Rakauer Katechismus

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Der Rakauer Katechismus (auch Rakówer Katechismus) ist die Zusammenfassung der von Lelius und Faustus Sozzini initiierten radikal-reformatorischen Theologie des Sozinianismus, der das erste Mal 1605 in polnischer Sprache in Raków erschien. Es ist bis heute eine bedeutende Bekenntnisschrift des polnischen Unitarismus bzw. der Polnischen Brüder. Sein Entstehungsort Rakau war in der frühen Neuzeit eines der Zentren des polnischen Unitarismus, hier befandt sich bis zur Vertreibung durch die Gegenreformation auch die Rakauer Schule (auch Rakauer Akademie).

Bereits 1574 wurde vom Krakauer Prediger Georg Schomann ein unitarischer Katechismus verfasst, der die theologischen Standpunkte der polnischen Unitarier wiederzugeben vermochte. Dennoch verstärkte sich nachfolgend der Wunsch nach einer Bekenntnisschrift in einer theologisch geschlosseneren Form, so dass Fausto Sozzini mit der Ausarbeitung eines neuen unitarischen Katechismus betreut wurde [1]. Er kannte seine Arbeit vor seinem Tod 1604 jedoch nicht mehr beenden, so dass Valentin Schmalz, Hohannes Völkel und Hieronymus Moskorzowski seine Arbeit gemeinsam weiter führen mussten. Der Katechismus wurde schließlich 1605 erstmals in polnischer Sprache herausgegeben. 1608 übersetzte ihn Schmalz ins Deutsche und ein Jahr später erschien eine lateinische Ausgabe. 1652 folgten je eine englische und niederländische Übersetzung. Nachfolgend wurde immer wieder neue Ausgaben des Katechismus herausgegeben. Die Bekenntnisschrift wurde so auch im westeuropäischen Raum bekannt und stieß zum Einen auf schroffe Ablehnung der lutherischen und reformierten Orthodoxie, zum Anderen aber auch auf positive Aufnahme in aufgeklärten Kreisen, insbesondere in den Niederlanden und England [2].

Der Rakauer Katechismus hatte den Anspruch seine theologischen Positionen allein aus der Bibel heraus zu gründen, zugleich wurde jedoch betont, diese allein durch das Medium der Vernunft erkennen zu können. Kennzeichned war ein antispkulatives und biblizistisch-positivistisches Denken und eine hermeneutische Herangehensweise an die Schrift [3]. Im Katechismus wird unter anderem für Jesus als Mensch und Gottes Sohn, für den freien Willen und gegen die Erbsünde argumentiert [4]. Auch kritisiert der Katechismus die Taufe von Kindern als unbiblisch, ohne jedoch die Kindertaufe direkt abzulehnen., denn das Reich Gottes besteht nicht in der Taufe, sondern in Gerechtigkeit, Friede und Freunde im Heiligen Geiste [5]. Hinsichtlich des Abendmahls entwirft der Katechismus ein unitarisches Abendmahlsverständnis, das die die Verwandlung (Transsubstantiation) von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, wie sie in der Katholischen Kirche gelehrt wird, ablehnt und Brot und Wein stattdessen als Abbildungen zu verstehen weiß, die Abendmahlsfeier selber wird als Gemeinschaft mit Christi verstanden [6]. Er enthält im Sinne des christlichen Pazifismus zudem die Ächtung jeglicher Formen von Kriegen, auch die der sogenannten "heiligen Kriege". Ferner wird in ihm das erste Mal dargelegt, dass sich der inhaltliche religiöse Glauben von Generation zu Generation ändern müsse, da "jede Generation direkt zu Gott" sei. Und da sich die Vorstellungen der Generationen wandelten, so gelte dies auch für die religiösen Überzeugungen.

Reaktionen auf das Erscheinen des Rakauer Katechismus

Die im Rakauer Katechismus vertretenen Glaubenslehren wurden von der Katholischen, der Lutherischen, der Reformierten und der Anglikanischen Kirche in schärfster Form abgelehnt. So wurde zwar die lateinische Übersetzung des Rakauer Katechismus von 1609 dem König Jakob I. von Großbritannien in einer besonderen Zuschrift von Moskorzowski zugeeignet, auf Beschluss des englischen Parlaments aber 1614 (oder 1613) öffentlich verbrannt.[7] Da der polnische Ort Raków eine Gründung aus sozinianischem Geist der religiösen Toleranz und somit dessen Bevölkerung sozinianisch eingestellt war, wurden die ca. 15.000 Einwohner Rakóws im Zuge der Gegenreformation vertrieben oder ihre Häuser zerstört und ihr Hab und Gut entwendet oder vernichtet.

Die im Rakauer Katechismus dargestellte Auffassung von der grundsätzlichen Historizität der religiösen Auffassungen hat eine späte Weiterführung bei den Deutschen Unitariern in der steten Neuformulierung der radikaldemokratisch zu formulierenden und abzustimmenden Grundgedanken gefunden.

Literatur

  • Benedict Winer: Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache. ersch. bei Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824.
  • Theologisches Universal=Lexikon zum Handgebrauche für Geistliche und Nichttheologen. Verlag von R. L. Friderichs, Elberfeld 1874.
  • Karol Bal, Siegfried Wollgast (Hrsg.): Aufklärung in Polen und Deutschland. ACTA UNIVERSITATIS WRATISLAVIENSIS, No. 1106, Panstwowe Wydawnictwo Naukowe, Warszawa 1989.
  • Paul Wrzecionko (Hrsg.): Reformation und Frühaufklärung in Polen - Studien über den Sozinianismus und seinen Einfluss auf das westeuropäische Denken im 17. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1977.
  • Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften - Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. 2012, ISBN 978-3-05-005200-7.

Einzelnachweise

  1. Robert Stupperich (Hrsg.): Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde (Band 6). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1963, S. 81.
  2. Hubert Filser: Dogma, Dogmen, Dogmatik. Eine Untersuchung zur Begründung und zur Entstehungsgeschichte einer theologischen Disziplin von der Reformation bis zur Spätaufklärung. LIT, 2001, ISBN 3-8258-5221-0, S. 212.
  3. Hubert Filser: Dogma, Dogmen, Dogmatik. Eine Untersuchung zur Begründung und zur Entstehungsgeschichte einer theologischen Disziplin von der Reformation bis zur Spätaufklärung. LIT, 2001, ISBN 3-8258-5221-0, S. 212.
  4. Stefan Fleischmann: Szymon Budny. Böhlau, Köln 2006, ISBN 3-412-04306-0, S. 17.
  5. Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Oldenbourg Akademieverlag, Berlin 2012, ISBN 3-05-005200-7, S. 173.
  6. Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Oldenbourg Akademieverlag, Berlin 2012, ISBN 3-05-005200-7, S. 170–173.
  7. Vgl. Benedict Winer: Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache. ersch. bei Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824, S. XXII.