechtigt sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Handeln für den Kündigenden mehrere Personen (z.B. Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) so haben - soweit keine wirksame Stellvertretung besteht - alle Parteien zu unterschreiben.[6] Das Wort „Kündigung“ muss in der schriftlichen Erklärung nicht zwingend enthalten sein. Es genügt, wenn der Wille des Kündigenden, das Arbeitsverhältnis ohne Bindung an eine Kündigungsfrist durch einseitige Gestaltungserklärung für die Zukunft zu beenden, ohne Zweifel zum Ausdruck kommt.[7]

Wichtiger Grund

Die außerordentliche Kündigung kann nur aus wichtigem Grund erfolgen. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB).

Das Gesetz definiert nicht, wann ein „wichtiger Grund“ vorliegt. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch die Arbeitsgerichte auszufüllen ist.[8] Aus dem Wortlaut des § 626 BGB ergibt sich insoweit, dass die außerordentliche Kündigung das letzte Mittel (sog. ultima ratio) für den Kündigenden sein muss. Für den Arbeitgeber kann z.B. anstelle einer Kündigung eine Abmahnung des Arbeitnehmers ein milderes Mittel sein, um ein arbeitsvertragswidriges Fehlverhalten zu beanstanden.

Das Bundesarbeitsgericht prüft die Wirksamkeit in zwei Stufen. Innerhalb der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Kündigungsgrund „an sich“ ohne Berücksichtigung des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde (sog. Negativfilter). Die persönlichen Umstände des Gekündigten sind hier irrelevant. In der zweiten Stufe prüft es, ob die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund der persönlichen Umstände des Gekündigten unzumutbar ist.[9]

Fallgruppen

Eine außerordentliche Arbeitgeberkündigung kommt ebenso wie eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Gründen in Betracht. Die Arbeitsgerichte haben dazu Fallgruppen entwickelt, wann ein wichtigen Kündigungsgrund „an sich“ anzunehmen ist.

Ein wichtiger Grund wurde von der Rechtsprechung etwa im Falle einer dauernden, unberechtigten und schuldhaften Nichterbringung der Arbeitsleistung angesehen. Hierunter fallen unter anderem der vermehrte „Pausenbummel,“ die vertragswidrige private Internetnutzung während der Arbeitszeit und die eigenmächtige Einlegung von Raucherpausen trotz einer vorherigen Abmahnung durch den Arbeitgeber.[10]

Dagegen kann außerdienstliches Verhalten regelmäßig zu keiner außerordentlichen Kündigung führen. Straftaten gegen den Arbeitgeber begründen regelmäßig einen an sich geeigneten Grund. Straftaten, welche sich nicht gegen den Arbeitgeber oder Arbeitskollegen richten, können nur dann einen an sich geeigneten Grund darstellen, wenn sie das Arbeitsverhältnis beeinträchtigen (z.B. Vermögensdelikte eines Kassierers gegen Dritte).[11] Das Arbeitsgericht Bochum hat in einem Beschluss vom 27. Mai 2020[12] deutlich gemacht, dass eine nicht vorhandene Verwendungsmöglichkeit der Arbeitskraft aufgrund der wirtschaftlichen Situation wegen der Corona-Krise eine außerordentliche Kündigung nicht trägt.[13]

Unzumutbarkeit

Liegt ein an sich tauglicher wichtiger Grund vor, muss die Fortführung des Arbeitsverhältnisses für den Kündigenden unzumutbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn sich im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ergibt, dass die Interessen des Kündigenden an der Kündigung gegenüber den Interessen des Gekündigten am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn dem Arbeitgeber mildere Mittel in Form der Abmahnung, Versetzung oder ordentlichen Kündigung zu Verfügung stehen. Die außerordentliche Kündigung muss daher aufgrund der erheblichen Störung des Vertragsverhältnisses unausweichlich das letzte Mittel darstellen.[14]

Angabe des Kündigungsgrundes

Die Kündigungserklärung muss grundsätzlich den Kündigungsgrund nicht nennen. Ausnahmsweise muss der Kündigungsgrund schon in der Kündigungserklärung selbst angegeben werden, wenn ein Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit (§ 22 Abs. 3 BBiG) oder einer Arbeitnehmerin in Mutterschutz (§ 17 Abs. 2 S. 2 MuSchG) gekündigt werden soll. Der Arbeitnehmer kann jedoch im Falle der außerordentlichen Kündigung nach Zugang der Kündigungserklärung die Angabe des Kündigungsgrundes nach § 626 Abs. 2 S. 3 BGB verlangen.

Empfangsbedürftigkeit der Kündigungserklärung

Da es sich bei der Kündigungserklärung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist diese nach § 130 BGB erst wirksam, wenn sie der anderen Vertragspartei zugeht.[15] Der Zugang ist dann anzunehmen, wenn die Kündigungserklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, sodass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat vom Inhalt Kenntnis zu nehmen. Briefe gehen daher grundsätzlich bei persönlicher Aushändigung zu. Beim Einwurf in den Briefkasten ist der Zeitpunkt maßgeblich in dem nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Leerung zu rechnen ist.[16]

Kündigungserklärungsfrist

Damit eine außerordentliche Kündigung wirksam erklärt werden kann, hat die Kündigung nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen. Die zweiwöchige Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 S. 2 BGB dabei mit der Kenntnis des Kündigenden von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. Insoweit ist es daher erforderlich, dass der Kündigende alles in Erfahrung gebracht hat, sodass eine Entscheidung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Damit die Frist beginnen kann, muss der Kündigende daher von den Kündigungsgründen wissen (sog. positive Kenntnis). Eine fahrlässige Unkenntnis genügt insoweit nicht.[17] Diese Frist dient dabei zum einen der Rechtssicherheit, damit der Kündigende sich die Kündigungsgründe nicht beliebig lange "aufsparen" kann. Der Gekündigte soll Gewissheit erlangen, ob sein Verhalten zu einer außerordentlichen Kündigung führt oder nicht. Andererseits soll der Kündigende nicht zur hektischen Eile angetrieben werden, sodass die Entscheidung wohlüberlegt erfolgen kann.[18]

