Horst Köhler

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Horst Köhler 2007

Horst Köhler (* 22. Februar 1943 in Skierbieszów, Generalgouvernement, Polen) war vom 1. Juli 2004 bis 31. Mai 2010 der neunte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Von 2000 bis 2004 war er geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Horst Köhler erklärte am 31. Mai 2010 seinen Rücktritt aus seinem Amt.

Biografie

Herkunft

Horst Köhler wurde im polnischen Skierbieszów geboren. Der Ort lag zu dieser Zeit im damaligen Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete, der heutigen Woiwodschaft Lublin. Nach der 1939 erfolgten deutschen Besetzung wurde der Ort Skierbieszów in „Heidenstein“ umbenannt. Köhler kam als siebtes von acht Kindern einer bessarabiendeutschen Bauernfamilie zur Welt. Seine Eltern, Eduard Köhler und Elisabeth Köhler geb. Bernhard, lebten ursprünglich im rumänischen Nord-Bessarabien. Dort wohnten sie in Rîşcani (deutsch: Ryschkanowka) (Rajon Rîşcani), etwa 30 km nördlich von Bălţi, im heutigen Moldawien. Das Dorf wurde 1865 von deutschen Siedlern mitgegründet und hatte 1940 rund 400 deutschstämmige Bewohner. Im Sommer 1940 fiel als Folge des Hitler-Stalin-Paktes die rumänische Provinz Bessarabien durch militärische Besetzung an die Sowjetunion. Die Familie schloss sich im Herbst desselben Jahres mit anderen Volksdeutschen der Umsiedlung aus Bessarabien unter dem Motto Heim ins Reich an. Die Zeit im Deutschen Reich verbrachte die Familie Köhler wie andere Umgesiedelte nahezu zwei Jahre lang in einem Lager. Im August 1942 siedelte man sie als selbstständige Bauern auf einem Hof in Skierbieszów nahe der Kreishauptmannschaft Zamość im Distrikt Lublin an. Zuvor hatte die SS den Ort von den polnischen Bewohnern für die Umsiedler geräumt. [1] Im Folgejahr 1943 wurde Horst Köhler geboren.

Horst Köhler als Direktor des IWF

Frühe Jugend

1944 wurde die Mutter mit dem knapp einjährigen Horst und drei weiteren Geschwistern in ein Auffanglager (Łódź) im Warthegau gebracht. Grund waren die zunehmenden Partisanenüberfälle im Ansiedlungsgebiet um Skierbieszów. Der Vater Horst Köhlers verblieb, wie alle in der Landwirtschaft tätigen Männer, auf dem zugewiesenen Hof. Das Weiterführen der Landwirtschaft und Einbringen der Ernte dauerte bis zum Anrücken der Roten Armee im Juli 1944 an. Beim weiteren Vorrücken im Januar 1945 flüchtete die Familie, wie Millionen anderer Deutscher, in Richtung Westen. Am Ende der Flucht in Markkleeberg-Zöbigker bei Leipzig versuchten seine Eltern erneut, eine bäuerliche Existenz aufzubauen. Als die Kollektivierung der Landwirtschaft drohte, entschloss sich die Familie Köhler im Jahr 1953, die DDR zu verlassen. Die Flucht ging diesmal über West-Berlin in die Bundesrepublik Deutschland. Bis 1957 lebte die Familie Köhler in Flüchtlingslagern, unter anderem im schwäbischen Backnang, wo ein Lehrer das Flüchtlingskind für das Gymnasium empfahl.

Letztendlich fand die Familie in Ludwigsburg eine feste Bleibe. Horst Köhler betrachtet Ludwigsburg als seine Heimat, am dortigen Eduard-Mörike-Gymnasium machte er auch 1963 sein Abitur. In seiner Jugend war er Pfadfinder. Horst Köhler war damals auch unter dem Spitznamen Daniel bekannt.

In einem im Dezember 2007 geführten Interview gibt Horst Köhler an, sich „nicht als Vertriebener zu fühlen“.[2]

Ausbildung

In den 1960er Jahren leistete er den achtzehn-monatigen Wehrdienst ab, und blieb weitere 6 Monate Zeitsoldat, bei einem Panzergrenadierbataillon in Ellwangen, um als Leutnant der Reserve auszuscheiden. Von 1965 bis 1969 studierte Köhler an der Eberhard Karls Universität Tübingen Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaften und wurde 1969 Diplom-Volkswirt. Köhler war Mitglied der Verbindung Normannia Tübingen. Von 1969 bis 1976 war er am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen wissenschaftlicher Referent. 1977 schloss er dort seine Dissertation mit dem Thema „Freisetzung von Arbeit durch technischen Fortschritt“ ab.

