„Rakauer Katechismus“ – Versionsunterschied

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Der '''Rakauer Katechismus''' (auch ''Rakówer Katechismus'') ist die Zusammenfassung der von [[Lelio Sozzini|Lelius]] und [[Fausto Sozzini|Faustus Sozzini]] initiierten [[Radikale Reformation|radikal-reformatorischen]] Theologie des [[Sozinianismus]], der das erste Mal 1605 in [[Polnische Sprache|polnischer Sprache]] in [[Raków]] erschien. Es ist bis heute eine bedeutende Bekenntnisschrift des polnischen [[Unitarismus]] bzw. der [[Polnische Brüder|Polnischen Brüder]]. Sein Entstehungsort Rakau war in der frühen Neuzeit eines der Zentren des polnischen Unitarismus, hier befandt sich bis zur Vertreibung durch die [[Gegenreformation]] auch die Rakauer Schule (auch ''Rakauer Akademie'').
Der '''Rakauer Katechismus''' (auch ''Rakówer Katechismus'') ist die Zusammenfassung der von [[Lelio Sozzini|Lelius]] und [[Fausto Sozzini|Faustus Sozzini]] initiierten [[Radikale Reformation|radikal-reformatorischen]] Theologie des [[Sozinianismus]], der zum ersten Mal 1605 in [[Polnische Sprache|polnischer Sprache]] in [[Raków|Rakau]] ''(Raków)'' erschien. Er ist bis heute eine bedeutende Bekenntnisschrift des polnischen [[Unitarismus (Religion)|Unitarismus]] bzw. der [[Polnische Brüder|Polnischen Brüder]]. Sein Entstehungsort Rakau war in der frühen Neuzeit eines der Zentren des polnischen Unitarismus; hier befand sich bis zur Vertreibung durch die [[Gegenreformation]] auch die [[Rakówer Akademie|Rakauer Schule]] (auch ''Rakauer Akademie'').


