„Sulfoxaflor“ – Bearbeiten


{{Infobox Chemikalie
| Strukturformel      = [[Datei:Sulfoxaflor Structural Formula V2.svg|225px|Strukturformel von Sulfoxaflor]]
| Strukturhinweis     = Strukturformel ohne [[Stereochemie]] (Stereoisomerengemisch)
| Suchfunktion        = C10H10F3N3OS
| Andere Namen        = * (Methyl-oxo-{1-[6-(trifluormethyl)pyridin-3-yl]ethyl}-λ<sup>6</sup>-sulfanyliden)cyanamid ([[IUPAC-Nomenklatur|IUPAC]])
* Isoclast ([[Handelsname]])
| Summenformel        = C<sub>10</sub>H<sub>10</sub>F<sub>3</sub>N<sub>3</sub>OS
| CAS                 = {{CASRN|946578-00-3}}
| EG-Nummer           = 807-366-8
| ECHA-ID             = 100.234.961
| PubChem             = 16723172
| ChemSpider          = 17626728
| Beschreibung        = weißes Pulver mit scharfem Geruch<ref name="GESTIS" />
| Molare Masse        = 277,27 g·[[mol]]<sup>−1</sup>
| Aggregat            = fest
| Dichte              = 1,5378 g·cm<sup>−3</sup> <ref name="echa">[https://echa.europa.eu/documents/10162/6acb4d37-01ed-484b-981e-7319d9290af3 CLH report. Proposal for Harmonised Classification and Labelling. SULFOXAFLOR], 2012.</ref>
| Schmelzpunkt        = 112,9 °C<ref name="echa" />
| Siedepunkt          = zersetzt sich bei 167,7 °C<ref name="echa" />
| Dampfdruck          = <!-- [[Pascal (Einheit)|Pa]] ( °C)--->
| Löslichkeit         = sehr schwer löslich in Wasser: 0,568 g·l<sup>−1</sup> (20 °C)<ref name="echa" />
| CLH                 = {{CLH-ECHA|ID=100.234.961 |Name=Sulfoxaflor (ISO); [Methyl(oxo){1-[6-(trifluormethyl)-3-pyridyl]ethyl}-λ6-sulfanyliden]cyanamid|Abruf=2017-01-09}}
| Quelle GHS-Kz       = <ref name="GESTIS">{{GESTIS|Name=Sulfoxaflor|ZVG=536358|CAS=946578-00-3|Abruf=2016-07-23}}</ref>
| GHS-Piktogramme     = {{GHS-Piktogramme|07|09}}
| GHS-Signalwort      = Achtung
| H                   = {{H-Sätze|302|410}}
| EUH                 = {{EUH-Sätze|-}}
| P                   = {{P-Sätze|273|391|501}}
| Quelle P            = <ref name="GESTIS" />
| ToxDaten            = * {{ToxDaten |Typ=LD50 |Organismus=Ratte |Applikationsart=oral |Wert=1000 mg·kg<sup>−1</sup> |Bezeichnung= |Quelle=<ref name="mcp1" /> }}
* {{ToxDaten |Typ=LD50 |Organismus=Ratte |Applikationsart=dermal |Wert=> 5000 mg·kg<sup>−1</sup> |Bezeichnung= |Quelle=<ref name="mcp1" />}}
}}

'''Sulfoxaflor''' (Isoclast Active) ist ein von [[Dow AgroSciences]] in den 2000er Jahren entwickeltes [[Insektizid]]<ref name="arndt2015development">{{Literatur |Autor=K. E. Arndt, D. C. Bland, N. M. Irvine, S. L. Powers, T. P. Martin, J. R. McConnell, D. E. Podhorez, J. M. Renga, R. Ross, G. A. Roth |Titel=Development of a scalable process for the crop protection agent isoclast |Sammelwerk=[[Organic Process Research & Development]] |Band=19 |Nummer=3 |Datum=2015 |Seiten=454–462 |DOI=10.1021/acs.oprd.5b00007}}</ref> aus der Gruppe der [[Sulfoximine]]. Die Kommerzialisierung folgte im Jahr 2013. Wie die [[Neonicotinoide]] auch ist es ein [[nAChR]]-[[Agonist (Pharmakologie)|Agonist]], der die [[Nikotinischer Acetylcholinrezeptor|nikotinischen Acetylcholinrezeptoren]] blockiert. Gegenüber den Neonicotinoiden ist Sulfoxaflor aber kaum [[Kreuzresistenz|kreuzresistent]].<ref name="mcp2" /> Von anderen Sulfoximinen und Neonicotinoiden hebt sich Sulfoxaflor durch die [[funktionelle Gruppe]] des Sulfoximin-''N''-[[Nitrile|nitrils]] ab, welche auch als [[Schwefel]]-gebundene [[Cyanamid]]-Einheit gesehen werden kann.

