Nephropathie vom Typ der dünnen Basalmembran

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Klassifikation nach ICD-10
N12 Basalmembrannephritis
N02.9 Syndrom der dünnen Basalmembran
{{{03-BEZEICHNUNG}}}
{{{04-BEZEICHNUNG}}}
{{{05-BEZEICHNUNG}}}
{{{06-BEZEICHNUNG}}}
{{{07-BEZEICHNUNG}}}
{{{08-BEZEICHNUNG}}}
{{{09-BEZEICHNUNG}}}
{{{10-BEZEICHNUNG}}}
{{{11-BEZEICHNUNG}}}
{{{12-BEZEICHNUNG}}}
{{{13-BEZEICHNUNG}}}
{{{14-BEZEICHNUNG}}}
{{{15-BEZEICHNUNG}}}
{{{16-BEZEICHNUNG}}}
{{{17-BEZEICHNUNG}}}
{{{18-BEZEICHNUNG}}}
{{{19-BEZEICHNUNG}}}
{{{20-BEZEICHNUNG}}}
Vorlage:Infobox ICD/Wartung {{{21BEZEICHNUNG}}}
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Nephropathie vom Typ der dünnen Basalmembran[1][2] ist die häufigste Ursache von roten Blutkörperchen im Urin (Hämaturie) sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Etwa 1 % der Bevölkerung ist betroffen.[3] Meist findet sich im Urin zusätzlich eine leicht erhöhte Eiweißausscheidung (Proteinurie). Die glomeruläre filtrative Nierenfunktion ist in der Regel normal.[4]

Diese Krankheit heißt auch benigne Hämaturie oder englisch benign familial hematuria (BFH). Andere Synonyme sind zum Beispiel Syndrom der dünnen Basalmembranen beziehungsweise Syndrom der dünnen Basalmembran[5] oder englisch thin basement membrane disease beziehungsweise thin glomerular basement membranes.

Manchmal spricht man auch von der sogenannten benignen rekurrierenden Hämaturie,[6] von einer benignen familiären Hämaturie,[7] von der Nephropathie mit Verschmälerung der glomerulären Basalmembran, von der dünnen Basalmembran-Nephropathie[8] (thin basement membrane nephropathy[9]),[10] von der Nephropathie mit dünner Basalmembran,[11] vom familiären Syndrom der dünnen glomerulären Basalmembranen[12] oder auch von der Nephropathie der verschmälerten Basalmembran.[13] Im Merck Manual finden sich die Bezeichnungen Erkrankung mit dünner Basalmembran und Dünne-Basalmembran-Erkrankung.[14] Oliver Groß nennt folgende vier „Synonyme: Typ-IV-Kollagen-Erkrankung, familiäre benigne Hämaturie, familiäre Hämaturie und Syndrom der dünnen Basalmembran.“[15]

Die dünne Basalmembrankrankheit hat in der Datenbank Online Mendelian Inheritance in Man die Nummern OMIM: 141200 und OMIM: 120131.[16][17] Das Swiss Medical Forum spricht vom Krankheitsbild der dünnen Basalmembran.[18]

Das Zentrum für Humangenetik des Universitätsklinikum Tübingen verwendet in seiner Panelübersicht den Begriff im Plural: „Alport Syndrom und Nephropathien vom Typ der dünnen Basalmembran: COL4A3, COL4A4, COL4A5, FN1, CD151, MYH9 (6 Gene).“ Ein anderes Labor untersucht im Subpanel Alport Syndrom und Nephropathien vom Typ der dünnen Basalmembran die sieben Gene COL4A3, COL4A4, COL4A5, FN1, CD151, MYH9 und PXDN.

International üblich sind die Abkürzungen TBMD, TBMN, TMN und BFH. Auf Französisch heißt die Krankheit néphropathie à membrane basale fine.

Seit 2016 soll bei heterozygoten Patienten die Diagnose „Alport-Syndrom“ gestellt werden (siehe unten).

Pathophysiologie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum Beispiel durch einen Riss in der dünnen Basalmembran kommt es zum Übertritt von Blut in den Urin.[19] Eine dadurch verursachte Anämie wird jedoch nicht beschrieben.

Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung von Nierengewebe fällt in den Nierenkörperchen eine Verdünnung der Basalmembran auf, einem wichtigen Bestandteil der Blut-Harn-Schranke. Bei gesunden Erwachsenen ist die Basalmembran etwa 300 bis 400 nm dick, bei Betroffenen nur 150 bis 225 nm.[20] Bei einer Sklerodermie kommt es dagegen zu einer Verdickung der Basalmembranen.[21]

Die Erkrankung tritt familiär gehäuft auf. In Biopsiestudien wird sie in 5 bis 9 Prozent gefunden. In circa 40 % der Fälle findet man Mutationen in den gleichen Genen, die auch beim autosomal rezessiven Alport-Syndrom verändert sind. Einige Fälle der Nephropathie vom Typ der dünnen Basalmembran sind möglicherweise heterozygote Überträger des Alport-Syndroms.[22]

Der Verlauf ist in meist gutartig,[23] in der Regel kommt es nicht zu einem Verlust der Nierenfunktion.