Stationen des Berufslebens

Von 1976 bis 1980 war er im Bundesministerium für Wirtschaft in der Grundsatzabteilung tätig. 1981 wurde Horst Köhler Mitglied der CDU und wechselte im gleichen Jahr in die Staatskanzlei der Landesregierung von Schleswig-Holstein unter Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg. Auf dessen Vorschlag hin wurde Köhler 1982 Leiter des Ministerbüros und Leiter der Unterabteilung I A im Bundesministerium der Finanzen. 1987 wird er Leiter der Abteilung I im Bundesfinanzministerium für Grundsatzfragen der Finanzpolitik, finanzielle Fragen einzelner Bereiche und industrielles Bundesvermögen. Ab 1989 war er Leiter der Abteilung VII des Bundesfinanzministeriums für Geld und Kredit.

Horst Köhler und Václav Havel 2000

Von 1990 bis 1993 war Köhler Staatssekretär im Bundesfinanzministerium als Nachfolger von Hans Tietmeyer. Er war verantwortlich für finanzielle und monetäre Beziehungen und damit der maßgebliche deutsche Unterhändler bei den Verhandlungen zum Vertrag von Maastricht und teilweise bei jenen für die Deutsche Wiedervereinigung. Köhler, der mit Russland Milliardenzahlungen für den Abzug der Sowjetarmee aus Deutschland aushandelte, regelte auch die deutsche Finanzhilfe für den Golfkrieg 1991, d. h. die Zahlung von ca. 12 Mrd. DM an die USA. Als so genannter Sherpa des Bundeskanzlers Helmut Kohl sowie als dessen persönlicher Vertreter bereitete er die G7-Wirtschaftsgipfel in Houston (1990), London (1991), München (1992) und Tokio (1993) vor. Laut Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegels, war Köhler in seiner Eigenschaft als Staatssekretär hauptverantwortlich für die Gestaltung der Währungsunion.

1993 bis 1998 leitete er als Präsident den Deutschen Sparkassen- und Giroverband und anschließend zwei Jahre lang (bis 2000) die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE).

Horst Köhler im Gespräch mit dem Sänger Bono der irischen Rockband U2

Im Jahr 2000 wurde Köhler, auf Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), zum Geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), bestellt. Diese Funktion hatte er, als achter Direktor, für eine Amtszeit von fünf Jahren, bis zum 4. März 2004, inne. Köhler ist darüber hinaus Mitglied der Trilateralen Kommission. Inwieweit Köhler sich von der Politik seiner Vorgänger gelöst hat, ist unklar. Seiner Nominierung zum Amt des deutschen Bundespräsidenten durch CDU, FDP und CSU verdankt er sicherlich seinem Ruf als Vertreter dieser politischen Richtung.

Nach über 20-jähriger Tätigkeit in der Finanz- und Währungspolitik wurde er im Herbst 2003 an der Universität Tübingen zum Honorarprofessor ernannt, gleichzeitig mit Wilhelm Rall.

Am 23. Mai 2004 wurde Horst Köhler zum Bundespräsidenten gewählt. Dieses Amt trat er am 1. Juli 2004 an. Am 23. Mai 2009 wurde er mit 613 Stimmen im ersten Wahlgang für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt. Am 31. Mai 2010 erklärte er seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten, aufgrund der Kritik an seinen Äußerungen aus der Debatte zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.

Familienstand

Horst Köhler ist evangelisch und seit 1969 mit Eva Köhler verheiratet, die sich zeitweise als SPD-Mitglied kommunalpolitisch engagierte. Sie haben zwei Kinder, Ulrike und Jochen. Die Tochter Ulrike ist als Teenager durch Retinopathia pigmentosa erblindet.

Bundespräsident

Kandidatur

Am 4. März 2004 nominierten CDU, CSU und FDP Köhler als gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten am 23. Mai 2004 (→ Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2004). Daraufhin legte Köhler sein Amt als Geschäftsführender Direktor des IWF nieder.

