Stimmenthaltung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. Februar 2013 um 11:28 Uhr durch 89.182.230.111 (Diskussion) (Bei Abstimmungen: häßliche abkürzung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Stimmenthaltung ist – wo zulässig – eine Form der Ausübung des Stimmrechts und bedeutet, dass eine Person weder für noch gegen einen Antrag stimmt in der Absicht, weder positiv noch negativ auf das Zustandekommen eines Beschlusses einzuwirken.

Bei einer Stimmenthaltung möchte also ein stimmberechtigtes Mitglied für seine Entscheidung keine Verantwortung übernehmen.[1] Sie beteiligt sich zwar in der Regel an einer Wahl oder Abstimmung, gibt jedoch keine Stimme ab, die sich einer der angebotenen Alternativen zuordnen lässt. Voraussetzung für die Stimmenthaltung einer Person ist das Wahl- oder Stimmrecht.

Eine Stimmenthaltung kann Neutralität, informelle Unterstützung oder auch Ablehnung aller wählbaren Alternativen bzw. Protest gegen etwas nicht zur Wahl stehendes ausdrücken.

Allgemeines

Stimmenthaltungen werden bei Wahlen oder politischen Abstimmungen in Deutschland sehr unterschiedlich erfasst. Bei Abstimmungen über Gesetzesvorlagen im Deutschen Bundestag oder der Wahl des Bundestagspräsidenten werden neben den Ja- und Nein-Stimmen auch die abgegebenen Enthaltungen gezählt. Bei Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen hingegen gibt es nur die Möglichkeit der Zustimmung zu einer Partei, und neben den gültigen werden auch die ungültigen Stimmabgaben gezählt. Die Stimmenthaltungen lassen sich nur sehr grob über die Höhe der Wahlbeteiligung bzw. der Nicht-Wahlbeteiligung schätzen.[2]

Bei Wahlen

Stimmenthaltung hat bei Wahlen zur Zusammensetzung von Gremien zwei mögliche Bedeutungen:

  • Nichtwähler, die der Wahl fern bleiben oder
  • Wähler, die eine ungültige Stimme abgeben

Bei den meisten Wahlen werden relative Mehrheiten verlangt, sodass trotz einer Mehrheit von nicht gezählten Stimmabgaben gegenüber allen gezählten Stimmen das Ergebnis einer Wahl als gültig angesehen wird.

Bei Abstimmungen

Bei Abstimmungen in Gremien wie z. B. Parlamenten, Aufsichtsräten oder Conventen zählt eine Stimmenthaltung

  • bei Verlangen einer absoluten Mehrheit de facto als Gegenstimme zu sämtlichen Alternativen (also auch der „Nein“-Stimmen). Hierbei muss ein bestimmter Anteil aller abstimmenden oder sämtlicher (auch abwesender) Mitglieder des Gremiums für eine Alternative stimmen. Mit einer Stimmenthaltung entscheidet sich das Gremiumsmitglied für keine der wählbaren Alternativen und somit für den Verbleib beim Status Quo. Beispiel: Bei der Wahl eines deutschen Bundestagspräsidenten wirkt eine Stimmenthaltung wie eine Gegenstimme, da mindestens die Hälfte aller Bundestagsabgeordneten für einen Kandidaten stimmen muss.[3] Ein neutrales Verhalten durch Stimmenthaltung ist im Bundesrat (Deutschland) im Grunde genommen nicht möglich. Beschlüsse können nämlich im Bundesrat nach Artikel 52 Abs. 3 Grundgesetz nur mit absoluter Mehrheit, bei Verfassungsänderungen sogar nur mit Zweidrittelmehrheit der Gesamtstimmenzahl gefasst werden. Stimmenthaltung wirkt sich deshalb wie ein Nein aus, und dessen inhaltliche Bedeutung hängt von der jeweiligen Fassung der Abstimmungsfrage ab.
  • bei Verlangen einer relativen Mehrheit nicht als wahlbeeinflussende Stimme, sofern die Stimmenthaltung nicht als wählbare Alternative zu vorgesehenen Konsequenzen führt (z. B. erneute Abstimmung). Enthaltungs-Stimmen fließen bei diesem Auswertungsmodus meist nicht in das Ergebnis mit ein, wobei durchaus ein bestimmter Anteil der gezählten Stimmen verlangt werden kann. So wird beim Auswertungsmodus Einfache Mehrheit im Deutschen Bundestag verlangt, dass für eine Entscheidung eine Mehrheit der Stimmen zustande kommen muss, hierbei werden jedoch nur „Ja“- oder „Nein“-Stimmen gezählt. Somit ist es in diesem Parlament möglich, dass die Unterstützung einer Alternative durch sehr wenige Parlamentarier zu dessen Umsetzung führt.[4]

Literatur

  • Wolfgang Ernst: Kleine Abstimmungsfibel. Leitfaden für die Versammlung, Buchverlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich (2011), ISBN 978-3-03823-717-4.
  • Carmen Thiele: Regeln und Verfahren der Entscheidungsfindung innerhalb von Staaten und Staatenverbindungen, Springer Verlag, Berlin Heidelberg (2008), ISBN 978-3-540-78994-9, Kapitel Abstimmungsverhalten, S. 417–479.

Einzelnachweise

  1. Arthur Benz: Abstimmungsverfahren im Bundesrat, Kommissionsdrucksache 0086 (2004), S. 3 auf der Webseite des Bundesrates der Bundesrepublik Deutschland, abgerufen am 3. Juni 2010.
  2. Bettina Blank, Erwägungsorientierung, Entscheidung und Didaktik, 2002, S. 105.
  3. Webseite des Deutschen Bundestages: Absolute Mehrheit, abgerufen am 3. Juni 2010.
  4. Webseite des Deutschen Bundestages: Einfache Mehrheit, abgerufen am 3. Juni 2010.