Stimmenthaltung

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Die Stimmenthaltung ist – wo zulässig – eine Form der Ausübung des Stimmrechts und bedeutet, dass eine Person weder für noch gegen einen Antrag stimmt in der Absicht, weder positiv noch negativ auf das Zustandekommen eines Beschlusses einzuwirken.

Bei einer Stimmenthaltung beteiligt sich ein stimmberechtigtes Mitglied zwar an einer Wahl oder Abstimmung, gibt jedoch keine Stimme ab, die sich einer der angebotenen Alternativen zuordnen lässt. Voraussetzung für die Stimmenthaltung einer Person ist das Wahl- oder Stimmrecht.

Eine Stimmenthaltung kann Neutralität, informelle Unterstützung oder auch Ablehnung aller wählbaren Alternativen bzw. Protest gegen etwas nicht zur Wahl stehendes ausdrücken.

Allgemeines

Stimmenthaltungen werden bei Wahlen oder politischen Abstimmungen in Deutschland sehr unterschiedlich erfasst. Bei Abstimmungen über Gesetzesvorlagen im Deutschen Bundestag oder der Wahl des Bundestagspräsidenten werden neben den Ja- und Nein-Stimmen auch die abgegebenen Enthaltungen gezählt. Bei Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen hingegen gibt es nur die Möglichkeit der Zustimmung zu einer Partei, und neben den gültigen werden auch die ungültigen Stimmabgaben gezählt. Die Stimmenthaltungen lassen sich nur sehr grob über die Höhe der Wahlbeteiligung bzw. der Nicht-Wahlbeteiligung schätzen.[1]

Im österreichischen Nationalrat sind Stimmenthaltungen gemäß § 68 Abs. 2 GOG-NR verboten. Da im Nationalrat bei offenen Abstimmungen nur die Zustimmung durch ein Zeichen, in der Regel durch Aufstehen, abgefragt wird, gilt Nichtaufstehen als Verweigerung der Zustimmung. Eine Gegenprobe wie im deutschen Bundestag gibt es nicht. Auch bei namentlichen Abstimmungen haben Abgeordnete daher nur die Möglichkeit, mit Ja oder Nein zu stimmen, die einzige Möglichkeit einer de-facto-Enthaltung wäre der Abstimmung fernzubleiben.

Bei Wahlen und Bürgerbegehren

Bei Wahlen zur Zusammensetzung von Gremien haben wahlberechtigte Bürger in Deutschland bisher nur zwei Möglichkeiten zur Stimmenthaltung:

  • als Nichtwähler der Wahl fern zu bleiben oder
  • als Wahlteilnehmer einen leeren oder ungültig gemachten Stimmzettel abzugeben (Beide Varianten werden als ungültige Stimmen bezeichnet.)

In Frankreich ist es dagegen den Wählern nunmehr möglich, durch Abgabe eines leeren Stimmzettels mit Stimmenthaltung an einer Wahl teilzunehmen.[2]

Werden bei Wahlen nur relative Mehrheiten verlangt, so kommt auch in den Fällen einer Mehrheit von nicht oder ungültig abgegebenen Stimmen ein gültiges Ergebnis zustande. Um mögliche Extreme zu vermeiden, wird z.B. bei Bürgerbegehren eine Mindeststimmenanzahl gefordert.

Bei Abstimmungen

Bei Abstimmungen in Gremien wie z. B. Parlamenten, Aufsichtsräten oder Conventen zählt eine Stimmenthaltung

  • bei Verlangen einer absoluten Mehrheit de facto als Gegenstimme zu sämtlichen Alternativen (also auch der „Nein“-Stimmen). Hierbei muss ein bestimmter Anteil aller abstimmenden oder sämtlicher (auch abwesender) Mitglieder des Gremiums für eine Alternative stimmen. Mit einer Stimmenthaltung entscheidet sich das Gremiumsmitglied für keine der wählbaren Alternativen und somit für den Verbleib beim Status Quo. Beispiel: Bei der Wahl eines deutschen Bundestagspräsidenten wirkt eine Stimmenthaltung wie eine Gegenstimme, da mindestens die Hälfte aller Bundestagsabgeordneten für einen Kandidaten stimmen muss.[3] Ein neutrales Verhalten durch Stimmenthaltung ist im Bundesrat (Deutschland) im Grunde genommen nicht möglich. Beschlüsse können nämlich im Bundesrat nach Artikel 52 Abs. 3 Grundgesetz nur mit absoluter Mehrheit, bei Verfassungsänderungen sogar nur mit Zweidrittelmehrheit der Gesamtstimmenzahl gefasst werden. Stimmenthaltung wirkt sich deshalb wie ein Nein aus, und dessen inhaltliche Bedeutung hängt von der jeweiligen Fassung der Abstimmungsfrage ab.
  • bei Verlangen einer relativen Mehrheit nicht als wahlbeeinflussende Stimme, sofern die Stimmenthaltung nicht als wählbare Alternative zu vorgesehenen Konsequenzen führt (z. B. erneute Abstimmung). Enthaltungs-Stimmen fließen bei diesem Auswertungsmodus meist nicht in das Ergebnis mit ein, wobei durchaus ein bestimmter Anteil der gezählten Stimmen verlangt werden kann. So wird beim Auswertungsmodus Einfache Mehrheit im Deutschen Bundestag verlangt, dass für eine Entscheidung eine Mehrheit der Stimmen zu Stande kommen muss, hierbei werden jedoch nur „Ja“- oder „Nein“-Stimmen gezählt. Somit ist es in diesem Parlament möglich, dass die Unterstützung einer Alternative durch sehr wenige Parlamentarier zu dessen Umsetzung führt.[4]

Literatur

  • Wolfgang Ernst: Kleine Abstimmungsfibel. Leitfaden für die Versammlung, Buchverlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich (2011), ISBN 978-3-03823-717-4.
  • Carmen Thiele: Regeln und Verfahren der Entscheidungsfindung innerhalb von Staaten und Staatenverbindungen, Springer Verlag, Berlin Heidelberg (2008), ISBN 978-3-540-78994-9, Kapitel Abstimmungsverhalten, S. 417–479.

Einzelnachweise

  1. Bettina Blank: Erwägungsorientierung, Entscheidung und Didaktik, 2002, S. 105.
  2. Gesetz zur Stimmenthaltung
  3. Webseite des Deutschen Bundestages: Absolute Mehrheit, abgerufen am 3. Juni 2010.
  4. Webseite des Deutschen Bundestages: Einfache Mehrheit, abgerufen am 3. Juni 2010.