Differentialdiagnosen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wurden andere Blutungsquellen der ableitenden Harnwege, insbesondere Tumoren und Harnsteine, durch eine urologische Untersuchung ausgeschlossen, ist eine invasive Diagnostik mittels Nierenpunktion nur bei untypischen Verläufen mit hoher Eiweißkonzentration im Urin oder bei einer Nierenfunktionseinschränkung erforderlich. Differentialdiagnostisch kommen in diesen Fällen in erster Linie eine IgA-Nephritis oder ein Alport-Syndrom in Frage.[24]

Eine Behandlung der Nephropathie vom Typ der dünnen Basalmembran ist nicht notwendig. Es existiert auch keine spezifische Therapie.[25]

Im Rahmen der frühen Forschungen zum Alport-Syndrom finden sich auch Hinweise auf Fälle einer benignen familiären Hämaturie. So beschrieb Leonard Guthrie 1902[26][27] eine idiopathische kongenitale familiäre Hämaturie. Kendall und Hertz[28] forschten 1912 zur hereditären familiären kongenitalen hämorrhagischen Nephritis.[29]

Aktuelle Nomenklatur seit 2016

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heute wandelt sich der Begriff. „Das Alport-Syndrom führt X-chromosomal hemizygot oder autosomal homozygot immer zum terminalen Nierenversagen. Früher noch als Syndrom der dünnen Basalmembran oder familiäre benigne Hämaturie bezeichnet, haben heterozygote Anlageträger für Alport Mutationen (über 1 % der Gesamtbevölkerung) häufig keinen benignen Verlauf. Deshalb fassen wir mittlerweile auch heterozygote Patienten auch unter der Diagnose „Alport-Syndrom“ zusammen.“[30][31][32]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Oliver Groß, Julia Hoefele: Genetische Ursachen und Therapie beim Alport-Syndrom. In: Medizinische Genetk, Verlag Walter de Gruyter, Jahrgang 30, Nummer 4, 2019, S. 429–437. [1].
  2. Oliver Groß, Julia Hoefele: Genetische Ursachen und Therapie beim Alport-Syndrom. In: medgen 30, S. 429–437 (2018). Springer-Verlag, Springer Link. [2].
  3. Martin Kimmel, Ulrich Kuhlmann: Glomerulonephritis. In: Ulrich Kuhlmann, Joachim Böhler, Friedrich C. Luft, Mark Dominik Alscher, Ulrich Kunzendorf (Hrsg.): Nephrologie. 6. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart / New York 2015, ISBN 978-3-13-700206-2, S. 87 f.
  4. Suzanne M. Norby, Fernando G. Cosio: Thin basement membrane nephropathy associated with other glomerular diseases. In: Seminars in Nephrology, Jahrgang 25, Nummer 3, S. 176–179, Mai 2005. pmid:15880329, doi:10.1016/j.semnephrol.2005.01.010.
  5. Gerd Harald Herold: Innere Medizin 2022. Selbstverlag, Köln 2021, ISBN 978-3-9821166-1-7, S. 607. Identisch auch in Innere Medizin 2023, Selbstverlag, Köln 2022, ISBN 978-3-9821166-2-4, auf derselben Seite.
  6. Hermann-Josef Gröne: Biopsie-Atlas, in: Karl-Martin Koch: Klinische Nephrologie. Urban & Fischer, München / Jena 2000, 1. Auflage, ISBN 3-437-21730-5, S. 138 f.
  7. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 269. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2023, ISBN 978-3-11-078334-6, S. 670.
  8. F. Dürr, Hellmut Nieth: Endemische und hereditäre Nephropathien. In: Hans Hornbostel, Werner Kaufmann, Walter Siegenthaler (Hrsg.): Innere Medizin in Praxis und Klinik. 2. Band, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart / New York 1992, ISBN 3-13-491204-X, S. 5.86.
  9. Clifford E. Kashtan: Alport's and Other Familial Glomerular Syndromes. In: John Feehally, Jürgen Floege, Richard J. Johnson: Comprehensive Clinical Nephrology. 3. Auflage, Mosby Elsevier Verlag, Philadelphia 2007, ISBN 978-0-323-04602-2, Kapitel 45, S. 535–548, Absatz Thin Basement Membrane Nephropathy: Familial and Sporadic, S. 542 f.
  10. Karl Schärer: Hereditäre Glomerulopathien. In: Karl Schärer, Otto Mehls (Hrsg.): Pädiatrische Nephrologie. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2002, ISBN 3-540-41912-8, S. 115.
  11. Helmut Geiger: Chronische Niereninsuffizienz. In: Helmut Geiger, Dietger Jonas, Tomas Lenz, Wolfgang Kramer (Hrsg.): Nierenerkrankungen. Schattauer Verlag, Stuttgart / New York 2003, ISBN 3-7945-2177-3, S. 69–71.