Anhörung des Betriebsrates

Der Arbeitgeber hat nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor jeder Kündigung den Betriebsrat anzuhören. Erfolgt vor der Kündigung keine Anhörung, ist die Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam. Wurde dieses Verfahren zur Anhörung des Betriebsrates ordnungsgemäß durchgeführt und ist die einwöchige Frist des § 102 Abs. 3 BetrVG abgelaufen, so kann der Arbeitgeber die Kündigung erklären. Insoweit ist irrelevant, ob der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt hat, Bedenken ausgesprochen hat oder der Kündigung widersprochen hat.[19]

Besonderer Kündigungsschutz

Die außerordentliche Kündigung kann jedoch an weitere Voraussetzungen aufgrund eines besonderen Kündigungsschutzes genknüpft sein. Ist eine Arbeitnehmerin im Mutterschutz so ist die Kündigung nach § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG unzulässig. Es bedarf in diesem Fall eines Antrages bei der obersten Landesbehörde. Die oberste Landesbehörde kann die Kündigung nach § 17 Abs. 2 S.1 MuSchG ausnahmsweise für zulässig erklären. Ebenfalls hat der Arbeitgeber im Falle eines schwerstbehinderten Arbeitnehmers nach §§ 168, 174 Abs. 1 SGB IX die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes vor der Kündigung einzuholen.

Rechtsfolge

Das Arbeitsverhältnis wird mit Zugang der Kündigungserklärung fristlos beendet.

Die Kündigung wird gem. § 4, § 7 Kündigungsschutzgesetz )KSchG) als rechtswirksam angesehen, wenn der Arbeitnehmer nicht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheb, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde.

Hat der Arbeitnehmer die Klageerhebungsfrist versäumt oder hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und wurde kein Rechtsmittel eingelegt, so kann der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht mehr vorgehen.

Einzelnachweise

  1. Schaub/Koch: Arbeitsrecht von A-Z. Hrsg.: Prof. Dr. Ulrich Koch. 25. Auflage. dtv, 2020, ISBN 978-3-406-75415-9.
  2. Backhaus: Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 15 TzBfG. Hrsg.: Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 6. Auflage. C. H. Beck, Köln/Erfurt 2020, ISBN 978-3-406-75687-0, S. Rn.18.
  3. Vossen: Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB. Hrsg.: Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 6. Auflage. C. H. Beck, Köln/Erfurt 2020, ISBN 978-3-406-75687-0, S. Rn.7.
  4. BT-Drs. 14/626, 11.
  5. Ellenberger: Palandt Bürgerliches Gesetzbuch. Hrsg.: Gerd Brudermüller, Jürgen Ellenberger, Isabell Götz, Christian Grüneberg. 79. Auflage. C. H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73800-5, S. 116, Rn.10.
  6. Greiner: Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 623 BGB. Hrsg.: Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 6. Auflage. C. H. Beck, Köln/Erfurt 2020, ISBN 978-3-406-75687-0, S. Rn.16.
  7. Greiner: Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 623 BGB. Hrsg.: Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 6. Auflage. C. H. Beck, Köln/Erfurt 2020, ISBN 978-3-406-75687-0, S. Rn.18.
  8. Vossen: Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB. Hrsg.: Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 6. Auflage. C. H. Beck, Köln/Erfurt 2020, ISBN 978-3-406-75687-0, S. Rn.21.
  9. Vossen: Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht § 626 BGB. Hrsg.: Rüdiger Linck, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 6. Auflage. C. H. Beck, Köln/Erfurt 2020, ISBN 978-3-406-75687-0, S. Rn.28–33.
  10. vgl. § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund online BGB-Kommentar, Rz. 43 ff.
  11. Niemann: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB. Hrsg.: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 21. Auflage. C. H. Beck, 2021, ISBN 978-3-406-75700-6, S. Rn.69, 70b, 82, 85.
  12. Az. 1 Ca 741/20
  13. Matthias Baring: Die Corona-Pandemie als Grund für eine außerordentliche Kündigung? 5. Juni 2020.
  14. Niemann: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB. Hrsg.: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 21. Auflage. C. H. Beck, 2021, ISBN 978-3-406-75700-6, S. Rn.25, 25a.
  15. Ellenberger: Palandt Bürgerliches Gesetzbuch § 130. Hrsg.: Gerd Brudermüller, Jürgen Ellenberger, Isabell Götz, Christian Grüneberg. 79. Auflage. C. H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73800-5, S. 121, Rn.2, 3.
  16. Ellenberger: Palandt Bürgerliches Gesetzbuch § 130. Hrsg.: Gerd Brudermüller, Jürgen Ellenberger, Isabell Götz, Christian Grüneberg. 79. Auflage. C. H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73800-5, S. 121, Rn.5, 6.
  17. Niemann: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB. Hrsg.: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 21. Auflage. C. H. Beck, 2021, ISBN 978-3-406-75700-6, S. Rn.209.
  18. Niemann: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 626 BGB. Hrsg.: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 21. Auflage. C. H. Beck, 2021, ISBN 978-3-406-75700-6, S. Rn.200, 201.
  19. Kania: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 102 BetrVG. Hrsg.: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt. 21. Auflage. C. H. Beck, 2021, ISBN 978-3-406-75700-6, S. Rn.25.