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Meinrad Perrez

Emeritierter Professor für Klinische Psychologie

Meinrad Perrez (auch: Meinrad Paul Perrez) (* 24. März 1944 in Dagmersellen; heimatberechtigt in Dagmersellen) ist ein Schweizer Psychologe. Er ist emeritierter Professor für Klinische Psychologie an der Universität Fribourg und Forscher auf den Gebieten der Klinischen Psychologie, besonders der Stress- und Familienforschung.

Meinrad Perrez (2012)

Biografie

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Meinrad Perrez absolvierte die Matura in der Schweiz und studierte von 1964 bis 1971 Psychologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften in Paris (bis 1965), Innsbruck (bis 1968) und Salzburg. 1971 erwarb er in Salzburg den akademischen Grad eines Dr. phil. (Zum Problem des wissenschaftlichen Status der psychoanalytischen Theorie).

Von 1971 bis 1973 arbeitete er als Assistent am Psychologischen Institut der Universität Salzburg. 1973 nahm er einen Ruf als Professor für Psychologie (AH5) an die Freie Universität Berlin an. 1975 wechselte er auf eine Professur für Erziehungswissenschaften an der Universität Fribourg. Nach der Ablehnung eines Rufes 1981 auf den Lehrstuhl für Klinische Psychologe an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg nahm er im gleichen Jahr die Berufung auf ein Ordinariat für Klinische Psychologie an der Universität Fribourg an, wo er bis zu seiner Emeritierung im Herbst 2011 in leitender Funktion auf diesem Gebiet wirkte und dieses Fach in Fribourg aufbaute.

Meinrad Perrez ist verheiratet, aus der Ehe stammen zwei Kinder.

Wissenschaftliche Funktionen

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Seit 2001 war Perrez Mitglied, und von 2004 bis 2010 Präsident der Abteilung I (Geistes- und Sozialwissenschaften) des Schweizerischen Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF).

Perrez war Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (1996–1998) sowie Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie (1987–1989). Er ist Mitbegründer der European Society on Family Relations (ESFR) und war Mitherausgeber verschiedener internationaler Fachzeitschriften sowie Gastprofessor an zahlreichen Universitäten des In- und Auslandes.

1993 gehörte er zu den Begründern des interfakultären Instituts für Familienforschung und -beratung an der Universität Fribourg und war von 1993 bis 1999 sein erster Direktor. Auf seine Initiative geht auch die Gründung des Zentrums für Testentwicklung und Diagnostik wesentlich zurück, welches den Eignungstest für das Medizinstudium in der Schweiz durchführt und u. a. auf dem Gebiet der computerunterstützten Diagnostik durch die Entwicklung und Herausgabe des Hogrefe TestSystems langjährig aktiv war.

1982/83 war er Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Fribourg und fünf Amtsperioden als Direktor bzw. Präsident des Departements für Psychologie tätig.

Seit 2013 ist Meinrad Perrez Ehrenmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie (SGP).[1] sowie der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspsychologie (SGGPsy).[2]

Aus seinen Schülern ging eine stattliche Zahl von Professoren hervor, die an in- und ausländische Universitäten berufen worden sind. Als Wissenschaftler und in seinen Ämtern setzte er sich besonders für die Förderung der internationalen Kooperation von Wissenschaft über nationale und ideologische Grenzen hinweg ein. Hervorzuheben sind hier sein Engagement in Russland (u. a. als wissenschaftlicher Berater des Bechterew-Instituts St. Petersburg) und in China. Im folgenden Zitat kommt die Haltung fokussiert zum Ausdruck:

Die Universität ist seit ihrer Gründung im Mittelalter idealtypisch eine akademische Republik ohne geografische Grenzen. Ihre Grenzen sollten die Grenzen der Vernunft sein; und ihr Eintrittspass sind akademische Diplome und für die Lehrenden darüber hinaus wissenschaftliche wie didaktische Kompetenzen.[3]

