Samaritaner

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Betende Samaritaner am Berg Garizim
Junge Samaritaner

Die Samaritaner oder Samariter bilden eine Religionsgemeinschaft, die wie das Judentum aus dem Volk Israel hervorgegangen ist.

Es gibt heute etwa 800 Samaritaner. Sie leben in dem Dorf Kiryat Luza auf dem Berg Garizim bei Nablus im Westjordanland und in der israelischen Stadt Cholon bei Tel Aviv.[1]

Ableitung des Namens

Unterschieden werden Bewohner von Samaria (hebr. schomronim) und die israelitischen Samaritaner (hebr. שוֹמְרִים schamerim). Der Begriff Schomronim bezeichnet die Bewohner von Samaria. Schomronim leitet sich vom Namen Samaria (hebr. shomron) ab. Die Schamerim hingegen sind eine israelitische Glaubensgemeinschaft. Nicht alle Bewohner Samarias, also nicht alle Schomronim, sind auch Schamerim (israelitische Samaritaner).

Der hebräische Begriff shamerim bedeutet Bewahrer, Beobachter oder Observanten. Die Schamerim (israelitische Samaritaner) verstanden und verstehen sich als Observanten und Einhalter der Satzungen Mose (Tora oder Pentateuch). Sie sehen sich als die Vertreter des alten Israels und vertreten dessen Gottesbild.

Der Ausdruck des Barmherzigen Samariters geht auf ein Gleichnis Jesu im Neuen Testament bei Lukas (10,30–37 EU) zurück. In dieser Erzählung erhält ein Schwerverletzter, den ein jüdischer Priester und ein Levit achtlos liegen ließen, Hilfe von einem Samaritaner. Der Samaritaner versorgte die Wunden des Verletzten, brachte ihn in eine Herberge und bezahlte für seine weitere Pflege. Damals galten den Juden die Samaritaner als fehlgeleitete Abtrünnige, welche geringgeschätzt wurden.

Geschichte

Anfänge

Laut biblischer Darstellung schlossen sich die zehn Stämme im Norden Israels nach der Teilung des Großreichs Israel – durch Auflösung der „Personalunion“, die demnach unter David und Salomo bis ca. 926 v. Chr. bestanden hatte – zum Nordreich Israel mit einem Wahlkönigtum zusammen. Ihre Hauptstadt war während der Omridendynastie im 9. Jahrhundert v. Chr. zunächst Sichem, später dann Samaria.

Ein Teil dieser Bevölkerung blieb bei der großen assyrischen Deportation im Jahr 722 v. Chr. in ihrer Heimat, denn es wurden wohl nur die Angehörigen der begüterten Oberschicht der israelitischen Bevölkerung deportiert. Die verbliebenen Bewohner vermischten sich im Laufe der Zeit mit dem von der assyrischen Großmacht dort angesiedelten Völkergemisch aus dem Osten (Babel, Awa, Hamta, Sefarwajim und Kuta) (2 Kön 17,24 EU). Diese Mischbevölkerung wird als Samaritaner bezeichnet. Nach der Stadt bzw. dem Fluss Kuta werden die Samaritaner bei Flavius Josephus und in der rabbinischen Literatur als „Kutäer“ bezeichnet. Sie bewahren eine im Vergleich zum rabbinischen Judentum altertümliche Version der Religion mit eigenem Heiligtum, eigener Liturgie und ihrem samaritanischen Pentateuch. Nur diesen betrachten sie als heilige Schrift, die mündliche jüdische Lehre lehnen sie ab. Die Selbstbezeichnung lautet „Schamerim“ (Bewahrer). Die Samaritaner verstehen sich als Nachfahren der (nord)israelitischen Stämme Ephraim und Manasse.

Heiligtum und Tempel auf dem Garizim

Berg Garizim (Aufnahme von 1900)

Die Oberschicht des Südreiches (bestehend aus Juda und Benjamin) war 586 v. Chr. von den Babyloniern nach Mesopotamien verschleppt worden. Nachdem die Perser die Herrschaft über Babylonien errungen hatten, durften die Juden in verschiedenen Wellen nach Judäa zurückkehren. Unter Serubbabel, einem Davididen, bauten sie den Jerusalemer Tempel wieder auf (um 520 v. Chr.). Die Samaritaner wollten dabei mithelfen. Ihr Wunsch wurde abgelehnt (Esra 4,3 EU). Man betrachtete sie nicht als rein-israelitisch. Sie seien in Kontakt mit den fünf angesiedelten Völkern und deren Göttern gekommen.

