Ein unbestimmter Ausdruck ist in der Mathematik ein Term, dessen Auftreten bei der Untersuchung von Grenzwerten eine besondere Rolle spielt. Der Begriff ist zu unterscheiden vom undefinierten Ausdruck.
Üblicherweise wird der Begriff „unbestimmter Ausdruck“[1] für einen der folgenden Ausdrücke verwendet:[2]
Kurz vor einem solchen Anschrieb enthält ein derartiger Ausdruck zwei Operanden, die durch Operationen wie Division, Multiplikation, Subtraktion oder Potenzierung miteinander verbunden sind, und jeder Operand konvergiert im Verlauf einer Rechnung gegen eine erweiterte reelle Zahl der Art
. Eine etwas ausführlichere Schreibweise mit
und
als den 2 (in den gezeigten 7 Fällen: reellen) Operanden wäre also:
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für
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für
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für
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für
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für
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für
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für
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In dieser Formulierung konvergiert keiner der 7 Limites. D. h., Grenzwertaussagen über den Ausdruck ergeben sich nicht allein aus den Grenzwerten der Operanden
und
, und selbst im Fall einer Konvergenz sind verschiedene endliche Grenzwerte möglich.
Im Komplexen entspricht den erweiterten reellen Zahlen die Riemannsche Zahlenkugel
mit
als dem unendlich fernen Punkt. Zieht man also auch komplexe Zahlen in Betracht, dann kommen im reell-komplexen Kontext folgende 6 Ausdrücke hinzu:[2]
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für
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für
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für
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für
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für
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für
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„Unbestimmter Ausdruck“ bedeutet nicht dasselbe wie
- undefinierter Ausdruck
- Zahlreiche weitere Ausdrücke sind – auch im Bereich der affin erweiterten reellen Zahlen – nicht definiert, etwa
oder
. Sehr beliebt ist die pragmatische Setzung
, die in vielen Anwendungsfällen als Ergebnis angesehen werden kann.
- Unstetigkeitsstelle bzw. nicht hebbare Definitionslücke der Rechenoperation
- Sonst müsste auch
zu den unbestimmten Ausdrücken gezählt werden.
Keine unbestimmten Ausdrücke sind (unabhängig von Existenz oder Endlichkeit) Grenzwerte von konkreten Funktionen, wie
oder
.
Zwar ergibt sich durch naives Einsetzen hier der unbestimmte Ausdruck
bzw.
.
Durch genauere Untersuchung mit geeigneten Methoden wie der Regel von de L’Hospital kann der Grenzwert bestimmt werden.
Es gilt
sowie
und nicht etwa
bzw.
.
Sind
und
zwei Folgen reeller Zahlen, so kann man die Folgen
,
,
und – sofern
–
definieren; soweit beispielsweise
gilt, auch
.
Falls die Ausgangsfolgen in den affin erweiterten reellen Zahlen konvergieren, etwa
und
, so gilt für die verknüpften Folgen auch meist
, wobei
eine der Grundrechenarten oder das Potenzieren bezeichnet.
Wenn jedoch
einer der oben aufgeführten unbestimmten Ausdrücke ist, ist das Grenzverhalten von
unbestimmt.
Tatsächlich kann eine (weitenteils) beliebige Folge
vorgegeben werden und dann
mit
,
,
konstruiert werden, wie die folgende Auflistung zeigt.
- 0 : 0
- Setze
und
. Dann
und
,
wegen
bzw.
.
- 0 · ∞
- Setze
und
. Dann
und
,
wegen
bzw.
.
- ∞ − ∞
- Setze
und
. Dann
und es gilt
wegen
,
wegen
, falls
, und
, falls
.
- ∞ : ∞
- Es sei
vorausgesetzt. Setze
und
. Dann
,
, also
,
und natürlich
.
- 00, ∞0, 1∞
- Es sei
vorausgesetzt. Setze
und bestimme wie oben Folgen
,
mit
,
und
.
- Mit
und
erledigt man den Fall 00,
- mit
und
den Fall ∞0,
- mit
und
den Fall 1∞.