Forschung und Lehre

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Frühe Bekanntheit erlangte er durch das 1972 auf der Grundlage der Dissertation publizierte Buch «Ist die Psychoanalyse eine Wissenschaft?» Anhand der paradigmatischen Falldarstellung «Der Wolfsmann» von Sigmund Freud prüfte er auf dem wissenschaftstheoretischen Hintergrund realwissenschaftlicher Forschung 1. ihren beschreibenden und/oder erklärenden Charakter, 2. wie weit die darin vorkommenden Hypothesen wissenschaftlichen Kriterien (Prüfbarkeit) entsprechen und 3. wie der Überprüfungsprozess der Hypothesen im gegebenen Beispiel vor sich geht. Der kritische Befund hat breite und kontroverse Aufmerksamkeit erfahren und die Debatte der Psychoanalyse als nomothetische realwissenschaftliche versus eine idiographisch-hermeneutische Disziplin angeregt.[4] Über eine einfache Kritik hinaus versucht, einen wissenschaftstheoretischen Beweis zu führen, dass die Psychoanalyse der 70er Jahre zwar die wissenschaftlichen Ziele der Beschreibung und Erklärung von psychischen Sachverhalten verfolgt, die Untersuchungslogik und Methodik zur Bewährung von Hypothesen aber den wissenschaftlichen Kriterien noch nicht ausreichend genügte.[5] Dem ging 1969 ein Artikel in der Zeitschrift PSYCHE (für Psychoanalyse und ihre Anwendungen) voraus, wo er die provokante Frage stellte: Bedarf die psychoanalytische Theorie eigener Kriterien der Wissenschaftlichkeit?[6] Wissenschaftstheoretische Fragestellungen hat er später auf die Psychotherapie bzw. andere psychotherapeutischen Methoden ausgeweitet, unter anderem, ob psychotherapeutische Methoden von wissenschaftlichen Grundlagentheorien ableitbar sind.

In den 70er Jahren war er gemeinsam mit Beate Minsel und Heinz Wimmer im deutschen Sprachraum ein Pionier des Eltern-Verhaltenstrainings. Die Theorie und praktische Übungen wurden in einem Buch veröffentlicht, welches insgesamt 4 Auflagen erfuhr und auch ins Französische übersetzt wurde.[7]

In Freiburg beschäftigte er sich damit weiter, auch auf der Basis der Neuen Medien gemeinsam mit Yves Hänggi, was als Freiburger Trainingsprogramm – Feinfühligkeitstraining Wie sagt mein Kind, was es braucht publiziert wurde. Es wird auch Video-Feedback eingesetzt, wo die auf Video aufgenommenen Eltern-Kind-Interaktionen mit den Eltern besprochen werden.[8][9]

Des Weiteren arbeiteten Perrez und sein Team seit den 80er Jahren vor allem auf dem Gebiet der psychologischen Stressforschung und dessen Messung (ambulantes Assessment mittels Personal Digital Assistant zur Beurteilung von Stresserleben in Alltagssituationen). Die Verwendung von Fragebögen für retrospektive Daten sollte durch eine zeitnahe Erfassung des Erlebens und Verhaltens in der natürlichen Umgebung ergänzt werden. Zur Erfassung des Alltagsstresses entwickelten Perrez und Michael Reicherts das erste Computer-unterstützte Erfassungssystem COMES.[10] Ergänzend entwickelten Reicherts und Perrez einen Fragebogen zum prozessbezogenen Umgang mit Belastungen (UBV), der den Verlauf der Belastungsbewältigung erfasst, indem typische Belastungssituationen in drei Stadien vorgegeben werden, die hinsichtlich verschiedener Dimensionen eingeschätzt werden. Mit seiner Equipe entwickelte er später das Computer-unterstützte Verfahren zur Erfassung von interaktionsrelevanten psychologischen Merkmalen des Verhaltens und Erlebens in Familien mit Adoleszenten. Der Familienstress und die Emotionsregulation in der Familie und bei Paaren wurden u. a. im Rahmen des europäischen Projekts FamWork mit Hilfe des computer-unterstützten Assessments in der natürlichen Umgebung erfasst und auch kulturvergleichend analysiert.[11][12]