Aufgrund der Verhältnisse in der Bundesversammlung galt Horst Köhler als Favorit auf die Nachfolge von Johannes Rau gegenüber der Kandidatin der Regierung, Gesine Schwan (SPD). Die Nominierung Köhlers wurde in der Öffentlichkeit unterschiedlich aufgenommen: Während aus Wirtschaftskreisen einmütige Unterstützung geäußert wurde, störten sich andere Kreise wie etwa DGB oder Attac an dem Umstand, dass Köhlers Profil fast ausschließlich durch seine Rolle im Wirtschaftsleben geprägt sei. Wieder andere hoben gerade dies als Pluspunkt hervor, da man erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Präsidenten wählen könne, der seine Identität nicht ausschließlich durch eine politische Tätigkeit gewonnen habe.

Stellungnahmen während der Kandidatur

Im Mittelpunkt seiner Amtszeit wird nach seinen eigenen Angaben das Werben für weitere Reformen stehen. Er habe „die Bundespräsidentschaft nie angestrebt“, sagte er am 4. März 2004. Doch könne er mit seiner Erfahrung etwas einbringen, „was Deutschland jetzt vor allen Dingen braucht, nämlich eine Diskussion und einen Prozess der Veränderungen nicht nur in der Wirtschaft“. Weiter müsse die Politik das Tempo erhöhen und schnellere Entscheidungen treffen.

Am 7. März 2004, bei seinem ersten politischen Auftritt nach der Nominierung, bezeichnete er die Inhalte und Pläne der so genannten Agenda 2010 der Bundesregierung als „bei Weitem nicht ausreichend“, man habe aber in Deutschland das Potenzial mit den Herausforderungen fertig zu werden. In Zukunft müsse den Menschen noch besser als bisher erklärt werden, warum die Reformen notwendig seien. Eine absolute Priorität müssten Wissenschaft und Bildung erlangen.

Am 10. März 2004 sagte Köhler in einem ZDF-Interview, er wolle ein Kandidat mit Ecken und Kanten sein. Zur Frage der Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk zeigte er sich offen, dass man darüber diskutieren könne. Er sehe aber nicht die unbedingte Notwendigkeit dafür. Für Unruhe in der Union sorgte am 13. März 2004 eine Äußerung Köhlers, in der er öffentlich seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, dass 2006 die CDU die Bundeskanzlerin stellen werde und dabei Angela Merkel wörtlich nannte.

Wahl

Horst Köhler wurde am 23. Mai 2004 zum neunten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Die aus 1.205 Mitgliedern bestehende Bundesversammlung wählte ihn im ersten Wahlgang mit 604 von 1.202 gültigen Stimmen. Er erhielt damit eine Stimme mehr als die für diesen Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit. Seine Gegenkandidatin Gesine Schwan erhielt 589 Stimmen.

Er ist der erste Bundespräsident, der nicht im deutschen Staatsgebiet geboren worden ist.

Politisches Wirken im Amt

Horst Köhler nimmt häufig Stellung zu aktuellen politischen Fragen und eckt damit zuweilen bei Politikern aller Parteien an – trotz und wegen seiner verfassungsgemäß eingeschränkten Rolle als Bundespräsident.

In der Rede nach seiner Wahl würdigte Köhler die Einheit Deutschlands. Er drängte darauf, Ängste zu überwinden sowie Selbstvertrauen zurückzugewinnen, wünschte sich ein „Deutschland der Ideen“ und forderte eine kinderfreundlichere Gesellschaft. Im September 2004 löste er in einem Interview eine Kontroverse aus, als er sagte, der Unterschied der Lebensverhältnisse zwischen Nord und Süd sowie zwischen Ost und West werde bleiben. Während Befürworter diese Äußerung nur als offenes Aussprechen einer Wahrheit ansahen, interpretierten Kritiker die Worte so, dass das Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West nach Meinung des Bundespräsidenten aufgegeben würde.

Horst Köhler als Direktor des IWF mit Néstor Kirchner, dem argentinischen Präsidenten

Am 3. November 2004 wurden Pläne der Bundesregierung unter Gerhard Schröder bekannt, den Tag der Deutschen Einheit als Feiertag abzuschaffen, um so das Wirtschaftswachstum zu erhöhen. Statt am 3. Oktober solle die Wiedervereinigung künftig immer am ersten Sonntag im Oktober gefeiert werden. Köhler kritisierte diese Planungen öffentlich.[3] Mit seinem Eintreten für den Erhalt des Tages der Deutschen Einheit hatte er auch deshalb Erfolg, weil auch in der Regierungskoalition die Bestrebungen Hans Eichels zur Abschaffung des Feiertags keine Unterstützung fanden.