== Geschichte ==
Bereits 1574 wurde vom Krakauer Prediger Georg Schomann ein unitarischer Katechismus verfasst, der die theologischen Standpunkte der polnischen Unitarier wiederzugeben vermochte. Dennoch verstärkte sich nachfolgend der Wunsch nach einer Bekenntnisschrift in einer theologisch geschlosseneren Form, so dass Fausto Sozzini mit der Ausarbeitung eines neuen unitarischen Katechismus betreut wurde <ref>{{Literatur|Autor=Robert Stupperich (Hrsg.)|Titel=Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde (Band 6)|Verlag=Vandenhoeck & Ruprecht|Ort=Göttingen|Jahr=1963|ISBN=|Seiten=81}}</ref>. Er kannte seine Arbeit vor seinem Tod 1604 jedoch nicht mehr beenden, so dass [[Valentin Schmalz]], [[Hohannes Völkel]] und [[Hieronymus Moskorzowski]] seine Arbeit gemeinsam weiter führen mussten. Der Katechismus wurde schließlich 1605 erstmals in polnischer Sprache herausgegeben. 1608 übersetzte ihn Schmalz ins Deutsche und ein Jahr später erschien eine lateinische Ausgabe. 1652 folgten je eine englische und niederländische Übersetzung. Nachfolgend wurde immer wieder neue Ausgaben des Katechismus herausgegeben. Die Bekenntnisschrift wurde so auch im westeuropäischen Raum bekannt und stieß zum Einen auf schroffe Ablehnung der [[Lutherische Orthodoxie|lutherischen]] und reformierten Orthodoxie, zum Anderen aber auch auf positive Aufnahme in [[Aufklärung|aufgeklärten Kreisen]], insbesondere in den [[Niederlande]]n und [[England]] <ref>{{Literatur|Autor=Hubert Filser|Titel=Dogma, Dogmen, Dogmatik. Eine Untersuchung zur Begründung und zur Entstehungsgeschichte einer theologischen Disziplin von der Reformation bis zur Spätaufklärung|Verlag=LIT|Jahr=2001| ISBN=3825852210| Seiten=212}}</ref>.
Bereits 1574 verfasste der Krakauer Prediger [[Georg Schomann]] einen unitarischen Katechismus, der die theologischen Standpunkte der polnischen Unitarier wiedergab. In den folgenden Jahrzehnten verstärkte sich der Wunsch nach einer Bekenntnisschrift in einer theologisch geschlosseneren Form. Deshalb wurde Fausto Sozzini mit der Ausarbeitung eines neuen unitarischen Katechismus betraut.<ref>{{Literatur|Herausgeber=Robert Stupperich|Titel=Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde|Band=Band&nbsp;6|Verlag=Vandenhoeck & Ruprecht|Ort=Göttingen|Jahr=1963|ISBN=|Seiten=81}}</ref> Die Arbeit am Katechismus führte er in Folge zusammen mit [[Peter Statorius d. J.]] aus. Er konnte seine Arbeit vor seinem Tod 1604 jedoch nicht mehr beenden; darum führten [[Valentin Schmalz]], [[Johann Völkel]] und [[Hieronymus Moskorzowski]] seine Arbeit gemeinsam weiter. Der Katechismus wurde schließlich 1605 erstmals in polnischer Sprache herausgegeben. 1608 übersetzte Schmalz ihn ins Deutsche, und ein Jahr später erschien eine lateinische Ausgabe. 1652 folgten eine englische und eine niederländische Übersetzung. Nachfolgend wurden immer wieder neue Ausgaben des Katechismus herausgegeben. Die Bekenntnisschrift wurde so auch im westeuropäischen Raum bekannt und stieß zum einen auf schroffe Ablehnung der [[Lutherische Orthodoxie|lutherischen]] und reformierten Orthodoxie, zum anderen aber auch auf positive Aufnahme in [[Aufklärung|aufgeklärten Kreisen]], insbesondere in den [[Niederlande]]n und [[England]].<ref name="Filser-212">{{Literatur|Autor=Hubert Filser|Titel=Dogma, Dogmen, Dogmatik. Eine Untersuchung zur Begründung und zur Entstehungsgeschichte einer theologischen Disziplin von der Reformation bis zur Spätaufklärung|Verlag=LIT|Jahr=2001| ISBN=3-8258-5221-0| Seiten=212}}</ref>