Gemeinsam mit Urs Baumann aus Salzburg ist er Herausgeber und Verfasser einzelner Artikel des Lehrbuchs "Klinische Psychologie und Psychotherapie", welches – jeweils aktualisiert – nunmehr 20 Jahre Bestand hat und 2011 in 4. Auflage erschien. Es stellt nicht nur die Syndrome dar, sondern ist nach verschiedene Ebenen der Komplexität der Störungen organisiert: Intrapersonell gestörte psychische Funktionen, wie z. B. Wahrnehmung oder Gedächtnis, Funktionsmuster (Syndrome) wie z. B. Depressive Störungen oder Posttraumatische Belastungsstörungen, und Interpersonelle Störungen wie z. B. in der Partnerschaft oder Familien. Bei der Ätiologie werden neben den psychologischen Faktoren auch genetische und biologische vermittelt. Es wurde in mehrere andere Sprachen übersetzt und ist Grundlage der Ausbildung an zahlreichen Universitäten. Es verbindet die störungsübergreifende Sichtweise mit der störungsbezogenen Perspektive. Die Klinische Psychologie wird zudem konsequent mit den psychologischen Grundlagen und den fachlichen Nachbargebieten vernetzt.[13]

Literatur (Auswahl)

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  • M. Perrez: Bedarf die psychoanalytische Theorie eigener Kriterien der Wissenschaftlichkeit? In: PSYCHE. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen. 11, 1969, S. 842–849.
  • M. Perrez: Ist die Psychoanalyse eine Wissenschaft. Hans Huber, Bern 1972. (1979 überarb. u. erweiterte 2. Auflage; Italienische Übersetzung: La Psicoanalisi: Una scienza? Collana di Studi Freudiani. Editrice Città Nuova, Rom 1977)
  • M. Perrez, B. Minsel, H. Wimmer: Elternverhaltenstraining – Theoretische Einführung und praktische Übungen. Otto Müller, 1974; 2. Auflage 1975; 3. Auflage 1977. Was Eltern wissen sollten. Überarb. u. erweiterte Auflage. Salzburg 1985; Franz. Übersetzung: Ce que les parents devraient savoir. Editions Labor, Bruxelles 1990
  • H. Lukesch, M. Perrez, K. A. Schneewind (Hrsg.): Familiäre Sozialisation und Intervention. Huber, Bern 1980, ISBN 3-456-80857-7.
  • M. Perrez, M. Reicherts: Stress, Coping and Health. A Situation-Behavior Approach. Theory, Methods, Applications. Hogrefe & Huber Publishers, Toronto 1992. Mit einem Vorwort von Richard S. Lazarus.[14]
  • G. Bodenmann, M. Perrez, J. M. Gottman: Die Bedeutung des intrapsychischen Copings für die dyadische Interaktion unter Stress. In: Zeitschrift für Klinische Psychologie. 25, 1, 1996, S. 1–13.
  • G. Yue, M. Perrez, X. Han: Psychology at Chinese universities and in Chinese society – With special reference to clinical psychology. In: Swiss Journal of Psychology. 57, 3, 1998, S. 178–187.
  • M. Perrez, D. Schöbi, P. Wilhelm: How to Assess Social Regulation of Stress and Emotions in Daily Family Life? A Computer-assisted Family Self-monitoring System (FASEM-C). In: Clinical Psychology and Psychotherapy. 7, 2000, S. 326–339.
  • K.-D. Hänsgen, M. Perrez: Computerunterstützte Diagnostik in Familie und Erziehung: Ansätze und Perspektiven. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht. 48, 3, 2001, S. 161–178.
  • Wilhelm, P. & Perrez, M. (2004). How is my partner feeling in different daily-life settings? Accuracy of spouses’ judgements about their partner’s feelings at work and at home. In: Social Indicators Research 67, 1–2, S. 183–246.
  • D. Schoebi, Z. Wang, V. Ababkov, M. Perrez: Affective interdependence in married couples’ daily lives: are there cultural differences in partner effects of anger? In: Family Science. 1(2), 2010, S. 83–92.
  • M. Perrez, U. Baumann (Hrsg.): Lehrbuch Klinische Psychologie - Psychotherapie. 4., vollst. überarb. Auflage. Hans Huber, Bern 2011.
  • A. Debrot, W. L. Cook, M. Perrez, A. B. Horn: Deeds matter: Daily enacted responsiveness and intimacy in couples' daily lives. In: Journal of Family Psychology. 26, 2012, S. 617–627. doi:10.1037/a0028666.
  • P. Wilhelm, K. Pawlik, M. Perrez: Conducting research in daily life: A Historical Review. In: M. R. Mehl, T. S. Conner (Hrsg.): Handbook of research methods for studying daily life. Guilford Press, New York, NY 2012.
  • Perrez, M. & Schoebi, D. (2015). Das Ambulante Assessment (AA) in der Einzelfallanalyse. In: M. Reicherts & P. A. Genoud (Hrsg.): Einzelfallanalysen in der psychosozialen Forschung und Praxis (S. 85–111). Weitramsdorf: ZKS-Verlag. Online
  • Krampen, G. & Perrez M. (2015). Publikationsschwerpunkte der Klinischen Psychologie und Psychotherapieforschung im deutsch versus angloamerikanischen Bereich. Eine szientometrische Bestandsaufnahme für 1980–2014. In: Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 44 (3), S. 181–196.
Bearbeiten

