Flugzeugabsturz bei Gibraltar (1943)
Władysław Eugeniusz Sikorski (* 20. Mai 1881 in Tuszów Narodowy bei Mielec, Galizien/Österreich-Ungarn, heute Polen; † 4. Juli 1943 bei Gibraltar) war ein polnischer Offizier, Oberbefehlshaber, Staatsmann, Politiker und in den Jahren 1939 bis 1943 Premierminister der Polnischen Exilregierung.
Leben
Im Kampf um die Unabhängigkeit
Neben Marian Kukiel, Walery Sławek, Kazimierz Sosnkowski, Witold Jodko-Narkiewicz sowie Henryk Minkiewicz war er Organisator des "Verbandes des tätigen Kampfes" (poln. Związek Walki Czynnej) in Lemberg im Jahr 1908. Das Ziel des ZWCz war die Vorbereitung eines bewaffneten Aufstandes im russischen Teilungsgebiet Polens. Danach gründete er den Lemberger Schützenverband. Er wurde 1912 Mitglied der "Provisorischen Kommission der Konföderierten Unabhängigkeitsparteien" (poln. Komisja Tymczasowa Skonfederowanych Stronnictw Niepodległościowych) und war in den Jahren 1914–1916 Chef des Militärdepartements des "Obersten Nationalen Komitees" (Naczelny Komitet Narodowy). In dieser Zeit kam es zum Konflikt mit Józef Piłsudski. Zwischen 1916 und 1918 war er mit Rekrutierungsaufgaben für die österreichische Armee betraut.
Im November 1918 trat er in die Polnische Armee ein, wurde Stabschef im Oberkommando der polnischen Truppen in Galizien und damit einer der Befehlshaber bei der Verteidigung von Przemyśl. Im Polnisch-Sowjetischen Krieg hatte er verschiedene Kommandoposten inne, u.a. Befehlshaber der polesischen Gruppe während der Kiew-Offensive, der 5. Armee während der Schlacht um Warschau sowie der 3. Armee während der Kämpfe im Gebiet um Zamość. Von 1921 bis 1922 war er Generalstabschef.
Zwischenkriegszeit
Nach der Ermordung von Gabriel Narutowicz ernannte ihn der Marszałek (Präsident) des Sejm Maciej Rataj am 16. Dezember 1922 zum Premierminister (bis 26. Mai 1923). Gleichzeitig war er Innenminister. Seine Regierung erreichte u.a. die Anerkennung der polnischen Ostgrenze durch die Westmächte. Eines seiner politischen Ziele war u.a. das Zurückdrängen der deutschen Minderheit in den Polen durch die Versailler Grenzregelungen zugeschlagenen Gebieten. Bei einem Besuch in Posen im April 1923 sagte er zu dem Bürgermeister Cyryl Ratajski, „dass die deutsche Gefahr in Polen erst gebannt sei, wenn alles deutsche Land in polnische Hände übergegangen sei und der Feind nicht mehr im eigenen Land ernährt werden müsse“. 1923–1924 war er Generalinspekteur der Infanterie, 1924–1925 Kriegsminister im Kabinett von Władysław Grabski. 1925 wurde er zum Befelshaber des VI. Korps/Wehrbreichs in Lemberg ernannt. Als solcher wurde er aufgrund seines Konfliktes mit Piłsudski im Jahr 1928 abberufen.
Während des Maiputsches verließ er Lemberg nicht und sandte der Regierung auch keine Hilfe, was den Anhängern von Piłsudski ihr Vorhaben erleichterte.
Bis 1939 blieb er Offizier ohne Aufgabe, zur Disposition des Kriegsministers. Er besuchte die École Supérieure de Guerre in Frankreich. 1936 war er, neben Wincenty Witos, Ignacy Paderewski und Józef Haller einer der Unterzeichner der Erklärung der oppositionellen Morges-Front.
Zweiter Weltkrieg
Nach dem deutschen Angriff auf Polen im Jahr 1939 verlangte er vom Oberkommandierenden Marschall Edward Rydz-Śmigły seine Abordnung zu einer Kampfeinheit, erhielt diese jedoch nicht. Er ging nach Frankreich, wo er am 28. September mit der Aufstellung der polnischen Exilarmee begann. Am 30. September wurde er zum Premierminister ernannt.
Am 7. November wurde er vom Präsidenten der Republik zum Obersten Befehlshaber und Generalinspekteur der Streitkräfte ernannt. Er organisierte die mehr als 84.000 Angehörige umfassende polnische Armee in Frankreich. Nach der Niederlage Frankreichs unterschrieb er am 5. August 1940 einen Vertrag über den Wiederaufbau der polnischen Armee in Großbritannien.
Nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 unterzeichnete er am 4. Juli mit dem sowjetischen Botschafter Iwan Majski ein Abkommen über die Bildung einer polnischen Armee im Osten (Sikorski-Majski-Abkommen). Dank diesem erließ die Sowjetregierung eine Amnestie für Polen, die zwischen 1939 und 1941 in die Sowjetunion deportiert worden waren.
