Waldnashorn

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Waldnashorn
Zeitliches Auftreten
Oberes Pliozän bis Mittelpleistozän
? Mio. Jahre bis 126.000 Jahre
Fundorte
Systematik
Laurasiatheria
Unpaarhufer (Perissodactyla)
Nashörner (Rhinocerotidae)
Waldnashorn
Wissenschaftlicher Name
Stephanorhinus
Jaeger, 1839
Art
  • Stephanorhinus kirchbergensis

Das Waldnashorn oder Mercknashorn (Stephanorhinus kirchbergensis) war eine Nashornart aus dem späten Pleistozän Eurasiens und Nordafrikas. Die Art wurde 1839 durch G.F. Jäger unter diesem Namen beschrieben.[1]

Verbreitung und Lebensraum

Das Waldnashorn war im Pleistozän über Weite Teile Eurasiens von Westeuropa bis Südsibirien und China verbreitet.[2] Fossilien dieser Art werden im Vergleich zu anderen plesitozänen Großsäugern relativ selten gefunden.[3] Gründe dafür können entweder die schlechten Fossilisationsbedingungen sein, oder die Art war tatsächlich relativ selten.[2]

Das Waldnashorn war einer der letzten Vertreter der Gattung Stephanorhinus, als sein Zeitgenosse überlebte auch das Steppennashorn (Stephanorhinus hemitoechus) bis ins späte Pleistozän. Wegen der Spezialisierung beider Arten auf ihr jeweils namensgebendes Habitat (Wald/Steppe) wird die Präsens ihrer Fossilien in Fundstätten als Maß für den Wechsel der Vegitationsgürteln im Verlauf von Eis- und und Warmzeiten genutzt.[4] Das mit ihm verwandte Sumatranashorn (Dicerorhinus sumatraensis), das ebenfalls zu den Dicerorhini gehört, hält sich bis heute in den Wäldern Südostasiens, obwohl es durch menschliche Einflüsse bis auf wenige hundert Tiere dezimiert wurde. In den Warmzeiten des Eiszeitalters kam das Waldnashorn in Mittel- und Südosteuropa vor. Seine Überreste werden jeweils mit der entsprechenden Warmzeitfauna gefunden, die durch Tiere wie Waldelefant, Steppennashorn, Damhirsch und Auerochse charakterisiert ist. In den Kaltzeiten zogen sich all diese Tiere stets in südlichere Gefilde zurück und überließen die entstehenden Kältesteppen anderen Tieren wie Wollnashörnern und Wollhaarmammuts. Ein fast vollständiges Skelett wurde in pleistozänen Deckschichten des Braunkohletagebaus von Neumark-Nord im Geiseltal geborgen. Der Kadaver stammt aus der Eem-Warmzeit (ca. 130-115 000 Jahre vor heute). Außerdem wurde das Waldnashorn in warmzeitlichen Ablagerungen der Mosbacher Sande im Stadtgebiet von Wiesbaden sowie aus Steinheim an der Murr bekannt. In der Risseiszeit ist es in der Levante nachgewiesen. In einer feuchten Phase des Jungpleistozäns war es bis Nordafrika verbreitet.

In der russischen Steppe wurden Schädel dieses Nashorns im Schwemmland von Don und Wolga gefunden, die ins Jungpleistozän datieren. Die überwiegende Mehrzahl der Nashornfunde dieser Gegend stammt allerdings vom Wollnashorn. Am Beginn der letzten Kaltzeit (Würmeiszeit) zog sich das Waldnashorn, wie bei vorigen Kaltzeiten auch, aus Mitteleuropa nach Süden zurück. Bei der Wiedererwärmung im Holozän war es in seinen Rückzugsgebieten ebenfalls ausgestorben. Dasselbe Schicksal ereilte auch den Europäischen Waldelefant und zuvor das Steppennashorn (vgl. Quartäre Aussterbewelle).

Körperbau und Ernährungsweise

Da im Gegensatz zum Wollnashorn keine Höhlenzeichnungen oder gefrorenen Überreste vom Waldnashorn vorliegen, wissen wir über sein Aussehen lange nicht so gut Bescheid wie über seinen nördlichen Verwandten. So ist auch unbekannt ob dieses Nashorn ein Fell hatte oder nicht. Unter den heutigen Nashörnern ähnelte es wahrscheinlich am ehesten dem Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis) oder seinem nächsten Verwandten dem Sumatranashorn (Dicerorhinus sumatraensis). Wie die beiden heutigen Arten trug es zwei Hörner auf der Nase, von denen das vordere größer war. Eine weitere Gemeinsamkeit mit diesen ist die eher horizontale Haltung des Kopfes, die sich aus dem rechtwinkligen Hinterhaupt ergibt. Dadurch unterscheidet es sich deutlich vom Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum), das ein verlängertes Hinterhaupt besitzt und den Kopf wesentlich mehr nach unten geneigt trägt. Dieses Merkmal weist darauf hin, dass das Waldnashorn ähnlich wie Spitzmaulnashorn und Sumatranashorn ein Laubfresser, und kein Grasfresser wie das Breitmaulnashorn war. Auch am Zahnbau bestätigt sich dieser Unterschied in der Ernährungsweise. Das Waldnashorn besitzt wie andere Laubfresser ziemlich niedrige Zahnkronen und die Malflächen sind durch die Blattkost in der Mitte stets trogartig ausgekolkt. Beim grasfressenden Wollnashorn sind die Zähne genau wie beim Breitmaulnashorn gleichmäßig flach abgeschliffen. Gleichzeitig mit dem Waldnashorn lebte in Eurasien das Steppennashorn (Stephanorhinus hemiotechus), dessen Zähne diesbezüglich zwischen den beiden Extremen lagen.