Religionsreform durch Esra und Nehemia

Etwa um 440 v. Chr. führten Esra und Nehemia eine Religionsreform in Jerusalem und Judäa durch. Anhänger der alten, israelitischen Tradition setzten sich zu der Zeit nach Samaria ab. Eines der Reformanliegen betraf auch die Mischehen (Esra 9 EU und 10 EU). Esra und Nehemia waren gegen Mischehen zwischen Israeliten und Nicht-Israeliten. Insbesondere Priester und Leviten sollten keine solchen Mischehen führen und bestehende auflösen. Manasseh, der Sohn einer hohenpriesterlichen Familie von Jerusalem, war mit der Tochter des persischen Statthalters von Samaria verheiratet. Wegen dieser Ehe wurde er aus Jerusalem ausgewiesen. Er und gleichgesinnte Priester schlossen sich den israelitischen Samaritanern an. Er organisierte von nun an den Priesterdienst am Heiligtum auf dem Berg Garizim.

Garizim – Ort der Anbetung

Lämmer als Pessach-Opfer (Korban Pessach) auf dem Berg Garizim. Im Judentum dagegen wurde die Tradition in Jerusalem mit der Zerstörung des Zweiten Tempels abgeschafft und durch die heutigen Regeln des Pessach ersetzt.

Da die Samaritaner keinen Anteil mehr am Tempel in Jerusalem hatten, vertraten sie von nun an die Ansicht, dass der Berg Garizim der richtige Ort für die Verehrung Gottes sei und nicht Jerusalem. Denn vom Berg Garizim sei das Volk Israel gesegnet worden (Dtn 27 EU und JosEU). Sie beanspruchten deshalb für sich, sie würden die Gottesverehrung des alten Israel vertreten. Um 450/430 v. Chr. errichteten die Samaritaner ein eigenes Heiligtum auf dem Berg Garizim. Größere Umbaumaßnahmen erfolgten im 2. Jahrhundert v. Chr. Dieser Tempel der Samaritaner wurde etwa 128 v. Chr. durch den Hasmonäer Johannes Hyrkanos I. zerstört. Da jedoch noch Münzen späterer Zeit gefunden wurden, dürfte die endgültige Eroberung etwa 112/111 v. Chr. stattgefunden haben.[2]

Erwartung des Gesalbten

Die Samaritaner erwarteten ebenfalls den Gesalbten Gottes, so wie die Juden (siehe Messias). Dieser Gesalbte würde jedoch aus dem Stamm Josef kommen, nicht aus dem Stamm Juda. Im weiteren Gegensatz zu den Juden erwarteten sie keinen König, sondern einen Propheten, wie Mose einer gewesen war. Sie erwarteten den Wiederhersteller, den Taheb im Aramäischen. Dieser Taheb würde sie alles lehren und den religiösen Zustand des alten Israel wiederherstellen. Sie beriefen sich dabei auf Dtn 18,18 EU.

Gewalt gegen Pilgerzug

Im Jahr 36 n. Chr. trat ein priesterlicher Anführer auf. Er war angeblich davon überzeugt, der erwartete Taheb zu sein. Mit einer großen Gefolgschaft zog er Richtung Berg Garizim. Viele waren bewaffnet. Er wollte seiner Gefolgschaft auf dem Berg die heiligen Gefäße zeigen, die Mose dort niedergelegt habe. Dies sollte als Zeichen verstanden werden, dass er der Taheb sei. Pontius Pilatus ließ diesen Manifestationszug mit brutaler Gewalt unterbinden.[3]

Aufstände in der Spätantike

In der Spätantike kam es mehrmals zu vergeblichen Aufständen der Samaritaner gegen die oströmische Regierung, besonders in den Jahren 484 und 529. Während dieser Aufstände wurden die Anführer Justasas und Julian ben Sabar sogar zu Königen gekrönt, bald darauf aber gefangen genommen und getötet.