Während einer mehrtägigen Israelreise aus Anlass der Aufnahme diplomatischer Beziehungen beider Länder vor 40 Jahren sprach Köhler am 2. Februar 2005 als zweiter deutscher Bundespräsident nach Johannes Rau vor dem israelischen Parlament, der Knesset. Bis auf die in Hebräisch gehaltene Begrüßung und das Schlusswort hielt er die Rede in deutscher Sprache. Köhler bekannte sich zur deutschen Verantwortung für die Shoa und zum Kampf gegen Judenfeindlichkeit. Er würdigte die besonderen, aber auch sehr engen Beziehungen zu Israel und sagte die Unterstützung Deutschlands für den Friedensprozess im Nahen Osten zu.

Am 8. Mai 2005 hielt Horst Köhler im Reichstagsgebäude eine Rede zum Ende des Zweiten Weltkrieges. In seiner Rede „Begabung zur Freiheit“ erklärte er, dass es keinen Schlussstrich geben könne. Kritiker bemängelten die aus ihrer Sicht unreflektierte Ansicht über die „Erfolgsgeschichte Deutschland“ die Aufbauleistung nach 1945, die er gegenüber dem Leid des Krieges und der NS-Diktatur zu sehr betont habe.

Horst Köhlers erste Rede von einer Kirchenkanzel bei der Verleihung des Memminger Freiheitspreises 1525 in der Kirche St. Martin

In seiner Rede „Die Ordnung der Freiheit“ vom 15. März 2005 forderte Köhler, dass die Politik angesichts der Massenarbeitslosigkeit die Schaffung von Arbeitsplätzen als wichtiger einstufen solle als andere politische Ziele:

„Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir in Deutschland jetzt eine politische Vorfahrtsregel für Arbeit. Was der Schaffung und Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze dient, muss getan werden. Was dem entgegensteht, muss unterlassen werden. Was anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist nachrangig.“[4]

Am 21. Juli 2005 löste Horst Köhler nach der vom Bundeskanzler verlorenen, auflösungsgerichteten Vertrauensfrage auf dessen Vorschlag den Deutschen Bundestag auf und setzte Neuwahlen am 18. September 2005 an. Zwei Bundestagsabgeordnete legten vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen Köhlers Entscheidung ein. Das Gericht stellte jedoch am 25. August die Zulässigkeit der Auflösung des Parlaments fest und wies die Klagen zurück. Dem Urteil stimmten sechs Richter zu, zwei Richter legten ihre abweichende Meinung in einem Minderheitsvotum dar.

Horst Köhler sprach sich im Oktober 2005 bei einer Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz entschieden gegen aktive Sterbehilfe aus:

„Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen“.

Er plädierte zugleich dafür, den Umgang mit Patientenverfügungen gesetzlich zu regeln. Jeder Mensch müsse in jeder Phase seines Lebens entscheiden können, ob und welchen lebensverlängernden Maßnahmen er sich unterziehe.

Auch sprach sich Köhler im März 2006 für den Einsatz der Bundeswehr im Vorfeld von Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo aus.

Am 24. Oktober 2006 fertigte Köhler erstmals ein Gesetz nicht aus. Die vom Bundestag beschlossene Privatisierung der Deutschen Flugsicherung (DFS) und das dazu verabschiedete Flugsicherungsgesetz sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. In der Folge wurde das Gesetz fallen gelassen, da es zu einer notwendigen Grundgesetzänderung nicht kam. Zum zweiten Mal verweigerte Köhler am 8. Dezember 2006 einem Vorhaben der Großen Koalition seine Zustimmung – seiner Meinung nach war das Verbraucherinformationsgesetz nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Neuregelung verstoße gegen das im Rahmen der Föderalismusreform drei Monate zuvor eingeführte Verbot, durch Bundesgesetze den Kommunen Aufgaben zu übertragen.[5] Bundestag und Bundesrat verabschiedeten das Gesetz daraufhin ohne die vom Bundespräsidenten bemängelten Bestimmungen. Die Entscheidung vom Dezember 2006 rief Kritik aus den Reihen von Union und SPD an Köhlers Amtsverständnis hervor, worauf es zu einer Debatte um Notwendigkeit und Umfang der präsidialen Prüfungskompetenz kam.

