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ArchivDeutsches Ärzteblatt13/2024Gesetzgebung: Minister der Herzen

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Gesetzgebung: Minister der Herzen

Schmedt, Michael

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Michael Schmedt, Chefredakteur
Michael Schmedt, Chefredakteur

Dass man seiner Linie treu bleibt, gilt landläufig als positives Merkmal. Bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht dies in der Regel anders aus. Seine Linie des „einsamen Vorgehens“ verärgert ein ums andere Mal sein gesundheitspolitisches Umfeld.

So überraschte Lauterbach vergangene Woche fast alle Beteiligten damit, keinen eigenen Gesetzentwurf zum Rettungsdienst vorlegen zu wollen. Die entsprechenden Regelungen sollen im parlamentarischen Verfahren als Rechtsverordnungen in die Notfallreform kommen.

Dies macht es für den Minister auf den ersten Blick einfacher, weil er keinen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung geben muss. Denn in der Vergangenheit hatte das Bundesfinanzministerium bei dieser Abstimmung immer wieder blockiert. Da beim Thema Rettungsdienst allerdings auch die Innenminister der Länder mitreden müssen und wollen, sind neue Diskussionen programmiert. Selbst wenn der Bundestag ein solches Gesetz beschließt, wird es spannend werden, wie der Bundesrat sich positioniert.

Beim Transparenzgesetz hat man gesehen, wie Bund und Länder gestritten haben und erst der Vermittlungsausschuss eine Entscheidung herbeiführte. Die Notfallreform, die unabdingbarer Teil einer neuen Krankenhausstruktur ist, könnte sich somit trotz Lauterbachs Winkelzug wie viele andere seiner Vorhaben in die Länge ziehen.

Dass Lauterbach nicht nur gerne Alleingänge macht, sondern auch ein sehr konkretes Bild von dem Gesundheitssystem vor Augen hat, das er genau nach seinen Vorstellungen bauen will, machte ebenfalls vergangene Woche das Gesundes-Herz-Gesetz deutlich (Seite 870). In diesem will er festlegen, wer und ab welchem Alter jemand präventiv Statine bekommt und für wen und ab wann ein Anspruch auf ein Kardio-Screening besteht. Krankenkassen werden demnach künftig verpflichtet, ihre Versicherten im Alter von 25, 35 und 50 Jahren zu einer Untersuchung ihres Herzinfarktrisikos einzuladen. Die dafür notwendigen Fragebögen sollen auch aus dem Ministerium kommen.

Dass all dies eigentlich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bewertet und in Leitlinien festgelegt wird, ist ein klarer Affront gegenüber dem G-BA. So heißt es im Gesetzentwurf: „Der Anspruch [auf Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Anm. d. Red.“] besteht unabhängig davon, ob sich der Gemeinsame Bundesausschuss bereits mit diesen erweiterten Leistungen befasst hat.“

Auch die im Gesetz genannte Stärkung der Verordnungsfähigkeit von Statinen, die dem Gesetz zufolge geschätzt mehr als zwei Millionen Menschen zusätzlich betrifft, lässt einen zumindest mit einem unguten Gefühl zurück. Statine sind ohne Frage sehr wirksame Arzneimittel, aber die Fokussierung auf die medikamentöse Prävention ist gefährlich und könnte die eigentliche Prävention zu sehr ins Hintertreffen geraten lassen.

Dass zudem jetzt die Fachebene eines Ministeriums festlegen soll, wann medikamentös interveniert wird, ist eine neue Qualität der Missachtung der Selbstverwaltung – und auch eine Frage der Evidenz. Angesichts dessen, wie Lauterbach die Selbstverwaltung Stück für Stück aushöhlt, werden die Befürchtungen vor einem staatlichen Gesundheitssystem immer realer.

Lauterbach spielt dabei geschickt die Klaviatur der Medien. Bereits im April stellte er erste Eckpunkte des Herzgesetzes in der BILD am Sonntag vor, um kurz danach den ersten Herzgipfel der Boulevard-Zeitung für seine Präventionsbotschaft zu nutzen. Jetzt lanciert er erneut über die BILD-Zeitung den Gesetzentwurf und bleibt seiner Linie treu: „Medien first.“ Dass er gleichzeitig die Präventionsmaßnahmen der Krankenkassen als „Sushi-Rollen für Anfänger“ diskreditierte, passt ins Bild. Der Titel „Gesundheitsminister der Herzen“, den er zu Beginn seiner Amtszeit innehatte, erscheint nun in einem ganz anderen Licht.

Michael Schmedt,
Chefredakteur

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