In der Zeit des Kalifen ʿUmar ibn al-Chattāb († 644) stellten die Samaritaner eine wichtige Gruppe dar. Gelegentlich wird vermutet, dass es sich bei den Juden von Medina zur Zeit des islamischen Religionsstifters Mohammed († 632) um Samaritaner gehandelt haben könnte.[4]

Neuzeit

Die Samaritaner leben heute in Cholon in der Nähe von Tel Aviv sowie in Nablus im Westjordanland. Es gibt nur fünf Familienverbände. Die Trennung in zwei etwa gleich große Gruppen, von denen die eine in Cholon stark von der israelischen Gesellschaft beeinflusst wurde, und eine andere, die ihre arabischen Bräuche aufrechterhielt, führte zu gewissen Loyalitäts- und Identitätsproblemen. Die Gruppe in Cholon spricht beispielsweise vorwiegend Hebräisch, die Gruppe in Nablus Arabisch. Seit Beginn der Intifada wurden mehrmals arabisch sprechende Samaritaner von israelischen Soldaten für Palästinenser gehalten und sehr harsch behandelt, was die Spaltung nur noch verstärkt hat.[1]

Demografie

Samaritaner beim Pessachfest (um 1900)

Nach eigenen Angaben betrug die Zahl der Samariter im 4. Jahrhundert v. Chr. etwa 1,2 Millionen.

Waren die Samaritaner im Mittelalter noch ein recht zahlreiches Volk, so sank ihre Zahl im Zuge der Islamisierung extrem. Die Samaritaner praktizieren, auch zu ihrem eigenen Schutz, eine strenge Endogamie. Im Jahre 1918 zählten die Briten im damaligen Mandatsgebiet Palästina 146 Samariter in fünf miteinander verwandten Familien, davon eine Priesterfamilie. Die wohlwollende Einstellung der Zionisten hat wohl die letzten Samaritaner vor dem Untergang bewahrt.

Seit 1923 ist den Samaritanern auch die Heirat mit Juden erlaubt, wenn diese zur Religion der Samaritaner übertreten. Daraufhin traten einige Jüdinnen über und heirateten Samaritaner. Seitdem ist ihre Zahl angestiegen und betrug 1996 wieder über 660 Personen. Im Gegensatz zu den Juden – sie sehen die Abstammung von einer jüdischen Mutter als Basis für die Religionszugehörigkeit zum Judentum –, ist die Abstammung von männlichen Vorfahren Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur samaritanischen Religion.[5]

Die samaritanische Gemeinschaft nennt für 1786 nur ungefähr 100 Mitglieder, 1919 habe es 141 Samaritaner gegeben, 2018 seien es 810 Mitglieder gewesen. Von den 796 Samaritanern am 1. Januar 2017, darunter 414 Männer und 382 Frauen, lebten 381 Personen am Berg Garizim und 415 im Staat Israel. 2016 wurden 12 Kinder geboren, 3 Frauen heirateten in die samaritanische Gemeinschaft ein. Es gab 4 Todesfälle.[1][6] Etwa 800 Samaritaner gab es 2019.[7]

Religion der Samaritaner

Die Heilige Samaritaner-Tora

Die Samaritaner erkennen von den Schriften der Bibel nur die Autorität der fünf Bücher Mose (Pentateuch bzw. Tora) an. Der samaritanische Pentateuch ist in einer eigenen samaritanischen Schrift geschrieben, die auf der althebräischen Schrift basiert, welche sich aus dem phönizischen Alphabet entwickelt hat. (Die heutige hebräische Schrift hingegen ist ursprünglich eine aramäische Schrift, die von den Juden erst während des babylonischen Exils übernommen wurde). Darüber hinaus haben sie eine eigene Überlieferungs- und Aussprachetradition ihrer heiligen Schriften und der althebräischen Sprache erhalten können, für Bibelwissenschaftler und Sprachwissenschaftler eine Fundgrube.

Für diese Samaritaner waren die prophetischen Bücher der Juden nicht von Bedeutung. Sie waren der Auffassung, dass sich die Juden, die Abkömmlinge des Südreiches, von der alten israelitischen Gottesvorstellung weg entwickelt hätten, insbesondere während des babylonischen Exils. Die Samaritaner warfen den Juden vor, sie hätten dem Gott Israels menschliche Eigenschaften zugeordnet (prophetische Bücher des AT). Damit hätten sie sich ein Bild von Gott gemacht und würden gegen die Gebote Gottes verstoßen.