In einem Schreiben an Edvard Beneš (Gründer der tschechoslowakischen Exilregierung in Großbritannien) vom 17. Februar 1941 wird unter anderem die geplante Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg behandelt:
Geheimhaltung aufgelöst gemäß cj.267/2001 - OZU Kopie aus dem Archiv MZV CR; auszugsweise Zitate:
"Bei unseren Unterredungen am 26. und 27. Januar d. J. erörterten wir die Frage der deutschen Minderheit und die Bildung eines Nationalstaates. Ihren Standpunkt zum Transfer der Deutschen haben Sie bereits im Jahr 1938 zum Ausdruck gebracht, was mit den polnischen Plänen im Einklang steht. ... Die Deutschen müssen zur Wiedergutmachung aller Schäden und zur Genugtuung für alle Gewalttaten und Verbrechen, die sie verschuldet haben, gezwungen werden, und dies nicht nur für jene der jüngsten Zeit. Dies ist nicht ausschließlich eine Frage der Grenzänderung mit dem Übergang uralter slawischer Gebiete auf dem Baltikum und der Oder entlang mit ihrem gesamten Eigentum und Vermögen. Der jahrelange Prozess der Liquidierung des Deutschtums in diesen Gebieten erlaubt uns für die weitere Zeit keine allzu engen Beziehungen zu den Deutschen. Das wird für sie sehr schmerzhaft und ökonomisch nachteilig sein, aber es ist unumgänglich und sehr gerecht. Die Pläne, die Sie gemacht haben und welche sofort nach der Befreiung ausgeführt werden sollen, habe ich für mich übernommen, ich stimme ihnen völlig zu und bestätige sie in allen Punkten wie folgt: Die Repräsentanten unserer Regierungen werden mit den Repräsentanten des Vereinigten Königsreichs, der Vereinigten Staaten und Russlands über die Schaffung nationaler Staaten ohne deutsche Minderheiten auf ihren Gebieten verhandeln, die nach Beendigung des Krieges unseren Nationen zufallen, und wir werden von ihnen die Einwilligung zur Vertreibung aller Deutschen einfordern Die Deutschen müssen jegliches Eigentum am Ort zurücklassen und dürfen lediglich Bekleidung, Schuhwerk und Verpflegung für die Dauer des Transports mitnehmen. Ihr Eigentum und andere Werte werden am Ort zurückgelassen und als Kriegsreparationen verwendet. ... Unsere beiden Nationen wünschen auf ihrem Hoheitsgebiet weder Männer und Frauen noch Kinder deutscher Nationalität, welche eine nationale Minderheit bilden würden. Sie würden die Schaffung eines Nationalstaates stören. ... In das Koordinationskomitee, gebildet durch Ihre Anwesenheit bei der Sitzung am 10. Januar d. J. wäre die Bildung eines Unterausschusses nach Ihrem Vorschlag erwünscht, welcher sich mit dem Transfer der Deutschen und der Konfiszierung ihres Eigentums befassen würde. In diese Richtung geht ein sehr wichtiges Interesse unserer beiden Staaten, und so wird neben Ihrem Staatsminister H. Ripka für die polnische Seite der Außenminister Alexander Zawiza vertreten sein. Den Kontakt wird Seite Charge d'affaires Herr Alexander Zawiza sichern. Die Erkenntnisse und Informationen aus den Verhandlungen des Unterausschusses können anlässlich der „Polnisch-tschechoslowakischen Annäherung“ am 11. Juni d. J. im polnischen Club „Ognisko“ in Stockholm, an der wir beide teilnehmen, besprochen werden. Mit tiefster Hochachtung und Ergebenheit SIKORSKI"
Epilog
Sikorski starb am 4. Juli 1943 während der Rückreise von einer Inspektion der polnischen Truppen im Nahen Osten bei einem Flugzeugabsturz in Gibraltar. Nicht alle Umstände seines Todes wurden vollständig aufgeklärt. Die Akten, die die Ergebnisse der Untersuchungen zu seinem Tode beinhalten, bleiben bis zum Jahr 2050 verschlossen. Er wurde auf dem Friedhof der polnischen Flieger in Newark bei Nottingham beerdigt. Am 17. September 1993 wurden seine Überreste auf den Krakauer Wawel überführt.
Weblinks
- Rede Władysław Sikorskis 1940 (polnisch)
- Biografie auf der Homepage der Regierungskanzlei (Polnisch)
- Geschichte Deutsche und Polen: Person Władysław Sikorski
Personendaten | |
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NAME | Sikorski, Władysław |
ALTERNATIVNAMEN | Sikorski, Władysław Eugeniusz |
KURZBESCHREIBUNG | polnischer Offizier und Politiker |
GEBURTSDATUM | 20. Mai 1881 |
GEBURTSORT | Tuszów Narodowy bei Mielec |
STERBEDATUM | 4. Juli 1943 |
STERBEORT | Gibraltar |