Kyklop
Kyklopen (Vorlage:ELSalt, Kreisäugige, Sg. Vorlage:Polytonisch) oder Zyklopen (Eindeutschung aus dem späteren lat. cyclopes, Sg. cyclops)[1] sind Gestalten der griechischen Mythologie, die in Abstammung, äußerer Gestalt, Lokalisation und Eigenschaften voneinander differieren. Ihnen gemeinsam ist das ungewöhnliche Aussehen der Augen als kreisrunde Augen oder als Einzelauge auf der Stirn. Bereits in der Antike wurden drei Arten von Kyklopen unterschieden,[2] zum einen die hesiodschen Gewitterdämonen, die später zu vulkanischen Dämonen umgedeutet wurden, zum anderen die homerischen Riesen und schließlich die mythischen Baumeister.
Mythische Formen
Dämonen
In Hesiods Theogonie sind die Kyklopen die gottgleichen aber einäugigen Söhne des Uranos und der Gaia, ihre Geschwister sind die Hekatoncheiren und die Titanen. Sie bekamen die Namen Brontes, Steropes und Arges. Wie ihre Geschwister werden sie von Uranos in Gaia, der Erde, eingeschlossen[3] und erst von Zeus befreit, der dafür von ihnen Blitz, Zündkeil und Donner für seinen Kampf gegen die Titanen erhält.[4] In Hesiods Katalog der Frauen werden sie von Apollon getötet.[5]
In der Bibliotheke des Apollodor werden sie mit ihren Geschwistern in den Tartaros verbannt. Sie werden bereits nach der Entmannung des Uranos von den Titanen wieder heraufgeholt, von Kronos jedoch wieder zurückgeschickt. Zeus befreit sie nach zehnjährigem Kampf gegen die Titanen, indem er ihren Wächter Kampe tötet, und erhält die Waffen wie bei Hesiod sowie einen Helm für Hades und einen Dreizack für Poseidon.[6] Sie werden von Apollon getötet, als dieser sich an Zeus für den Tod seines Sohnes Asklepios rächte. Asklepios hatte mehrere Tote wieder auferstehen lassen und war dafür von Zeus mit dem Blitz getötet worden, den er von den Kyklopen erhielt.[7] Der Pfeil, mit dem die Kyklopen getötet wurden, soll nach späterer Überlieferung unter die Sterne versetzt worden sein.[8]
In Nonnos Dionysiaka begleiten die Kyklopen Dionysos bei seinem Feldzug gegen Indien. Ihre Namen sind Brontes, Steropes, Arges, Euryalos, Elatreus, Trakhios und Halimedes. Als einziger Kyklop der nicht mit auf die Reise geht wird Polyphem genannt.[9]
In späterer Sage erscheinen sie als Gehilfen des Hephaistos, die im Innern von Vulkanen Waffen schmieden. Die Umdeutung von Gewitterdämonen hin zu vulkanischen Dämonen ergibt sich daraus, dass vulkanische Phänomene einerseits in einen Zusammenhang mit Gewittern gebracht und andererseits als göttliche Schmiedetätigkeiten gedeutet wurden.[10] Erste Ansätze dieser Vorstellung finden sich bei Euripides, der als Polyphems Wohnsitz den Ätna angibt.[11] Als Gehilfen des Hephaistos erscheinen sie erstmals bei Kallimachos, der sie auf den vulkanischen Liparischen Inseln wohnen lässt.[12] In Vergils Aeneis schmieden die Kyklopen Brontes, Steropes und Pyracmon auf der Insel Volcania Blitze und Donnerkeile für Jupiter, einen Streitwagen für Mars und ein Schild für Athene,[13] in der Georgica lässt Vergil sie im Ätna wohnen.[14]
Bei Kallimachos erhält Artemis von den Kyklopen den Bogen, den sie zur Jagd benutzt.[15]
Homerische Kyklopen
Die bekannteren Kyklopen, denen Odysseus auf seiner Irrfahrt durch das Mittelmeer (Odyssee) begegnete, waren die Söhne des Poseidon. Besonders mit Polyphem hatten Odysseus und seine Mannen große Schwierigkeiten.[16]
Baumeister
Eine weitere Ausbildung der Sage findet man in der Erwähnung der Kyklopen, die nach Strabon aus Lykien kamen und in Tiryns und Mykene Mauern und andere Bauwerke errichteten,[17] welche unter dem Namen „Zyklopische Mauern“ bekannt waren.