== Inhalt ==
Der Rakauer Katechismus hatte den Anspruch seine theologischen Positionen allein aus der Bibel heraus zu gründen, zugleich wurde jedoch betont, diese allein durch das Medium der Vernunft erkennen zu können. Kennzeichned war ein antispkulatives und [[Biblizismus|biblizistisch]]-[[Positivismus|positivistisches]] Denken und eine [[Hermeneutik|hermeneutische]] Herangehensweise an die Schrift <ref>{{Literatur|Autor=Hubert Filser|Titel=Dogma, Dogmen, Dogmatik. Eine Untersuchung zur Begründung und zur Entstehungsgeschichte einer theologischen Disziplin von der Reformation bis zur Spätaufklärung|Verlag=LIT|Jahr=2001| ISBN=3825852210| Seiten=212}}</ref>. Im Katechismus wird unter anderem für [[Jesus Christus|Jesus]] als Mensch und Gottes Sohn, für den [[Freier Wille|freien Willen]] und gegen die [[Erbsünde]] argumentiert <ref>{{Literatur|Autor=Stefan Fleischmann|Titel=Szymon Budny|Verlag=Böhlau|Ort=Köln|Jahr=2006|ISBN=3412043060| Seiten=17}}</ref>. Auch kritisiert der Katechismus die Taufe von Kindern als unbiblisch, ohne jedoch die Kindertaufe direkt abzulehnen., denn ''das Reich Gottes besteht nicht in der Taufe, sondern in Gerechtigkeit, Friede und Freunde im Heiligen Geiste'' <ref>{{Literatur|Autor=Martin Schmeisser (Hrsg.)|Titel=Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus|Verlag=Oldenbourg Akademieverlag|Ort=Berlin|Jahr=2012|ISBN=3050052007| Seiten=173}}</ref>. Hinsichtlich des [[Eucharistie|Abendmahls]] entwirft der Katechismus ein unitarisches Abendmahlsverständnis, das die die Verwandlung ([[Transsubstantiation]]) von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, wie sie in der Katholischen Kirche gelehrt wird, ablehnt und Brot und Wein stattdessen als Abbildungen zu verstehen weiß, die Abendmahlsfeier selber wird als Gemeinschaft mit Christi verstanden <ref>{{Literatur|Autor=Martin Schmeisser (Hrsg.)|Titel=Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus|Verlag=Oldenbourg Akademieverlag|Ort=Berlin|Jahr=2012|ISBN=3050052007| Seiten=170-173}}</ref>. Er enthält im Sinne des christlichen [[Pazifismus]] zudem die Ächtung jeglicher Formen von Kriegen, auch die der sogenannten "heiligen Kriege". Ferner wird in ihm das erste Mal dargelegt, dass sich der inhaltliche religiöse Glauben von Generation zu Generation ändern müsse, da "jede Generation direkt zu Gott" sei. Und da sich die Vorstellungen der Generationen wandelten, so gelte dies auch für die religiösen Überzeugungen.
Der Rakauer Katechismus hatte den Anspruch, seine theologischen Positionen allein aus der Bibel heraus zu begründen; zugleich wurde jedoch betont, diese allein durch das Medium der Vernunft erkennen zu können. Kennzeichnend waren ein antispekulatives und [[Biblizismus|biblizistisch]]-[[Positivismus|positivistisches]] Denken und eine [[Hermeneutik|hermeneutische]] Herangehensweise an die Schrift.<ref name="Filser-212" /> Im Katechismus wird unter anderem für [[Jesus Christus|Jesus]] als Mensch und Gottes Sohn, gegen die [[Präexistenz Christi]]<ref>{{Literatur|Herausgeber=Martin Schmeisser|Titel=Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus|Verlag=Akademie-Verlag|Ort=Berlin|Jahr=2012|ISBN=978-3-05-005200-7| Seiten=127/128}}</ref>, für den [[Freier Wille|freien Willen]] und gegen die [[Erbsünde]] argumentiert.<ref>{{Literatur|Autor=Stefan Fleischmann|Titel=Szymon Budny – Ein theologisches Portrait des polnisch-weißrussischen Humanisten und Unitariers (ca. 1530–1593)|Verlag=Böhlau|Ort=Köln/Weimar/Wien|Jahr=2006|ISBN=978-3-412-04306-3| Seiten=17}}</ref> Auch kritisiert der Katechismus die Taufe von Kindern als unbiblisch, ohne jedoch die [[Kindertaufe]] direkt abzulehnen; denn „das Reich Gottes besteht nicht in der Taufe, sondern in Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste“.<ref>{{Literatur|Herausgeber=Martin Schmeisser|Titel=Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus|Verlag= Akademie-Verlag|Ort=Berlin|Jahr=2012|ISBN=978-3-05-005200-7| Seiten=173}}</ref> Gott selbst wird als ewig anerkannt.<ref>{{Literatur|Herausgeber=Martin Schmeisser|Titel=Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus|Verlag=Akademie-Verlag|Ort=Berlin|Jahr=2012|ISBN=978-3-05-005200-7| Seiten=119}}</ref> Hinsichtlich des [[Eucharistie|Abendmahls]] entwirft der Katechismus ein unitarisches Abendmahlsverständnis, das die Verwandlung ([[Transsubstantiation]]) von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, wie sie in der Katholischen Kirche gelehrt wird, ablehnt und Brot und Wein stattdessen als Abbildungen versteht; die Abendmahlsfeier selbst wird als Gemeinschaft mit Christus verstanden.<ref>{{Literatur|Herausgeber=Martin Schmeisser|Titel=Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus|Verlag=Akademie-Verlag|Ort=Berlin|Jahr=2012|ISBN=978-3-05-005200-7| Seiten=170–173}}</ref> Der Katechismus enthält im Sinne des christlichen [[Pazifismus]] zudem die Ächtung jeglicher Form von Kriegen, auch der sogenannten „heiligen Kriege“.