Den EU-Grundlagenvertrag von Lissabon, der im Dezember 2007 von den europäischen Staats- und Regierungschef beschlossen und im April/Mai 2008 von Bundestag und Bundesrat bestätigt wurde, unterzeichnete Horst Köhler zunächst nicht. Auf Bitten des Bundesverfassungsgerichts, bei dem eine Klage gegen den Lissabon-Vertrag anhängig war, kündigte er an, die Ratifikationsurkunde erst nach einer positiven Entscheidung des Gerichts zu unterzeichnen.[6][7] Das am 30. Juni 2009 gefallene Urteil stoppte den Ratifikationsprozess jedoch vorläufig, sodass die Ratifikationsurkunde bis zu einer erneuten Beschlussfassung von Bundestag und Bundesrat, nicht unterzeichnet wurde.[8][9] Am 23. September 2009 unterzeichnete Köhler dann, bereits in seiner zweiten Amtszeit (siehe unten), die Begleitgesetze zur Umsetzung des Vertrages in Berlin. Zwei Tage darauf, nach der Verkündung der Gesetze im Bundesgesetzblatt, fertigte Köhler die Ratifikationsurkunde aus und noch am gleichen Tag wurde sie in Rom hinterlegt.[10]

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ab 2007 sprach sich Köhler des öfteren für eine Regulierung und „Bändigung“ der Finanzmärkte und des „Finanzkapitalismus“ aus.[11]

Gesellschaftliches Engagement

Horst Köhler in Brackenheim (2009)

Wiederwahl und zweite Amtszeit seit 2009

Am 22. Mai 2008 erklärte Köhler, bei der für den 23. Mai 2009 einberufenen 13. Bundesversammlung erneut für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Wie 2004 stellte sich Köhler erneut der SPD-Kandidatin Gesine Schwan. Er konnte sich auf die Unterstützung des bürgerlichen Lagers aus CDU, CSU, FDP und den Freien Wählern stützen, die über eine knappe Mehrheit von 614 Stimmen in der Bundesversammlung verfügten. Horst Köhler wurde am 23. Mai im ersten Wahlgang mit 613 Stimmen für eine zweite Amtszeit, welche am 1. Juli 2009 begann, als Bundespräsident gewählt.

Im Amt bestätigt, schlug der Bundespräsident dem am 27. September 2009 gewählten 17. Deutschen Bundestag die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin vor, die im ersten Wahlgang erfolgte. Daraufhin ernannte Horst Köhler das II. Kabinett Merkel.

Der Bundespräsident Horst Köhler widmete Papst Benedikt XVI. am 4. Dezember 2009 ein Konzert in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans aus Anlass von 60 Jahren Grundgesetz und 20 Jahren seit den Ereignissen von 1989 (Ansprache des Papstes).

Am 31. Mai 2010 gab Köhler seinen Rücktritt aus seinem Amt bekannt, aufgrund der Kritik an seinen Äußerungen aus der Debatte zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. [12].

Literatur

  • Horst Köhler: Offen will ich sein und notfalls unbequem. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-455-09477-5. Das Buch enthält die Niederschrift eines ausführlichen Interviews und gliedert sich in die Kapitel Werte und Motive, Jugend und Familie, Studium und Karriere, Begegnungen, Deutschlands Stärken, Deutschlands Schwächen, Deutschlands Rolle in der Welt und Amtsverständnis; im Anhang findet sich ein Lebenslauf, ein Bildquellenverzeichnis und ein Register.
  • Gerd Langguth: Horst Köhler. (Biografie). dtv, München 2007, ISBN 978-3-423-24589-0

Fußnoten und Einzelnachweise

  1. Barackenkind im Schloss Bellevue in: Der Stern vom 21. Mai 2004
  2. FAZ-Online: „Zur Freiheit gehört Ungleichheit“ vom 30. Dezember 2007. (Zuletzt aufgerufen am 30. Dezember 2007.)
  3. Frage der nationalen Identität, WDR vom 24. Oktober 2006
  4. Die Ordnung der Freiheit, Rede von Bundespräsident Horst Köhler beim Arbeitgeberforum „Wirtschaft und Gesellschaft“ in Berlin vom 23. November 2006
  5. Köhler stoppt Gesetz zur Verbraucherinformation, Spiegel Online vom 8. Dezember 2006
  6. Spiegel Online vom 30. Juni 2008
  7. ZEIT Online vom 29. Mai 2009
  8. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009
  9. Deutscher Bundestag
  10. EurActiv, 25. September 2009: Deutschland hat Lissabon-Vertrag ratifiziert.
  11. Z.B. Rede von Bundespräsident Horst Köhler beim IX. Munich Economic Summit, 29.04.2010 München
  12. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,697781,00.html
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