Walter E. Richartz

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Walter Erich Richartz (seit 1942 bürgerlich Walter Erich Freiherr Karg von Bebenburg; * 14. Mai 1927 in Hamburg; † 3. Februar 1980 in Klingenberg am Main) war ein deutscher Chemiker und Schriftsteller.

Walter Erich Richartz wurde als Sohn des aus Griemshorst bei Stade stammenden Korvettenkapitäns Karl Richarz (1887–1966) und seiner Frau Ingeborg, geborene von Kemnitz (1906–1970), in Hamburg geboren.[1] 1942 wurde er von seinem Stiefvater, dem Verleger Franz-Theodor Karg von Bebenburg (1910–2003) adoptiert und nahm seinen Namen an.[1] Seine Großeltern mütterlicherseits waren der Zoologe Gustav Adolf von Kemnitz (1881–1917) und die Ärztin und völkische Aktivistin Mathilde Ludendorff.[1] Bis 1944 lebte er in Stuttgart, Vaihingen an der Enz und Weilheim. Er nahm als Soldat der Wehrmacht an der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs teil und geriet in Kriegsgefangenschaft. Ab 1946 studierte er Chemie an der Technischen Universität München und ab 1952 an der Universität Hamburg, wo er 1955 zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert wurde. Er war anschließend wissenschaftlicher Assistent und hielt sich von 1957 bis 1960 in den USA am Departement of Chemistry der Ohio State University auf. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland war er Angestellter in einem Forschungslabor eines Betriebes der chemischen Industrie.

Richartz beschäftigte sich als Chemiker seit 1961 als Laborleiter in der Pharmaabteilung der Frankfurter Degussa AG (Chemiewerk Homburg) schwerpunktmäßig in der Arzneimittelsynthese mit der Synthese trisubstituierter Pyridine. Ihm gelang die Synthese von Flupirtin, einem Analgetikum, das von der damaligen Asta Medica AG (ehemals Chemiewerk Homburg), einem Tochterunternehmen der Degussa AG, auf den Markt gebracht und bis 2018 unter anderem unter dem Handelsnamen Katadolon vertrieben wurde. Richartz war Inhaber mehrerer Patente.

Seit 1979 war Walter von Bebenburg freier Schriftsteller. Er litt unter Depressionen, hatte bereits 1979 einen Suizidversuch unternommen und nahm sich Anfang Februar 1980 in der Nähe von Klingenberg am Main das Leben. Der Tote wurde einen Monat später von Spaziergängern gefunden.[2]

Walter von Bebenburg alias Walter E. Richartz ist vor allem mit realistisch erzählten und zum Satirischen tendierenden Werken hervorgetreten, in denen er den ihm vertrauten Wissenschaftsbetrieb und den Arbeitsalltag von Angestellten schildert. Daneben war er als Übersetzer aus dem Englischen tätig. Richartz war Mitglied des deutschen P.E.N.-Zentrums.

Als Naturwissenschaftler hat der Autor im Anschluss an Ernst Blochs Geist der Utopie in seinem Wissenschaftsessay „Plädoyer für das Utopische in der Wissenschaft“ (1971) die „fortgesetzte Verarmung der Anschauungsformen“ in allen „positivistischen“ Wissenschaften kritisiert, „für die Offenheit der Wissenschaft und ihrer Vermittler gegenüber allen kreativen Möglichkeiten“ plädiert und an die „Sprachtechnik des ´tongue in cheek´“ zur Herstellung von Doppel- und Mehrdeutigkeiten zur Produktion von Texten im „Schwebezustand […] zwischen Fiktion und Wirklichkeit […] im ´Utopischen Zustand´“ des „Unvorstellbaren […] als eine Eigenart der wahren Utopie“ erinnert – mit dem Ziel der „vollen Entfaltung aller Möglichkeiten des Denkens und der Imagination“ in Wissenschaft, Literatur und Kunst (vgl. Vorwärts ins Paradies. Aufsätze zur Literatur und Wissenschaft, Zürich 1979: 128 ff., hier besonders 166–187).

