Rhea Silvia

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Mars und Rhea Silvia von Rubens.

Von Rhea Silvia, der Stammmutter der Römer, sind verschiedene Namen überliefert. Öfters wird sie Rea Silvia genannt. Jeder der beiden Namen wird auch getrennt aufgeführt, die dann oft nebeneinander erscheinen. Die Dichter nennen sie meist Ilia.[1]

Rhea Silvia war eine Königstochter aus der römischen Mythologie und Mutter von Romulus und Remus, die der Legende nach Rom gegründet haben sollen.

Legende

Rhea Silvia von Jacopo della Quercia.

Rhea Silvia war die Tochter von Numitor Silvius, dem König von Alba Longa. Der Bruder von Numitor, ihr Onkel Amulius, setzte den König ab, tötete dessen Söhne und machte Rhea Silvia zu einer Vestalin. Die Weihe zu Ehren der Göttin Vesta geschah, damit sie kinderlos bliebe und eventuelle Nachkommen keine Rache nehmen konnten.[2]

Der Gott Mars jedoch verführte Rhea Silvia und sie gebar die Zwillinge Romulus und Remus. Dionysios von Halikarnassos gibt verschiedene Darstellungen an, wie es zur Schwangerschaft gekommen sei, sagt aber: „Die meisten aber behaupten aus Mythen, es sei eine Erscheinung der Ortsgottheit gewesen.“.[3] Vergil und Ovid schließen sich ihm an und lassen nicht den kleinsten Zweifel an der Vaterschaft von Mars aufkommen. Marcus Tullius Cicero ist da bereits vorsichtiger[4] und nach der Darstellung von Livius in seiner Römischen Geschichte wurde sie vergewaltigt und gab den Mars als Vater ihrer Kinder an.[5]

Als der Onkel dies erfuhr, ließ er ihr die damals übliche Bestrafung für Vestalinnen zukommen, die ihre Unschuld verloren hatten. Er ließ sie nach der Geburt auspeitschen und töten. Einer anderen Version zufolge wurde Rhea Silvia auf Bitten von Amulius' Tochter am Leben gelassen, aber eingesperrt und erst nach dem Tod des Königs befreit. Die beiden Kinder sollten nach dem Befehl des Königs in den Tiber geworfen werden. Doch die Beauftragten fanden keine Stelle, an der sie die Strömung erreichen konnten, da der Tiber zu dieser Zeit Hochwasser führte. So setzten sie sie in einem der Seen ab, die sich im Gebiet durch die Überflutung gebildet hatten, und hofften, das zurückströmende Wasser würde die Kinder mitreißen. Sie wurden aber von einer Wölfin gerettet und später von Hirten gefunden und aufgezogen.[6]

Nach anderen Quellen wurde die Vestalin, an einen Stein gebunden in den Tiber geworfen. Jedoch erbarmte sich der Flussgott ihrer, nahm sie zur Frau und schenkte ihr ewiges Leben. Gemäß derselben Quelle sollten die Kinder ebenfalls dem Tiber zum Opfer fallen. Das geschah aber nicht. Der Flussgott bemerkte es und bewahrte auch sie vor dem Tode.[7]

Überlieferung

Bereits in der Version von Aristoteles über den Ursprung der Römer und Latiner spielen troianische Frauen eine große Rolle. Kallias erzählt, dass eine Troianerin in Italien den Latinus geheiratet und ihm drei Söhne geboren habe. Von Hellanikos ist überliefert, dass Aeneas nach Italien gekommen sei und eine Stadt gegründet habe. In den griechischen Überlieferungen werden danach die zwei Erzählungen miteinander verknüpft und mit der Vaterschaft von Mars ergänzt. Im 3. Jh. v. Chr. bestand die Erzählung der Ilia aus folgenden Elementen:[8]

  • Aeneas hatte eine Tochter, die Ilia genannt wurde.
  • Mars zeugte mit Ilia Romulus und Remus.

Eine weitere Ergänzung fand dann mit der Anlehnung an die Motive des Mythos von der Tyro statt, nach der Ilia die Züge der Tyro annimmt und vom Flussgott geschwängert wird. Zur Strafe wird sie eingesperrt und später von ihren Söhnen befreit.[8]

Bei den Römern wird die Geschichte erstmals erwähnt bei Gnaeus Naevius und Quintus Ennius, dort wird sie noch als Tochter des Aeneas aufgeführt. Quintus Ennius ist der erste, bei dem sich Hinweise auf die Könige von Alba zeigen. Im Wesentlichen erzählt er aber bereits die Erzählung, wie sie bei Livius und Dionysius von Halikarnoss wiedergegeben wird.[8]

Im 2. Jh. v. Chr. wurde die Erzählung nochmals umgestaltet und Ilia erhielt einen neuen Vater und einen neuen Namen, Rhea Silvia. Auf Valerius Antias dürfte die sich im folgenden behauptende Erzählung zurückgehen, die von allen späteren Geschichtsschreibern übernommen worden ist.[8]

Etymologie

Der Ursprung des Namens ist nicht eindeutig. Es gibt eine Interpretion, die das göttliche Element hervorhebt. Der Namensteil Rhea wäre dann nach der griechischen Etymologie der Name für etwas Fliessendes[9] und könnte mit dem Tiber und dem Flussgott aßoziert sein. Silvia entspricht in den Silben der Ilia, wie die Mutter von Romulus und Remus ebenfalls genannt wird, und würde auf ihre kleinasiatischen Wurzeln hinweisen[7] und zum Namen Iulus führen.[10] Griechische Geschichtsschreiber wie Plutarch und Dionysios von Halikarnassos verwenden diese Schreibweise.