== Reaktionen auf das Erscheinen des Rakauer Katechismus ==
== Reaktionen auf das Erscheinen des Rakauer Katechismus ==
Die im Rakauer Katechismus vertretenen Glaubenslehren wurden von der Katholischen, der Lutherischen, der Reformierten und der Anglikanischen Kirche in schärfster Form abgelehnt. So wurde zwar die lateinische Übersetzung des Rakauer Katechismus von 1609 dem König [[Jakob I. (England)|Jakob I.]] von Großbritannien in einer besonderen Zuschrift von Moskorzowski zugeeignet, auf Beschluss des englischen Parlaments aber 1614 (oder 1613) öffentlich verbrannt.<ref>Vgl. Benedict Winer: ''Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache.'' ersch. bei Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824, S. XXII.</ref> Da der polnische Ort Raków eine Gründung aus sozinianischem Geist der religiösen Toleranz und somit dessen Bevölkerung sozinianisch eingestellt war, wurden die ca. 15.000 Einwohner Rakóws im Zuge der [[Gegenreformation]] vertrieben oder ihre Häuser zerstört und ihr Hab und Gut entwendet oder vernichtet.
Die im Rakauer Katechismus vertretenen Glaubenslehren wurden von der katholischen, der lutherischen, der reformierten und der anglikanischen Kirche in schärfster Form abgelehnt. So wurde zwar die lateinische Übersetzung des Rakauer Katechismus von 1609 König [[Jakob I. (England)|Jakob&nbsp;I.]] von Großbritannien in einer besonderen Zuschrift von Moskorzowski zugeeignet, auf Beschluss des englischen Parlaments aber 1614 (oder 1613) öffentlich verbrannt.<ref>Vgl. Benedict Winer: ''Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache.'' Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824, S.&nbsp;XXII.</ref> Da der polnische Ort Raków eine Gründung aus sozinianischem Geist der religiösen Toleranz und somit dessen Bevölkerung sozinianisch eingestellt war, wurden die ca. 15.000 Einwohner Rakóws im Zuge der [[Gegenreformation]] vertrieben oder ihre Häuser zerstört und ihr Hab und Gut entwendet oder vernichtet.


Die Glaubensaussagen des Rakauer Katechismus finden sich heute noch bei christlichen Unitariern und zum Teil bei von ihnen beeinflussten Gruppen wie den [[Christadelphians]].
Die im Rakauer Katechismus dargestellte Auffassung von der grundsätzlichen Historizität der religiösen Auffassungen hat eine späte Weiterführung bei den [[Deutsche Unitarier|Deutschen Unitariern]] in der steten Neuformulierung der radikaldemokratisch zu formulierenden und abzustimmenden ''Grundgedanken'' gefunden.

== Edition ==
* Martin Schmeisser (Hrsg.): ''Sozinianische Bekenntnisschriften Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus.'' Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005200-7.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Benedict Winer: ''Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache.'' ersch. bei Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824.
* Benedict Winer: ''Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache.'' Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824.
* ''Theologisches Universal=Lexikon zum Handgebrauche für Geistliche und Nichttheologen.'' Verlag von R. L. Friderichs, Elberfeld 1874.
* ''Theologisches Universal=Lexikon zum Handgebrauche für Geistliche und Nichttheologen.'' Verlag von R. L. Friderichs, Elberfeld 1874.
* Karol Bal, Siegfried Wollgast (Hrsg.): ''Aufklärung in Polen und Deutschland.'' ACTA UNIVERSITATIS WRATISLAVIENSIS, No. 1106, Panstwowe Wydawnictwo Naukowe, Warszawa 1989.
* Karol Bal, Siegfried Wollgast (Hrsg.): ''Aufklärung in Polen und Deutschland.'' Acta Universitatis Wratislaviensis, No. 1106, Panstwowe Wydawnictwo Naukowe, Warszawa 1989.
* Paul Wrzecionko (Hrsg.): ''Reformation und Frühaufklärung in Polen - Studien über den Sozinianismus und seinen Einfluss auf das westeuropäische Denken im 17. Jahrhundert.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1977.
* Paul Wrzecionko (Hrsg.): ''Reformation und Frühaufklärung in Polen Studien über den Sozinianismus und seinen Einfluss auf das westeuropäische Denken im 17. Jahrhundert.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1977.

