Ister Reederei
Die Ister Reederei Gesellschaft mbH war ein Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in Bremen. Die Reederei wurde als Gemeinschaftsunternehmen der österreichischen VÖEST mit der deutschen Schlüssel Reederei D. Oltmann & Co.[1] gegründet. Dies diente dem verstaatlichten Stahlkonzerns einerseits dazu, den Beweis der Tauglichkeit von Stahlblechen, die mit dem neu auf den Markt gebrachten Linz-Donawitz-Verfahren erzeugt wurden, für den Schiffsbau zu erbringen. Andererseits standen Einsparungsgründe dahinter, um die eigenen Frachtkosten der umfangreichen überseeischen Rohstoffbezüge zu senken.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Grundstein für die Ister Reederei wurde durch einen Vertrag vom 20. Februar 1956 zwischen der VÖEST-Geschäftsstelle Frankfurt und der Schlüssel Reederei D. Oltmann[3] gelegt. Dabei wurde neben kaufmännischen Details auch festgelegt, dass die Schlüssel Reederei die Bereederung der geplanten Hochseeflotte übernehmen würde.
Nachdem im Jahr 1957 in der VÖEST mit der Konstruktion von Hochseeschiffen begonnen wurde,[2] erfolgte am 15. Dezember 1958 der Stapellauf des ersten Schiffes Linzertor,[3] dessen Zulassung durch den Germanischen Lloyd noch während der Bauzeit erteilt wurde.[1] Am 2. März 1959 wurde das Schiff im Rahmen einer Probefahrt offiziell an die Reederei übergeben. Neben den Räumlichkeiten für die Besatzung waren auf der Linzertor auch Kabinen für weitere Passagiere vorgesehen: im Rahmen eines Sozialprogramms sollte es Beschäftigten des Linzer Stahlwerkes ermöglicht werden, Erholungsfahrten auf dem Schiff zu unternehmen.
Nach dem Erfolg des ersten Schiffes folgte am 24. Jänner 1961 mit der Wienertor die Indienststellung des zweiten Hochseeschiffes der Ister Reederei. Dessen Stapellauf fand am 15. November 1960 statt, Taufpatin war Maria Pittermann, Ehefrau von Bruno Pittermann (SPÖ), damals Vizekanzler der Regierung Raab IV.[4] Auch auf diesem Schiff waren Kabinen für Werksangehörige der VÖEST vorgesehen.
Einen Rückschlag erhielt die Reederei am 20. Jänner 1966, als ihr drittes Schiff – die Kremsertor – im Ärmelkanal sank.[5] Als Ersatz wurde ein viertes Schiff – die Buntentor – in Auftrag gegeben, das 1967 vom Stapel gelaufen ist.[2]
Eigentumsverhältnisse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei der Gründung der Gesellschaft hielt die VÖEST einen Anteil von 65 % an der Reederei, die restlichen 35 % verteilten sich auf die Gesellschafter der Schlüssel Reederei. Ende der 1970er Jahre zog sich die VÖEST jedoch zurück, 1987 wurde die Ister Reederei gänzlich zum Tochterunternehmen der Schlüssel Reederei.[6]
Seeflagge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schiffe fuhren unter österreichischer Seeflagge nach §§ 1 und 2 Abs. 2 lit. c i. V. m. Abs. 3 Seeflaggengesetz.[7] Dieses musste insbesondere im Zusammenhang mit den geplanten Hochseeaktivitäten der VÖEST erst geschaffen werden, worauf in der Regierungsvorlage vom 31. Mai 1957 dezidiert Bezug genommen wird:[8]
„Die seit 1945 aufgetretenen bedeutenden Verschiebungen in der Richtung des österreichischen Außenhandels, die eine unerwartet große Steigerung des überseeischen Geschäftes und damit einen erhöhten Bedarf an Schiffsraum mit sich gebracht haben, änderte jedoch diese Situation grundlegend. Erhebliche Beträge werden alljährlich in ausländischer Währung für die Bezahlung der Seefrachten aufgewendet. Die VöEST allein muß zum Transport der amerikanischen Kohle und der überseeischen Erze jährlich etwa 50 Schiffe chartern, die zwischen den amerikanischen Kohlenbasen und den europäischen Bestimmungshäfen Bremen, Hamburg und Triest verkehren. Es ist daher der Gedanke, sie mit einer eigenen Werksflotte auszustatten und auf diese Weise vom internationalen Schiffsmarkt unabhängig zu machen, um so weniger abwegig, als auch bei deutschen und italienischen Hüttenwerken ähnliche Tendenzen zu beobachten sind und die Erfahrungen, die sie bereits in der Vorkriegszeit gemacht haben, als durchaus ausgezeichnet bezeichnet werden. Schon diese Tatsachen zeigen, daß man das Bemühen um eine österreichische Hochseeschiffahrt nicht ohne weiteres als Phantasterei von sich weisen darf.“
Ende der 1970er, als sich die VÖEST zurückgezogen hat, wurden die Schiffe aus Österreich ausgeflaggt und an die deutsche Reederei übergeben.[9]
Betriebene Schiffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1959: Linzertor (Tragfähigkeit: 11.280 t)
- 1961: Wienertor (Tragfähigkeit: 16.250 t)
- 1962: Kremsertor (Tragfähigkeit: 18.100 t; 1966 gesunken)[10]
- 1967: Buntentor (Tragfähigkeit: 38.260 t; Ersatz für Kremsertor)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Helmuth Gröbl: VÖEST-Hochseeschifffahrt. Herausgegeben vom Geschichteclub Stahl, Linz 2012.