== Stereochemie ==
Sulfoxaflor ist ein Gemisch von vier [[Stereoisomer]]en,<ref name="Ariens">Thomas C. Sparks, Gerrit J. DeBoer, Nick X. Wang, James M. Hasler, Michael R. Loso, Gerald B. Watson: ''Differential metabolism of sulfoximine and neonicotinoid insecticides by Drosophila melanogaster monooxygenase CYP6G1.'' In: ''Pesticide Biochemistry and Physiology.'' 103, 2012, S.&nbsp;159–165.</ref> dabei ist ein Stereozentrum am benzylischen [[Kohlenstoff]]atom und eines am [[Schwefel]]atom „lokalisiert“.

== Gewinnung und Darstellung ==
=== Syntheseweg nach dem Dow-Patent ===
Die früheste Synthese von Sulfoxaflor stammt aus einem Patent von 2010<ref>{{Patent |Land = US |V-Nr = 7687634B2 |Titel = Insecticidal N-substituted (6-haloalkylpyridin-3-yl)alkyl sulfoximines |A-Datum = 2007-02-09 |V-Datum = 2010-03-30 |Erfinder = M. R. Loso, B. M. Nugent, J. X. Huang, R. B. Rogers, Y. Zhu, J. M. Renga, V. B. Hegde, J. J. DeMark}}</ref> und geht von dem kommerziell erhältlichen Edukt [[5-(Chlormethyl)-2-(trifluormethyl)pyridin]]<ref>{{Substanzinfo|Name=5-(Chlormethyl)-2-(trifluormethyl)pyridin|Wikidata=Q72455499|CAS=386715-33-9|EG-Nummer=640-114-3|ECHA-ID=100.167.769|PubChem=2773810|ChemSpider=2054221}}</ref> '''1''' aus. Es sind dabei vier Schritte nötig. Der erste Schritt ist eine [[nukleophile Substitution]] des Chlor-Atoms durch eine Methylthio-Gruppe mittels [[Natriummethanthiolat]] in [[Ethanol]]. Im zweiten Schritt wird das [[Sulfilimin]] '''3''' ([[funktionelle Gruppe]]) durch Reaktion mit [[Diacetoxyiodbenzol]] und [[Cyanamid]] in [[Dichlormethan]] gebildet. Der dritte Schritt ist eine Oxidation mit [[meta-Chlorperbenzoesäure]] und [[Kaliumcarbonat]] in wässrigem Ethanol. Die Oxidation findet am Schwefelatom statt und sorgt für die Einführung des Sauerstoffatoms, welches auch im Produkt noch vorhanden ist. Der vierte Schritt ist schließlich die durch die [[Enol]]-Form der [[Thionylgruppe|Thionyl]]-Funktion vermittelte [[Methylierung]] der quasi-Benzylposition. Erzeugt wird die Enol-Form dabei mit [[Kaliumhexamethyldisilazid]] in [[Tetrahydrofuran]]. Als Methylierungsreagenz kann [[Iodmethan|Methyliodid]] verwendet werden. Der Reaktionslösung wird außerdem [[Hexamethylphosphoramid]] beigefügt um den entstehenden [[Iodwasserstoff]] abzufangen. Die Erfinder berichteten von einer Gesamtausbeute von 2,44 %.
[[Datei:Sulfoxaflor Synthese Patent.svg|zentriert|rahmenlos|hochkant=3.4]]

=== Neuer Syntheseweg aus Organic Process Research & Development ===
Eine effizientere Synthese von Sulfoxaflor wurde 2015 von Arndt et al. veröffentlicht.<ref name="arndt2015development"/> Diese ist fünf-schrittig und beginnt bei dem Edukt [[3-(Methylsulfanyl)butanal]]<ref>{{Substanzinfo|Name=3-(Methylsulfanyl)butanal|Wikidata=Q27252177|CAS=16630-52-7|EG-Nummer=240-678-7|ECHA-ID=100.036.965|PubChem=61845|ChemSpider=55717}}</ref> '''1'''. Dieses wird in einer speziell für diese Synthese von den Autoren entwickelten ''de&nbsp;novo'' [[Pyridin]]-Synthese umgesetzt, welche direkt in den ersten drei Schritten in der Form einer Michael-Aldol-Kondensation stattfindet. Dabei wird als erstes die [[Enamin]]-Methode und speziell das hierfür typische [[Pyrrolidin]] genutzt, während der Michael-Akzeptor das [[4-Ethoxy-1,1,1-trifluor-3-buten-2-on|(3''E'')-4-Ethoxy-1,1,1-trifluor-3-buten-2-on]] ist und als Reagenz im zweiten Schritt Einzug findet. Der dritte Schritt ist der Ringschluss des gebildeten Dienon '''3''', welche mit [[Ammoniumacetat]] funktioniert. Der vierte Schritt ist die Einführung der Sulfilimin-Gruppe auf die gleiche Art und Weise, wie dies bereits in der Patent-Synthese durchgeführt wurde. Hier findet aber die Oxidation als fünfter Schritt auf andere Weise statt; als Oxidationsmittel wird [[Natriumperiodat]] verwendet und die Reaktion zusätzlich mit [[Rutheniumtrichlorid]] katalysiert. Dies führt zu leichten Ruthenium-Rückständen im Produkt '''6''' und dadurch zu einer grauen Farbe.
[[Datei:Sulfoxaflor Synthese neu korr.svg|zentriert|rahmenlos|hochkant=3.4]]