  12. Manfred Weber, Kai-Olaf Netzer: Hereditäre glomeruläre Erkrankungen. In: Karl-Martin Koch: Klinische Nephrologie. 1. Auflage, Verlag Urban & Fischer, München / Jena 2000, ISBN 3-437-21730-5, S. 464.
  13. J. Savige, K. Rana, S. Tonna, M. Buzza, H. Dagher, Y. Y. Wang: Thin basement membrane nephropathy. In: Kidney International, Band 64, Nummer 4, S. 1169–1178, Oktober 2003. pmid:12969134 doi-access=free.
  14. Merck Manual, 6. Auflage, Urban & Fischer Verlag, München / Jena 2000, ISBN 3-437-21750-X, ISBN 3-437-21760-7, S. 2315 f.
  15. Oliver Groß: Hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen: Alport-Syndrom und ‚Thin Basement Membrane Nephropathy‘. In: Mark Dominik Alscher: Referenz Nephrologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-13-240001-6, S. 341.
  16. Peter Altmeyer, S. Leah Schröder-Bergmann: Stichwort Nephropathie vom Typ der dünnen Basalmembran in Altmeyers Enzyklopädie.
  17. Ihr Facharztportal & Enzyklopädie - Altmeyers Enzyklopädie. Abgerufen am 15. August 2023.
  18. Friederike Henoch, Anita Stauffer, Markus von Gradowski: Stichwort «Das Alport-Syndrom und seine Verwandten». In: medicalforum.ch, doi:10.4414/smf.2021.08588.
  19. Collège Universitaire des Enseignants de Néphrologie: Néphrologie. 10. Auflage, Verlag Ellipses Édition Marketing, Paris 2022, ISBN 978-2-340-07531-3, S. 110.
  20. The Merck Manual. 20. Auflage. Kenilworth 2018, ISBN 978-0-911910-42-1, S. 2113.
  21. Wolfgang Piper: Innere Medizin. Springer Verlag, Springer-Lehrbuch, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-33725-6, S. 313.
  22. Emoke Endreffy, Zoltán Ondrik, Eva Kemény, Zoltán Vas, Zoltán Maróti, Gerda Lencse, Csaba Bereczki, Ibolya Haszon, Sándor Túri, Béla Iványi: Collagen type IV nephropathy: From thin basement membrane nephropathy to Alport syndrome. In: Orv Hetil vom 25. Dezember 2005, Band 146(52), S. 2647–2653. PMID 16468607.
  23. Tinsley Randolph Harrison: Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage, Georg Thieme Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-13-243524-7, S. 2676.
  24. Lutz T. Weber, Martin Pohl, Anja K. Büscher, Stefanie Weber, Magdalena Riedl, Christoph Licht, Kerstin Amann: Glomeruläre Erkrankungen. Kapitel Alport Syndrom und Syndrom der dünnen Basalmembranen von Anja K. Büscher und Stefanie Weber, in: Jörg Dötsch, Lutz T. Weber (Hrsg.): Nierenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-48788-4, S. 109–111.
  25. Gerd Harald Herold: Innere Medizin 2022. Selbstverlag, Köln 2021, ISBN 978-3-9821166-1-7, S. 607. Identisch auch in Innere Medizin 2023, Selbstverlag, Köln 2022, ISBN 978-3-9821166-2-4, auf derselben Seite.
  26. Leonard G. Guthrie: „Idiopathic“ or congenital hereditary and family haematuria. In: The Lancet, Band I, 1902, S. 1243.
  27. E. Césarman, H. Villarreal, P. Durán: Guthrie's syndrome. A family with hematuria. In: Archivos del Instituto de Cardiologia de México. September/Oktober 1967, 37. Jahrgang, Nummer 5/1967, S. 620–626. PMID 6063980.
  28. G. Kendall, A. G. Hertz: Hereditary familial congenital haemorrhagic nephritis. In: Guy's Hospital Report, 55. Jahrgang, 1912, S. 137.
  29. Hellmut Nieth: Hereditäre Nephropathien. In: Handbuch der inneren Medizin, 5. Auflage, 8. Band, 2. Teil, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1968, ISBN 3-540-04152-4, S. 909–922.
  30. Oliver Groß: Alport Syndrom: Neue Medikamente am Horizont und Leitlinien zur Diagnose und Therapie. Alport Selbsthilfegruppe, S. 1.
  31. B. Hudson, K. Tryggvason, M. Sundaramoorthy, E. G. Neilson: Alport's Syndrome, Goodpasture's Syndrome, and Type IV Collagen. In: The New England Journal of Medicine, Jahrgang 2003, Band 348, S. 2543–2556.
  32. Oliver Groß: Hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen: Alport-Syndrom und ‚Thin Basement Membrane Nephropathy‘. In: Mark Dominik Alscher: Referenz Nephrologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-13-240001-6, DOI:10.1055/b-0039-171076, S. 341–348.