* Schmeisser (Hrsg.): ''Sozinianische Bekenntnisschriften - Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus.'' 2012, ISBN 978-3-05-005200-7.
== Weblinks ==
* [https://www.wbc.poznan.pl/dlibra/applet?mimetype=image%2Fx.djvu&sec=false&handler=djvu_html5&content_url=%2FContent%2F48943%2Fdirectory.djvu Digitalisat] der deutschen Ausgabe von 1608, bereitgestellt durch die ''Wielkopolska Biblioteka Cyfrowa''


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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Aktuelle Version vom 21. Oktober 2021, 18:14 Uhr

Titelblatt des Rakauer Katechismus

Der Rakauer Katechismus (auch Rakówer Katechismus) ist die Zusammenfassung der von Lelius und Faustus Sozzini initiierten radikal-reformatorischen Theologie des Sozinianismus, der zum ersten Mal 1605 in polnischer Sprache in Rakau (Raków) erschien. Er ist bis heute eine bedeutende Bekenntnisschrift des polnischen Unitarismus bzw. der Polnischen Brüder. Sein Entstehungsort Rakau war in der frühen Neuzeit eines der Zentren des polnischen Unitarismus; hier befand sich bis zur Vertreibung durch die Gegenreformation auch die Rakauer Schule (auch Rakauer Akademie).

Bereits 1574 verfasste der Krakauer Prediger Georg Schomann einen unitarischen Katechismus, der die theologischen Standpunkte der polnischen Unitarier wiedergab. In den folgenden Jahrzehnten verstärkte sich der Wunsch nach einer Bekenntnisschrift in einer theologisch geschlosseneren Form. Deshalb wurde Fausto Sozzini mit der Ausarbeitung eines neuen unitarischen Katechismus betraut.[1] Die Arbeit am Katechismus führte er in Folge zusammen mit Peter Statorius d. J. aus. Er konnte seine Arbeit vor seinem Tod 1604 jedoch nicht mehr beenden; darum führten Valentin Schmalz, Johann Völkel und Hieronymus Moskorzowski seine Arbeit gemeinsam weiter. Der Katechismus wurde schließlich 1605 erstmals in polnischer Sprache herausgegeben. 1608 übersetzte Schmalz ihn ins Deutsche, und ein Jahr später erschien eine lateinische Ausgabe. 1652 folgten eine englische und eine niederländische Übersetzung. Nachfolgend wurden immer wieder neue Ausgaben des Katechismus herausgegeben. Die Bekenntnisschrift wurde so auch im westeuropäischen Raum bekannt und stieß zum einen auf schroffe Ablehnung der lutherischen und reformierten Orthodoxie, zum anderen aber auch auf positive Aufnahme in aufgeklärten Kreisen, insbesondere in den Niederlanden und England.[2]