Herkunft des Kyklopenglaubens
Historiker und Mythenforscher nehmen heute allgemein an, dass der frühzeitliche Fund von Elefantenschädeln in Nordafrika oder auf den Mittelmeer-Inseln durch südeuropäische Seeleute und Händler die Legende von den einäugigen Riesen begründete, da die große Nasenöffnung des Schädels leicht fälschlicherweise als eine einzelne große Augenhöhle interpretiert werden kann.[18] Auch einige antike figürliche Darstellungen des Kyklopenkopfes zeigen erstaunliche Ähnlichkeiten zur Schädelstruktur von Elefanten. Neben verschiedenen großen Elefantenarten, die in prähistorischer Zeit auf einigen Mittelmeerinseln lebten, gab es auch eine ganze Reihe von Zwergelefanten verschiedener Größen, etwa auf Malta, Kreta, Zypern oder in Sizilien. Viele dieser Arten wurden mit großer Wahrscheinlichkeit neben anderen endemischen Insel-Formen wie Zwerg-Hirschen und Zwerg-Nilpferden zum Teil erst relativ spät vom Menschen ausgerottet.
Selbst die Schädel sehr kleiner Zwergelefanten-Arten waren deutlich größer als die eines Menschen, was dann in deutlich übermenschengroßen Kyklopen-Darstellungen resultierte. Funde solcher Elefanten stammen häufig aus Höhlen, in die die Tiere hineinfielen, was dazu führte, dass ihre Überreste gut erhalten bleiben konnten. Dies ist auch insofern interessant, als zum Beispiel Polyphem in einer Höhle lebte, hier bildeten möglicherweise in Höhlen gefundene Elefanten-Fossilien die Ursprünge dieses Mythos. Die meisten alten Kyklopen-Darstellungen zeigen diese Monster 3–5 m groß, was auch eher dafür spricht, dass Schädelfunde von Zwergelefanten und nicht großer Arten wie etwa Deinotherien, die Ursprünge dieser Mythengestalten bildeten.
Darstellung
Von Künstlern wurden die Kyklopen als Riesen mit einem einzelnen großen Auge auf der Stirn dargestellt, doch oft so, dass darunter auch die Augen an der gewöhnlichen Stelle wenigstens angedeutet waren (Relief des kapitolinischen Museums, Kyklop in der Schmiede des Hephästos).
Literatur
- Wilhelm Heinrich Roscher: Kyklopen. In: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie Bd. 2, Abt. 1: Iache – Kyzikos. Teubner, Leipzig 1894. Sp. 1676-1690.
- C. Calame: La légende du Cyclope dans le folklore européen et extra-européen. Un jeu de transformations narratives. In: Études de lettres 10, 1977. S. 45-79.
- P. Julien: Le thème du Cyclope dans les littératures greque et latine. Paris 1941.
- H. Mondi: The Homeric Cyclopes. in: Transactions of the American Philological Association 113. 1983 S. 17-38.
- Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen – Die Götter- und Menschheitsgeschichten. dtv, München 1994, ISBN 3-423-30030-2.
- Michael Grant und John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. dtv, München 2004, ISBN 3-423-32508-9.
- Robert von Ranke-Graves: Griechische Mythologie - Quellen und Deutung. rororo, Hamburg 2001, ISBN 3-499-55404-6.
- Hesiod: Theogonie oder Der Götter und Göttinnen Geschlecht. (Text beim Projekt Gutenberg-DE).
Weblinks
- Die hesiodschen Kyklopes im Theoi Project (englisch)
- Die homerischen Kyklopes im Theoi Project (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Lateinisch-deutsches Handwörterbuch: Cyclops. Georges: Lateinisch-Deutsch / Deutsch-Lateinisch, S. 15841 (vgl. Georges-LDHW Bd. 1, S. 0)
- ↑ Hellanikos: Fragment 176: Scholion zu Hesiods Theogonie 139. In: Felix Jacoby: Die Fragmente der griechischen Historiker 4 F 88, Weidmann, Berlin.
- ↑ Hesiod: Theogonie 139 ff.
- ↑ Hesiod: Theogonie 492 ff.
- ↑ Hesiod: Katalog der Frauen, Fragment 64.
- ↑ Pseudo-Apollodor: Bibliotheke des Apollodor 1, 1-7.
- ↑ Pseudo-Apollodor: Bibliotheke 3, 118-122.
- ↑ Eratosthenes: Katasterismos 29.
- ↑ Nonnos: Dionysiaka 14, 52 ff; 28, 172 ff.
- ↑ Roscher: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Bd. 2, Abt. 1. Sp. 1678.
- ↑ Euripides: Der Kyklop 297.
- ↑ Kallimachos: Hymnus an Delos 46 f.
- ↑ Vergil: Aeneis 8, 418 ff.
- ↑ Vergil: Georgica 1, 471.
- ↑ Kallimachos: Hymnus an Artemis 46 ff.
- ↑ Homer, Odyssee 9, 105-564
- ↑ Strabon, Geographica, Buch 8, 6, 11
- ↑ Katalog der wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität zu Berlin: Präsentation eines Elefantenschädels als Zyklop (abgerufen am 29. Januar 2010)