Wilhelm von Türk

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Wilhelm von Türk

Karl Christian Wilhelm von Türk (* 8. Januar 1774 in Meiningen; † 30. Juli 1846 in Klein Glienicke) war ein Jurist, Pädagoge und Sozialreformer.

Leben

Türk war das vierte Kind des Kammerpräsidenten und Hofmarschalls Otto Philipp von Türk und dessen Ehefrau Friederike Luise Marie Christiane von Bibra. In seiner Geburtsstadt besuchte er zunächst die Schule der dortigen Freimaurerloge. Als 1779 seine Mutter starb, kam Türk zu seinem Onkel, dem Oberjägermeister von Bibra nach Hildburghausen und wurde dort zusammen mit seinen Cousins durch Hauslehrer erzogen.

1791 immatrikulierte sich Türk an der Universität Jena für das Fach Jura, das dort sein älterer Bruder bereits seit einigen Semestern studierte. Der Dichter Novalis und Friedrich Magnus von Bassewitz, späterer Oberpräsident der Provinz Brandenburg und Dienstherr von Türks, waren seine Kommilitonen. 1793 konnte Türk sein Studium erfolgreich beenden. Er hoffte, eine Tätigkeit im Dienste des Herzogs von Sachsen-Meiningen aufnehmen zu können. Seine Bewerbung wurde jedoch abgelehnt, weil bereits sein Vater und Bruder Regierungsämter für den Herzog von Sachsen-Meiningen ausübten. Ein Versuch, in Preußen angestellt zu werden, misslang.

Türk kehrte zurück nach Hildburghausen, und während seines dortigen Aufenthalts machte er die Bekanntschaft des damaligen Prinzen Karl von Mecklenburg-Strelitz. Als dessen Bruder, Herzog Adolf Friedrich IV., 1794 starb, musste er selbst als Herzog Karl II. die Herrschaft übernehmen. Kurz danach, am 4. Juni 1794, engagierte er Türk als Auditor seiner Justizkanzlei und ernannte ihn zum Kammerjunker an seinem Hof in Neustrelitz. 1796 wurde Türk zum Kammerherrn und Justizrat befördert. 1801 übertrug der Herzog Türk zusätzlich die Aufsicht über die Schulen. Auf diese Aufgabe bereitete Türk sich durch das Studium von Fachliteratur und durch Besuche bei Schulen zum Kennenlernen der gängigen Unterrichtspraxis vor. Türk korrespondierte auch mit bekannten Schulmännern und Pädagogen. Seine Aktivitäten führten ihn folgerichtig zu Johann Heinrich Pestalozzi, der um die Wende zum 19. Jahrhundert in der Schweiz weitreichende Reformpläne zur Hebung der Volksbildung entwickelte. Das Ergebnis seiner Studien war Türks erste pädagogische Schrift, „Über zweckmäßige Einrichtung der öffentlichen Schul- und Unterrichtsanstalten als eines der würksamsten Beförderungsmittel einer wesentlichen Verbesserung der niederen Volksklassen mit vorzüglicher Rücksicht auf Meklenburg,“ die 1804 erschien.[1] Da er die Lehrmethoden im Vergleich zu seinen Erkenntnissen aus der pädagogischen Fachliteratur als ungenügend ansah, unternahm er ab 1804 eine längere Studienreise zu bekannten Pädagogen und ihren Unterrichtsanstalten. Die Stationen der Reise waren Dessau, Leipzig, Frankfurt am Main, Münchenbuchsee in der Schweiz, Heidelberg, Anspach, Erlangen, Meiningen, Berlin und Stettin. Türks erste Begegnung mit Pestalozzi ereignete sich, als Türk Richtung Münchenbuchsee unterwegs war. Pestalozzi erklärte Türk seine Methoden für verschiedene Fächer und ließ ihm auch eigenen Unterricht halten. Über seine Erfahrungen der Reise berichteten 1806 zwei Schriften Türks: die „Beitrage zur Kenntnis einiger deutscher Elementarschulanstalten, namentlich der zu Dessau, Leipzig, Heidelberg, Frankfurt am Main und Berlin“ und die „Briefe aus München-Buchsee über Pestalozzi und seine Elementarbildungsmethode“.   [2]  