Die Samaritaner haben viele alte Bräuche bewahrt, die sie bisweilen auf die Zeit vor dem babylonischen Exil zurückführen. Beispielsweise kennen sie bis heute das Hohepriestertum und das Tieropfer und feiern ihr Neujahr im Frühling, nicht wie die Juden im Herbst.

Hoherpriester

Die Samaritaner haben einen eigenen Hohenpriester, der auf dem Berg Garizim residiert.

Siehe auch

Literatur

Monographien

  • Alan D. Crown: The Samaritans. Mohr, Tübingen 1989, ISBN 3-16-145237-2.
  • Alan D. Crown, Reinhard Pummer: A Bibliography of the Samaritans (ATLA Bibliography Series 51). Lanham 32005, ISBN 0-8108-5659-X.
  • Alan D. Crown, Reinhard Pummer, Abraham Tal (Hg.): A Companion to Samaritan Studies. Mohr, Tübingen 1993, ISBN 3-16-145666-1.
  • Ferdinand Dexinger, Reinhard Pummer (Hrsg.): Die Samaritaner. (= Wege der Forschung 604), Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-08557-4.
  • Magnar Kartveit: The Origin of the Samaritans (= Vetus Testamentum Supplements 128). Brill, Leiden, Boston 2009, ISBN 978-90-04-17819-9.
  • Reinhard Pummer: The Samaritans. E.J. Brill, Leiden 1987, ISBN 90-04-07891-6.
  • Reinhard Pummer: The Samaritans: A Profile. Eerdmans, Grand Rapids, Michigan 2016, ISBN 978-0-8028-6768-1.
  • Robert T. Anderson, Terry Giles: The Keepers: An Introduction to the History and Culture of the Samaritans. Hendrickson, Peabody 2002. ISBN 978-0801045479.

Populärwissenschaftliches

  • Matthias Schulz: Gottes vergessene Kinder. In: Der Spiegel. Nr. 15, 2012, S. 120–123 (PDF; 835 kB).
  • Günter C. Vieten: Die Samaritaner. Moses wahre Erben, Fotografie von Amos Schliack. GEO Magazin, April 1986, S. 88–102.
Commons: Samaritaner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Gerhard Wedel: Die Samaritaner: Ein Forschungsüberblick. Seminar für Semitistik und Arabistik der Freien Universität Berlin, 20. Dezember 2006, archiviert vom Original am 29. Juli 2016;.
  • Thomas Schmidinger: Die Samaritaner: Unter sich am Berg Garizim. (pdf, 110 kB) In: Aufbau. 18. März 2004; (Reportage über die gegenwärtigen Samaritaner, wiedergegeben auf der Website der Universität Wien).
  • Martina Böhm: Samaritaner. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 1. Juni 2010
  • The Samaritan Update: An Internet Newsletter & Archive Regarding the Samaritan-Israelites. samaritanischen Gemeinschaft; (englisch).

Einzelnachweise

  1. a b c Alexandra Rojkov: Samaritaner und das Coronavirus. Wie eines der ältesten Völker der Welt gegen die Auslöschung kämpft. In: Der Spiegel. 13. April 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  2. Y. Magen: The Dating of the First Phase of the Samaritan Temple on Mount Gerizim in Light of the Archaeological Evidence. In: O. Lipschits; G. N. Knoppers (Hrsg.): Judah and the Judeans in the Fourth Century B.C.E. Winona Lake 2007, S. 157–211.
  3. Flavius Josephus: Jüdische Altertümer XVIII:4,1–2.
  4. Hans Jansen: Mohammed. Eine Biographie. (2005/2007) Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56858-9, S. 200.
  5. Julia Perrot: Lammopfer zum Passahfest – die Glaubensgemeinschaft der Samaritaner. Institut für Israelogie der Freien Theologischen Hochschule Gießen, 17. April 2014, abgerufen am 24. September 2019.
  6. The Samaritan Update: An Internet Newsletter & Archive Regarding the Samaritan-Israelites. samaritanischen Gemeinschaft, 29. August 2019, abgerufen am 24. September 2019 (englisch).
  7. Alexandra Rojkov: Die Bürde der Barmherzigen. In: GEO 8/2019, S. 28.