Barthold Georg Niebuhr bevorzugte eine nüchterne Erklärung und vermutete, dass Rhea eine Verfälschung sei und eigentlich rea, die Angeklagte, sei.[11] Zusammen mit Silvia, lateinisch silva für Wald, würde daraus die Angeklagte vom Wald entstehen. Dies deckt sich mit der Schreibweise, die Livius verwendet[12] Ovid erwähnt nur den Namensteil Silvia.[13]

Nachwirkung

Die Figur der Rhea Silvia hat erst ab dem 1. Jh. v. Chr. ein breiteres Interesse geweckt. Von den in einer Untersuchung zusammengestellten sieben Sarkophagen, die Rhea Silvia darstellen, stammt der älteste aus dem 2. Jh. v. Chr..[14] Bilder des römischen Gründungsmythos erschienen erstmals in der frühaugusteischen Zeit[15] und Münzen mit der Darstellung von Mars und Rhea Silvia erst ab dem 2. Jh. n. Chr..[16]

Rhea Silvia hat in der nachantiken Rezeption wenig Beachtung erfahren. Dabei entspricht das moderne Desinteresse einer gewissen Gleichgültigkeit der antiken literarischen Überlieferung. Ausdruck davon ist die Uneinigkeit in der Namensgebung als auch dass ihr weiteres Schicksal nicht übereinstimmend (Dionysios von Halikarnassos) oder gar nicht (Livius) überliefert wird.[17]

Johann Wolfgang von Goethe erwähnt den Mythos in der dritten Römischen Elegie:

Rhea Sylvia wandelt, die fürstliche Jungfrau, der Tyber
Wasser zu schöpfen hinab, und sie ergreifet der Gott.
So erzeugte sich Mars zwey Söhne! – die Zwillinge tränket
Eine Wölfinn, und Rom nennt sich die Fürstin der Welt.

Der 1866 entdeckte Asteroid (87) Sylvia ist nach Rhea Silvia benannt und die beiden Monde von Sylvia bekamen entsprechend dem Gründungsmythos die Namen Romulus und Remus. Außerdem trägt der größte Krater auf dem Asteroiden Vesta den Namen Rheasilvia. Dessen Zentralberg gehört mit etwa 23 km Höhe zu den höchsten bekannten Bergen des Sonnensystems.

Literatur

Commons: Rhea Silvia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Arthur Rosenberg: Rea Silvia. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I A,1, Stuttgart 1914, Sp. 341–345., S. 341.
  2. Liv. 1,3,11. Titus Livius Römische Geschichte I–III. Übersetzt von Hans Jürgen Hillen, Düsseldorf und Zürich 1987.
  3. Dion. Hal. ant. 1,77. Dionysius von Halikarnaß: Urgeschichte der Römer. Gottfried Jakob Schaller, 1. Band, Stuttgart 1827.
  4. Titus Livius Römische Geschichte I–III. Übersetzt von Hans Jürgen Hillen, Düsseldorf und Zürich 1987, Einführung S. 592.
  5. Liv. 1,4,2. Titus Livius Römische Geschichte I–III. Übersetzt von Hans Jürgen Hillen, Düsseldorf und Zürich 1987.
  6. Dion. Hal. ant. 1,78–79. Dionysius von Halikarnaß: Urgeschichte der Römer. Gottfried Jakob Schaller, 1. Band, Stuttgart 1827.
  7. a b Rhea Silvia. Käppel, Lutz (Kiel), in: Der Neue Pauly, Herausgegeben von: Hubert Cancik,, Helmuth Schneider (Antike), Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte). Abgerufen am 28. Januar 2019.
  8. a b c d Arthur Rosenberg: Rea Silvia. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I A,1, Stuttgart 1914, Sp. 341–345..
  9. Die Fundamente der griechischen Ontologie. Georg Picht, Stuttgart 1996, S. 248.
  10. Etymologische–Mythologische Andeutungen. Konrad Schwenck, Elberfeld 1823, S. 198.
  11. Römische Geschichte. Barthold Georg Niebuhr, Band 1, Berlin 1828, S. 234.
  12. Liv. 1,3,11. Titus Livius Römische Geschichte I–III. Übersetzt von Hans Jürgen Hillen, Düsseldorf und Zürich 1987.
  13. Ovid Fasti 2,383. P. Ovidius Naso. Fastorum libri VI; Fragmenta. Rudolf Ehwald, Friedrich Walter Levy (Lenz), Band 3,2, Leipzig 1924.
  14. Untersuchungen zum Römischen Gründungsmythos in der Sepulkralkunst. Susanne Michaela Lorenz, Dissertation, Heidelberg 2001, S. 192–200.
  15. Untersuchungen zum Römischen Gründungsmythos in der Sepulkralkunst. Susanne Michaela Lorenz, Dissertation, Heidelberg 2001, S. 17.
  16. Untersuchungen zum Römischen Gründungsmythos in der Sepulkralkunst. Susanne Michaela Lorenz, Dissertation, Heidelberg 2001, S. 93.
  17. Untersuchungen zum Römischen Gründungsmythos in der Sepulkralkunst. Susanne Michaela Lorenz, Dissertation, Heidelberg 2001, S. 92.