Nach der Rückkehr Ende 1804 in das Herzogtum Mecklenburg-Strelitz fiel es Türk außerordentlich schwer, sich wieder an das Leben und die Verpflichtungen am Hofe zu gewöhnen.[3] Türks Absicht verdichtete sich, Neustrelitz zu verlassen. Im Oktober 1804 erfuhr er, dass er bei den Beförderungen am Neustrelitzer Hof übergangen worden sei. Ende 1805 entschied sich Türk für eine Tätigkeit in Oldenburg. Ausschlagend dafür war ein sehr persönlicher Grund. Er hatte im Sommer 1805 Wilhelmine Amalie von Buch, seine spätere Ehefrau, kennengelernt. Sie war die Tochter des preußischen Geheimrats Adolf Friedrich von Buch aus Stolpe an der Oder und seiner Gemahlin Charlotte Philippine, geb. von Arnim, und die Schwester des Geologen und Naturforschers Leopold von Buch, ein Freund Alexander von Humboldts. Wilhelm und Wilhelmine verlobten sich und wollten heiraten. Ihnen war klar, dass die Verpflichtungen am Neustrelitzer Hof—es war erwartet, dass er jeden Abend stundenlang am Hof Karten spielen sollte--keine Basis für ein Ehe- und Familien Leben nach ihren Vorstellungen bildeten.[4]

1805 schied Türk aus dem Dienst des Herzogs von Mecklenburg-Strelitz aus und zog nach Oldenburg, wo er Anfang 1806 zum Justiz- und Konsistorialrat ernannt wurde. Im gleichen Jahr heiratete er Wilhelmine. Mit ihr hatte er zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Im oldenburgischen Konsistorium trat er für die Einführung der Pestalozzischen Lehrmethode in den Volksschulen ein, konnte sich aber gegen den konservativen Generalsuperintendent Anton Georg Hollmann nicht durchsetzten. Stattdessen gründete er nach dem Vorbild Pestalozzis eine eigene, private Lehranstalt, die von der oldenburgischen Bürgerschicht guten Zuspruch erhielt und dazu auch zur Lehrerausbildung über Oldenburg hinaus genutzt wurde. 1806 wurde Türk in die Literarische Gesellschaft Oldenburgs aufgenommen.

Da er mit seiner erfolgreichen Privatschule im oldenburgischen Konsistorium zunehmend gegenüber den Lehrern anderer, herkömmlicher Schulen in Bedrängnis geriet und auch der einflussreiche Kanzleirat Christian Ludwig Runde zu seinen Gegner zählte, nutzte Türk 1808 ein Angebot Pestalozzis, an seinem 1805 eröffneten Institut in der Schweiz zu unterrichten und er siedelte nach Yverdon-les-Bains über.

Bereits 1811 verließ er Pestalozzis Institut wieder und gründete in Vevey erneut eine eigene Schule. Im Mai 1815 wurde er als Schulrat nach Frankfurt (Oder) berufen, drei Jahre später ging er in gleicher Stellung nach Potsdam. Dort wurde ihm 1839 die Ehrenbürgerwürde verliehen.[5] Er machte sich einen Namen als Gründer von Fürsorgeeinrichtungen und als Erzieher. So gründete er beispielsweise im Jagdschloss Glienicke ein Waisenhaus. Gern wurde er auch als Preußischer Pestalozzi bezeichnet. Um seine Zöglinge zu beschäftigen, griff er eine unter dem Großen Kurfürsten begonnene Seidenraupenzucht, die so genannte Glienicker Maulbeerplantage, wieder auf. Zu seinen Projekten, Unterrischtsauffassungen und -erfahrungen veröffentlichte er mehrere Bücher. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Klein-Glienicke, wo sich auch der von ihm errichtete und nach ihm benannte „Türkhof“, auch „Türkshof“ genannt, befindet.

Um Ostern 1846 verletzte sich Türk am Fuß, maß aber dieser Verletzung keinerlei Bedeutung zu. Es ist zu vermuten, dass es sich bei der Todesursache höchstwahrscheinlich um eine Blutvergiftung handelte. Im Alter von 70 Jahren starb Wilhelm von Türk am 30. Juli desselben Jahres in Klein Glienicke. Der Hofprediger Grisson gestaltete die Beerdigung.