Wissenschaftliche Namen

Im Lauf der Zeit wurde das Waldnashorn unter verschiedenen wissenschaftlichen Namen geführt:[2]

  • Rhinoceros incisivus Merck 1784
  • Rhinoceros megarhinus de Christol 1834 [5]
  • Rhinoceros leptorhinus Cuvier 1836
  • Rhinoceros kirchbergense Jäger 1839
  • Rhinoceros Merckii (merckii, mercki, merki, Mercki) Kaup 1841 [6]
  • Dicerorhinus mercki Kaup 1841
  • Rhinoceros leptorhinus Owen 1850 [7]
  • Rhinoceros (Tichorhinus) Merckii Brandt 1877 [8]
  • Rhinoceros Mercki (Merckii) var. Brachycephala Schroeder 1903 [9]
  • Coelodonta merckii Abel 1919
  • Dicerorhinus kirchbergensis Hooijer 1947 [10]
  • Dicerorhinus mercki (kirchbergensis) (Jäger) var. Brachycephalus Schroeder
  • vel Dicerorhinus merckii Mayer 1971 [11]

Literatur

  • Paul S. Martin: Quaternary Extinctions. The University of Arizona Press, 1984. ISBN 0-8165-1100-4
  • Arno H. Müller: Lehrbuch der Paläozoologie, Band III Vertebraten, Teil 3 Mammalia, 2. Auflage. Gustav Fischer Verlag, 1989. ISBN 3-334-00223-3
  • Wighart v. Koenigswald: Lebendige Eiszeit. Theiss-Verlag, 2002. ISBN 3-8062-1734-3

Einzelnachweise

  1. G.F. Jäger: Über die fossilen Säugetiere welche in Württemberg in verschiedenen Formationen aufgefunden worden sind, nebst geognostischen Bemerkungen über diese Formationen. C. Erhard Verlag, Stuttgart,1835–39
  2. a b c Emmanuel M.E. Billia: Revision of the fossil material attributed to Stephanorhinus kirchbergensis (Jäger 1839) (Mammalia, Rhinocerotidae) preserved in the museum collections of the Russian Federation. Quaternary International, Volume 179, Issue 1, March 2008, S. 25-37 doi:10.1016/j.quaint.2007.09.034
  3. H.K. Loose: Pleistocene Rhinocerotidae of Western Europe with reference to the recent two-horned species of Africa and S.E. Asia. Proefschrift [Dissertation], Leiden, Scripta Geologica 33, 1975, S. 1–59
  4. Donald R. Prothero,Robert M. Schoch: Horns, tusks, and flippers. The evolution of hoofed mammals. Johns Hopkins Univ Pr, Baltimore 2003, ISBN 0-8018-7135-2, S. 272.
  5. Christol, J. de: Recherches sur les grandes espèces de rhinocéros fossiles. Montpellier, J. Martel,1834, 1­70 Seiten, 31 Abb.
  6. Kaup, J. J.: Akten der Urwelt oder Osteologie der urweltlichen Säugethiere und Am­phibien. Darmstadt, publ. by the author. 1841
  7. Owen, R.: A History of British fossil mammals and birds. London, Joh Van Voorst: I­XLVII
  8. Brandt, J. F., Versuch einer Monographie der Tichorhinen Nashörner nebst Bemerkungen über Rhinoceros leptorhinus Cuv. u.s.w. Mém. Ac. Imp. Sc. St. Pétersb., Sér. VII, XXIV, 4, 1877
  9. H. Schroeder: Die Wirbelthierfauna des Mosbacher Sandes, I Gattung Rhinoceros. Abh. Kön. Preuss. Geol.L andesanst., N.F. 18, 1903, S. 1­143
  10. Hooijer, D. Α.: Notes on some fossil mammals of the Netherlands. Arch. Mus. Teyler, 1947, Ser. 3, 10, 1
  11. Mayer, G.: Beiträge zur Geschichte der Badischen Landessammlungen für Naturkunde in Karlsruhe, III. Der Schädel des Dicerorhinus mercki (kirchbergensis) (Jaeger) var. brachycephalus Schroeder von Daxlanden und seine Geschichte. Beitr. naturk. Forsch. Südw. Dtl., 30/2, 1971, S. 157-­163