== Regulierung ==
=== Europäische Union ===
Von der EU ist Sulfoxaflor seit dem 18. August 2015 als Wirkstoff genehmigt. In einigen EU-Mitgliedsstaaten sind [[Pflanzenschutzmittel]] mit Sulfoxaflor zugelassen, so auch seit Juli 2018 in Österreich gegen Blattläuse im Getreidebau und in Deutschland seit Dezember 2018 gegen Blattläuse und [[Weiße Fliege]] im Gemüse und Zierpflanzenbau.<ref name="PSM-Verz">{{PSM-Verz|EU=Sulfoxaflor |CH=DB |A=Sulfoxaflor |D=Sulfoxaflor |Abruf=2019-12-08}}</ref> Kritisiert wurde, dass die Zulassung der Präparate beantragt wurde, obwohl bereits Erkenntnisse über eine schädigende Wirkung auf [[Dunkle Erdhummel]]n vorlagen.<ref>Zeit Online: [https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2018-08/insektizide-suloxaflor-hummeln-studie ''Ersatz-Schädlingsgift schadet Hummeln''], 15. August 2018, abgerufen am 6. November 2019.</ref> In der Schweiz sind keine sulfoxaflorhaltigen Pflanzenschutzmittel zugelassen.<ref name="PSM-Verz" /> Am 7. April 2022 wurde bekannt, dass die Europäische Kommission den Einsatz von Sulfoxaflor wegen der schädlichen Wirkungen auf Wildbienen einschränken wird. Das Pestizid darf nicht mehr im Freien zum Einsatz kommen.<ref>[https://germany.representation.ec.europa.eu/news/bienenschutz-kommission-schrankt-einsatz-des-pestizids-sulfoxaflor-ein-2022-04-07_de europa.eu: Bienenschutz: Kommission schränkt Einsatz des Pestizids Sulfoxaflor ein]</ref>

=== Vereinigte Staaten ===
In den USA ist Sulfoxaflor seit dem 2013 zugelassen. Nach einem Gerichtsentscheid 2015 plant die EPA ([[Environmental Protection Agency]]) eine Anpassung der Zulassung mit eingeschränkterem Anwendungsspektrum und zusätzlichen Schutzmaßnahmen für Bienen.<ref>[https://www.epa.gov/ingredients-used-pesticide-products/proposed-decision-register-insecticide-sulfoxaflor-reduced-uses Proposed Decision to Register the Insecticide Sulfoxaflor with Reduced Uses]. 22. August 2016.</ref>

== Ökotoxizität ==
2014 warnte die [[Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit]] (EFSA) in ihrer [[Risikobewertung]] davor, dass beim Freilandgebrauch ein hohes Risiko für [[Westliche Honigbiene|Honigbienen]] nicht ausgeschlossen sei.<ref name="DOI10.2903/j.efsa.2014.3692">''Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance sulfoxaflor.'' In: ''EFSA Journal.'' 12, 2014, [[doi:10.2903/j.efsa.2014.3692]].</ref>

== Literatur ==
* {{Literatur
   |Autor=Harry Siviter, Mark J. F. Brown, Ellouise Leadbeater
   |Titel=Sulfoxaflor exposure reduces bumblebee reproductive success
   |Sammelwerk=[[Nature]]
   |Datum=2018
   |DOI=10.1038/s41586-018-0430-6}}

== Einzelnachweise ==
<references>
<ref name="mcp1">
{{Literatur
 |Autor=Wolfgang Krämer, Ulrich Schirmer, Peter Jeschke, Matthias Witschel
 |Titel=Modern Crop Protection Compounds: Herbicides, Band 1
 |Verlag=Wiley-VCH
 |Ort=Weinheim
 |Datum=2011
 |ISBN=978-3-527-32965-6
 |Seiten=1231
 | Buch
  | BuchID   = rZsaM-K2vdMC
  | Seite    = 1231
  | Hervorhebung = Sulfoxaflor}}}}
</ref>
<ref name="mcp2">
{{Literatur
 |Hrsg=Ulrich Schirmer, Peter Jeschke, Matthias Witschel
 |Titel=Modern Crop Protection Compounds: Herbicides, Band 1
 |Datum=2012
 |ISBN=978-3-527-32965-6
 |Seiten=1235
 | Buch
  | BuchID   = rZsaM-K2vdMC
  | Seite    = 1235
  | Hervorhebung = Sulfoxaflor
 }}}}
</ref>
</references>

[[Kategorie:Insektizid]]
[[Kategorie:Pflanzenschutzmittel (Wirkstoff)]]
[[Kategorie:Pyridin]]
[[Kategorie:Trifluormethylverbindung]]
[[Kategorie:Schwefel-Stickstoff-Verbindung]]
[[Kategorie:Organoschwefelverbindung]]
[[Kategorie:Sauerstoffverbindung]]
[[Kategorie:N-Cyanoverbindung]]