- A. Lührs, O. Kohlmann: MS „Linzertor“. Gebaut von der Flensburger Schiffsbau-Ges. für die Reederei Ister GmbH, Bremen. In: Schiff & Hafen – Fachzeitschrift für Schifffahrt, Schiffbau & Offshore-Technologie, 1959, S. 421–430.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hochseeschifffahrt. ( vom 2. Januar 2013 im Internet Archive) In: Website des voestalpine Geschichteclub.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Die Geschichte des Linz-Donawitz-Verfahrens. Eine Entwicklung, die die Welt verändert. voestalpine AG (Hrsg.), Linz 11/2012, S. 27, Kapitel 5 Die internationale Stahlindustrie – LD-Stahl für Hochseeschiffe. (Volltext Online, (PDF; 3,5 MB) auf der Website der voestalpine, abgerufen am 15. Juli 2020.)
- ↑ a b c 1956-1962: Die VÖEST bis zum Beginn der Konzernierung. In: Konzern/Historie. Website der voestalpine AG, ohne Datum abgerufen am 15. Juli 2020.
- ↑ a b Die Werften meldeten …: „Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft / […] / 572 MS ‚Linzertor‘, 14200 tdw, f. Istor-Reederei (KR: Schlüssel Reederei D. Oltmann) Bremen. / Stapell. 13. 12. 58“. In: Kehrwieder. Hamburg, Jahrgang 3, Nr. 1, 01/1959, S. 16. (Volltext Online (PDF; S. 18), in: Elektronische Publikationen der SUB Hamburg, abgerufen am 15. Juli 2020.)
- ↑ Vgl. Schiffsglocke. In: Website des österreichischen Dorotheums, 29. März 2017, abgerufen am 15. Juli 2020 („Schiffsglocke der Ister-Reederei Bremen, zur Erinnerung an den Stapellauf des Motorschiffes ‚WIENERTOR‘ durch die Frau Vizekanzler Maria Pittermann am 15. 11. 1960, …“).
- ↑ 1960 bis 1969 – Kurzer Auszug aus der Chronik. voestalpine Geschichteclub.
- ↑ Ein Blick zurück ins Kielwasser. (PDF; 158 kB) Tabellarische Unternehmensgeschichte. In: Website der Schlüssel Reederei, ohne Datum, abgerufen am 15. Juli 2020.
- ↑ Bundesgesetzes vom 17. Juli 1957 über das Recht zur Führung der Flagge der Republik Österreich zur See (Seeflaggengesetz), BGBl. Nr. 187/1957 in der Fassung BGBl. Nr. 133/1960.
- ↑ a b Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz über das Recht zur Führung der Flagge der Republik Österreich zur See (Seeflaggengesetz) vom 31. Mai 1957, 242 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VIII. GP., S. 1 und: Erläuternde Bemerkungen, S. 7, abgerufen am 15. Juli 2020.
- ↑ Stenographisches Protokoll vom 19. April 2012 der 153. Sitzung des Nationalrats, XXIV. GP, Berichterstatter Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ), S. 103: „… Seit 1918 hat Österreich an und für sich keine Hochseeschifffahrt mehr, seit wir keinen Zugang mehr zu einem Hafen hatten. Wir hatten in Österreich ab den späten fünfziger bis in die siebziger Jahre ja eine eigene Reederei. Das war die Ister-Reederei mit vier Schiffen: die ‚Wienertor‘, die ‚Linzertor‘, die ‚Kremsertor‘ und die ‚Buntentor‘, die bis Ende der siebziger Jahre gefahren sind. Dann wurden auch diese Schiffe ausgeflaggt und die Reederei vergeben.“ Zu: Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Seeschiffahrtsgesetz und das Bundesgesetz zur Erfüllung des Internationalen Schiffsvermessungs-Übereinkommens von 1969 geändert werden. In: Seeschiffahrtsgesetz, Bundesgesetz zur Erfüllung des Internationalen Schiffsvermessungs-Übereinkommens von 1969; Änderung (1730 d.B.), April 2012, Website des österreichischen Parlaments.
- ↑ K. Hempel: Der Untergang der ‚Kremsertor‘ auf seefunknetz.de (1966), zuerst in Mitteilungsblatt der Seefunkkameradschaft Bremen, 5/1966