Einzelnachweise

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  1. Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie. SGP, 1, 2014, S. 8.
  2. Newsletter 2014-1 der SGGPsy (Memento vom 14. Februar 2015 im Internet Archive)
  3. Neue Zürcher Zeitung. 28. Januar 2010, S. 22, Rubrik Leserbriefe
  4. M. Perrez: Ist die Psychoanalyse eine Wissenschaft. 2. Auflage. 1979, ISBN 3-456-80760-0.
  5. Paul Gragl: Ist Freuds Theorie empirisch überprüfbar? Studienarbeit. Karl-Franzens-Universität, Graz 2006.
  6. M. Perrez: Bedarf die psychoanalytische Theorie eigener Kriterien der Wissenschaftlichkeit? In: PSYCHE. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen. 11, 1969, S. 842–849.
  7. M. Perrez, B. Minsel, H. Wimmer: Elternverhaltenstraining – Theoretische Einführung und praktische Übungen. Otto Müller, 1974; 2. Auflage 1975; 3. Auflage 1977. Was Eltern wissen sollten. Überarb. u. erweiterte Auflage. Salzburg 1985; Franz. Übersetzung: Ce que les parents devraient savoir. Editions Labor, Bruxelles 1990
  8. Primäre Prävention mit neuen Medien - Angebote für Eltern Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2005 52 S. 153–167
  9. Yves Hänggi, Kirsten Schweinberger, Meinrad Perrez: Feinfühligkeitstraining für Eltern: Kursmanual zum Freiburger Trainingsprogramm 'Wie sagt mein Kind, was es braucht?' Taschenbuch. Verlag Hans Huber 2011
  10. Michael Reicherts, Meinrad Perrez, Robert Matathia: UBV-COMES: Umgang mit belastenden Situationen im Verlauf ; computergestütztes Erfassungs-System ; Manual ; [Forschungsprojekt Analyse von Belastungs-Bewältigungs-Prozessen im Fragebogen, Labor und Feld]. Psycholog. Inst. d. Univ. Freiburg/Schweiz, 1986 (google.ch [abgerufen am 15. Oktober 2024]).
  11. FamWork: Family life and Professional Work: Conflict and Synergy
  12. Michael Reicherts, Meinrad Perrez: Fragebogen zum Umgang mit Belastungen im Verlauf. Zeitschrift für klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie 42 1994 S. 230–240
  13. Lehrbuch Klinische Psychologie - Psychotherapie (German…). Abgerufen am 2. September 2024 (englisch).
  14. Meinrad Perrez, Michael Reicherts: Stress, Coping and Health. In: Part 1. Abgerufen am 2. September 2024 (englisch).