Der Rakauer Katechismus hatte den Anspruch, seine theologischen Positionen allein aus der Bibel heraus zu begründen; zugleich wurde jedoch betont, diese allein durch das Medium der Vernunft erkennen zu können. Kennzeichnend waren ein antispekulatives und biblizistisch-positivistisches Denken und eine hermeneutische Herangehensweise an die Schrift.[2] Im Katechismus wird unter anderem für Jesus als Mensch und Gottes Sohn, gegen die Präexistenz Christi[3], für den freien Willen und gegen die Erbsünde argumentiert.[4] Auch kritisiert der Katechismus die Taufe von Kindern als unbiblisch, ohne jedoch die Kindertaufe direkt abzulehnen; denn „das Reich Gottes besteht nicht in der Taufe, sondern in Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste“.[5] Gott selbst wird als ewig anerkannt.[6] Hinsichtlich des Abendmahls entwirft der Katechismus ein unitarisches Abendmahlsverständnis, das die Verwandlung (Transsubstantiation) von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, wie sie in der Katholischen Kirche gelehrt wird, ablehnt und Brot und Wein stattdessen als Abbildungen versteht; die Abendmahlsfeier selbst wird als Gemeinschaft mit Christus verstanden.[7] Der Katechismus enthält im Sinne des christlichen Pazifismus zudem die Ächtung jeglicher Form von Kriegen, auch der sogenannten „heiligen Kriege“.

Reaktionen auf das Erscheinen des Rakauer Katechismus

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Die im Rakauer Katechismus vertretenen Glaubenslehren wurden von der katholischen, der lutherischen, der reformierten und der anglikanischen Kirche in schärfster Form abgelehnt. So wurde zwar die lateinische Übersetzung des Rakauer Katechismus von 1609 König Jakob I. von Großbritannien in einer besonderen Zuschrift von Moskorzowski zugeeignet, auf Beschluss des englischen Parlaments aber 1614 (oder 1613) öffentlich verbrannt.[8] Da der polnische Ort Raków eine Gründung aus sozinianischem Geist der religiösen Toleranz und somit dessen Bevölkerung sozinianisch eingestellt war, wurden die ca. 15.000 Einwohner Rakóws im Zuge der Gegenreformation vertrieben oder ihre Häuser zerstört und ihr Hab und Gut entwendet oder vernichtet.

Die Glaubensaussagen des Rakauer Katechismus finden sich heute noch bei christlichen Unitariern und zum Teil bei von ihnen beeinflussten Gruppen wie den Christadelphians.

  • Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften – Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005200-7.
  • Benedict Winer: Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache. Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824.
  • Theologisches Universal=Lexikon zum Handgebrauche für Geistliche und Nichttheologen. Verlag von R. L. Friderichs, Elberfeld 1874.
  • Karol Bal, Siegfried Wollgast (Hrsg.): Aufklärung in Polen und Deutschland. Acta Universitatis Wratislaviensis, No. 1106, Panstwowe Wydawnictwo Naukowe, Warszawa 1989.
  • Paul Wrzecionko (Hrsg.): Reformation und Frühaufklärung in Polen – Studien über den Sozinianismus und seinen Einfluss auf das westeuropäische Denken im 17. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1977.
  • Digitalisat der deutschen Ausgabe von 1608, bereitgestellt durch die Wielkopolska Biblioteka Cyfrowa

Einzelnachweise

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  1. Robert Stupperich (Hrsg.): Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde. Band 6. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1963, S. 81.
  2. a b Hubert Filser: Dogma, Dogmen, Dogmatik. Eine Untersuchung zur Begründung und zur Entstehungsgeschichte einer theologischen Disziplin von der Reformation bis zur Spätaufklärung. LIT, 2001, ISBN 3-8258-5221-0, S. 212.
  3. Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005200-7, S. 127/128.
  4. Stefan Fleischmann: Szymon Budny – Ein theologisches Portrait des polnisch-weißrussischen Humanisten und Unitariers (ca. 1530–1593). Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2006, ISBN 978-3-412-04306-3, S. 17.
  5. Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005200-7, S. 173.
  6. Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005200-7, S. 119.
  7. Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005200-7, S. 170–173.
  8. Vgl. Benedict Winer: Comparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenpartheien, nebst vollständigen Belegen aus den symbolischen Schriften derselben in der Ursprache. Carl Heinrich Reclam, Leipzig 1824, S. XXII.