Bedeutung

In der Mark Brandenburg war Wilhelm von Tür unter den Ehrennamen „Vater der Armen und Waisen“, „Potsdamer Pestalozzi“ oder „Edler von Türk“ in allen Schichten der Bevölkerung bekannt und geachtet. Er stand in der Tradition der preußischen Reformer, die eine grundlegende Verbesserung der Gesellschaft vor allem durch die Hebung der Volksbildung anstrebten. Zu seinem Freundeskreis zählten herausragende Persönlichkeiten des Geisteslebens wie die Brüder Wilhelm von Humboldt und Alexander von Humboldt sowie Friedrich Schleiermacher und Carl Ritter. Als Schüler, Freund und Mitstreiter Johann Heinrich Pestalozzis hatte er weiterhin vielfältige Verbindungen zu Staatsmännern seiner Zeit.[6]

Werke

  • Über zweckmäßige Einrichtung der öffentlichen Schul- und Unterrichtsanstalten als eines der würksamsten Beförderungsmittel einer wesentlichen Verbesserung der niederen Volksklassen mit vorzüglicher Rücksicht auf Meklenburg. Neu-Strelitz 1804.
  • Beitrage zur Kenntnis einiger deutscher Elementarschulanstalten, namentlich der zu Dessau, Leipzig, Heidelberg, Frankfurt am Main und Berlin. Leipzig 1806.
  • Briefe aus München-Buchsee über Pestalozzi und seine Elementarbildungsmethode. Leipzig 1806.
  • Kurze Anleitung zur Erziehung und Pflege des Maulbeerbaums und zum Seidenbau. Bessler, Berlin 1851 (zusammen mit [Hermann?] Sello)
  • Vollständige Anleitung zur zweckmässigen Behandlung des Seidenbaues und des Haspelns der Seide sowie zur Erziehung und Behandlung der Maulbeerbäume nach den neuesten Erfahrungen und Beobachtungen. Riegel Verlag, Potsdam, 1829
    • 1. – Von dem Seidenbau im Allgemeinen, von deren bisherigen Mißlinen und die Ursachen derselben, sowie von dessen Verbreitung und dem für denselben geeigneten Clima (online – Internet Archive)
    • 2. – Vollständige Anleitung zur Betreibung des Seidenbaus und des Haspelns der Seide (online – Internet Archive)
    • 3. – Anleitung, die Maulbeerbäume zweckmäßig zu erziehen und zu behandeln (online – Internet Archive)
  • Leben und Wirken des Regierungs- und Schulrats Wilhelm von Türk, von ihm selbst niedergeschrieben als ein Vermächtnis an die von ihm gegründeten Waisenhäuser. Potsdam, Robert Müller. 1904.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Rocksch: Wilhelm von Türk (1774–1846). Ein führender deutscher Pestalozzianer, Schul- und Sozialreformer. Weidler Buchverlag, Berlin 2002, ISBN 3-89693-197-0. Seiten 21–22.
  2. Wolfgang Rocksch: Wilhelm von Türk (1774–1846). Ein führender deutscher Pestalozzianer, Schul- und Sozialreformer. Weidler Buchverlag, Berlin 2002, ISBN 3-89693-197-0. Seiten 26–28.
  3. Clara Gelpke: Wilhelm von Türk. Seine paedagogisher Werdegang. Saalfeld (Ostpr.) 1938, S. 81-2.
  4. Wolfgang Rocksch: Wilhelm von Türk (1774–1846). Ein führender deutscher Pestalozzianer, Schul- und Sozialreformer. Weidler Buchverlag, Berlin 2001, ISBN 3-89693-197-0, S. 31–32.
  5. Potsdam - Geschichte; Ehrenbürger Wilhelm von Türk
  6. Wolfgang Rocksch: Wilhelm von Türk (1774–1846). Ein führender deutscher Pestalozzianer, Schul- und Sozialreformer. 1. Auflage. Weidler Buchverlag, Berlin 2002, ISBN 978-3-89693-197-9, S. 11.