Seien
und
reelle Funktionen und sei
eine reelle Zahl oder einer der beiden symbolischen Werte
oder
. Es sei vorausgesetzt, dass die Grenzwerte
und
entweder existieren oder dass bestimmte Divergenz vorliegt, was symbolisch als Grenzwert
bzw.
ausgedrückt sei.
In den meisten Fällen gilt, dass dann auch folgende Grenzwerte mit den angegebenen Werten existieren (bzw. bestimmte Divergenz vorliegt, wenn sich rechts
ergibt):
Hierbei seien die Rechenregeln
für
für
für
für
für
für
für
für
sowie entsprechende Vorzeichenvarianten vereinbart.
Die Existenz des Grenzwertes links, geschweige denn sein Wert, ergibt sich jedoch nicht auf diese einfache Weise aus den Grenzwerten der Operanden, wenn rechts einer der oben angegebenen unbestimmten Ausdrücke sich ergäbe. Im Folgenden werden Beispielfunktionen
mit entsprechenden Grenzwerten
aufgeführt, für die sich verschiedenste Grenzwerte
bzw. Divergenz ergibt:
- 0 : 0
mit
,
mit
,
- ∞ : ∞
mit
,
mit
,
- 0 · ∞
mit
,
mit
,
- ∞ - ∞
mit
,
mit
,
- 1 ∞
mit
,
, sofern
mit
,
- 0 0
mit
,
, sofern
- ∞ 0
mit
,
, sofern
mit
,
, sofern
Durch mathematische Umformungen lassen sich die verschiedenen Typen unbestimmter Ausdrücke auf den Typ 1 zurückführen. Bei einem unbestimmten Ausdrucks vom Typ 2 entsteht zum Beispiel durch die Umformung
ein Ausdruck des Typs 1.
Ausdrücke des Typs 5 bis 7 können durch Logarithmierung auf den Typ 1 zurückgeführt werden.
Der Ausdruck
lässt grundsätzlich ebenfalls keine vollständige Aussage über das Grenzverhalten zu, jedoch kann sich hierbei zumindest anders als bei den oben aufgezählten Fällen gewiss kein endlicher Grenzwert ergeben, sondern allenfalls bestimmte Divergenz nach
oder
. Als Beispiel betrachte man
mit
für
sowie wahlweise
: bestimmte Divergenz nach
,
: bestimmte Divergenz nach
,
: links- und rechtsseitig verschiedene bestimmte Divergenz, insgesamt also unbestimmte Divergenz,
: selbst einseitig liegt unbestimmte Divergenz vor.
Eine Sonderrolle kommt dem Ausdruck
zu, der in sehr vielen wichtigen Fällen als
anzusetzen ist. Hierzu beachte man, dass das Potenzieren, also die Berechnung des Ausdrucks
, zunächst überhaupt nur definiert wird als wiederholtes Multiplizieren, wobei folglich
eine nichtnegative ganze Zahl sein muss. Dann ist
das leere Produkt, das im Induktionsanfang – unabhängig von
– als 1 definiert wird: Es soll
gelten, was zumindest für
zwingend
ergibt. Das leere Produkt hat keine Faktoren, und insofern ist es gleichgültig, welchen Wert der gar nicht auftretende Faktor
hat, sodass sich auch
ergibt. Die Setzung
ist auch aus anderen Gründen sinnvoll. Beispielsweise gibt es, wenn
beide nichtnegative ganze Zahlen sind, stets genau
Abbildungen von einer
-elementigen Menge in eine
-elementige Menge. Mit der Setzung
(oder nach der Grenzwertbetrachtung
für festes
und variables
) gilt dies auch im Fall
.
Die so als Abbildung von
nach
definierte Operation des Potenzierens lässt sich im Reellen per
auch auf den Fall
,
fortsetzen sowie für nichtnegatives
durch Wurzelziehen zunächst auf nichtnegative rationale Exponenten und dann per Grenzwertbetrachtung auch auf
. Letzteres ist per Definition stetig in
, jedoch ist das Potenzieren als Abbildung von
nach
insgesamt nicht stetig an der Stelle
: Beispielsweise gilt
, aber
.
Aus dieser Unstetigkeit ergibt sich die oben genannte Unbestimmtheit im Zusammenhang mit Grenzwerten.