  • als „Walter von Bebenburg“ mit Gernot W. Elmenhorst: Die Jazz-Diskothek. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1961.
  • Es funktioniert. Eremiten-Presse, Stierstadt im Taunus 1964.
  • mit Arno Waldschmidt: Mutterleiber, Vaterländer. Eremiten-Presse, Stierstadt im Taunus 1965.
  • Meine vielversprechenden Aussichten. Diogenes, Zürich 1966.
  • Prüfungen eines braven Sohnes. Diogenes, Zürich 1966.
  • Tod den Ärtzten. Diogenes, Zürich 1969.
  • „Wörtlich betäubt“. Die Entstehung eines Romans. Mit fünfzehn Abbildungen von Horst B. Baerenz. Kohlkunstverlag, Frankfurt am Main 1969.
  • Noface – nimm was du brauchst. Diogenes, Zürich 1973.
  • Büroroman. Diogenes, Zürich 1976.
  • Das Leben als Umweg und andere Geschichten. Diogenes, Zürich 1976.
  • Der Aussteiger. Diogenes, Zürich 1979.
  • Vorwärts ins Paradies. Aufsätze zur Literatur und Wissenschaft. Diogenes, Zürich 1979.
  • Reiters westliche Wissenschaft. Zürich 1980.
  • Tunneltexte. Patio, Frankfurt am Main 1981.
  • ... auch so ein großer Klotzer. Patio, Neu-Isenburg 1983.
  • Vom Äußersten. Diogenes, Zürich 1986.
  • Schöne neue Welt der Tiere. Haffmans, Zürich 1987.
  • Eterna. Patio, Dreieich 2005.
  • Es funktioniert. Patio, Dreieich 2007.

Herausgeberschaft

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  • Shakespeares Geschichten, Band 1. Nacherzählt von Walter E. Richartz. Diogenes, Zürich 1978
  • Dreizeiler. Eine Anthologie (mit Karl Riha). Patio, Frankfurt am Main 1978
  • Schön ist die Jugend bei guten Zeiten. Prosa und Lyrik (mit Heinrich Droege). Athenäum, Königstein im Taunus 1980
  • Gregor Arzt: Walter E. Richartz. Über literarische und naturwissenschaftliche Erkenntnis. Igel, Paderborn 1995 (Diss. FU Berlin 1994), ISBN 3-927104-95-7.
  • Uwe Herms: Keiner kennt dich mehr, wenn du am Ende bist. In: die horen. 30. Jahrgang, Nr. 3, 1985, Ausgabe 139, S. 42–46.
  • Harald Wieser: Noface. Der Schriftsteller Walter E. Richartz. In: Harald Wieser: Von Masken und Menschen II. Essais und Affairen. Haffmans, Zürich 1991, ISBN 3-251-01082-4, S. 12–23,
  • Doppel-Talente: Günter Grass & Walter E. Richartz / Hommage und Memorial. In: die horen. 52. Jahrgang, Nr. 3, 2007, Ausgabe 227 (Texte von Walter E. Richartz sowie Beiträge über ihn von Uwe Herms, Pitt von Bebenburg, Karl Riha, Tatjana Hauptmann, Wil Frenken, Urs Widmer, Gerd Haffmans, Sven Hanuschek, Heiko Postma/Dieter Fringeli/Gert Ueding, Robert Stauffer, Werner Klippert, Heribert Offermanns, Bernd Kebelmann, Wolfgang Frühwald, Michael Schulte und Gottfried Erb).
  • Heribert Offermanns: W. E. Richartz, W. von Bebenburg – Schriftsteller und Chemiker. In: Chemie in unserer Zeit. Band 46, Nr. 3, 2012, S. 158–159, doi:10.1002/ciuz.201200591.
  • Sven Hanuschek: „Walter E. Richartz hat anders getickt als die anderen, aber sehr leise“. In: Chemie in unserer Zeit. Band 46, Nr. 3, 2012, S. 160–166, doi:10.1002/ciuz.201200556.
  • Grelczak, Gebhard: WER? – erzählerischer Alltags-Surrealismus in Walter E. Richartz’ «Reiters Westliche Wissenschaft» (1980) und «Noface – Nimm was du brauchst» (1973). In: Hanuschek, Sven, und Margit Dirscherl (Hrsg.): Alltags-Surrealismus: Literatur, Theater, Film. Edition Text und Kritik, München 2012. S. 93–119.
  • Grelczak, Gebhard: Texte sind nicht linear: zur (elektronischen) Edition der Amerika-Tagebücher 1957–60 von Walter E. Richartz. München 2017 (Dissertation, LMU München 2013), online verfügbar unter https://edoc.ub.uni-muenchen.de/20880/.

Einzelnachweise

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  1. a b c Genealogisches Handbuch des Adels. Band 31, (Limburg) 1963, S. 235.
  2. Sven Hanuschek: „Walter E. Richartz hat anders getickt als die anderen, aber sehr leise“. In: Chemie in unserer Zeit 46 (2012), S. 160–166, hier S. 165–166